Alphaleser gesucht

Alpha-Leser/in für philosophischen Dialog-Roman

Ich suche einen aufmerksamen Alpha-Leser für die ersten drei Kapitel meines Dialog-Romans.

Zum Projekt: Philosophischer Dialog zwischen zwei zeitlosen Beobachterinnen der Menschheitsgeschichte Sie treffen sich alle 100 Jahre und reflektieren über gesellschaftliche Entwicklungen Themen: Social Media-Kultur, Authentizität vs. Inszenierung, digitale Selbstvermarktung Genre: Gesellschaftsroman mit Meta-Literatur-Elementen

Was ich brauche: Einen kritischen, aber konstruktiven ersten Blick auf das rohe Material. Mein Hauptanliegen: Kommt meine Intention als Autor richtig beim Leser an, oder sind manche Stellen zu subtil/mehrdeutig?

Besonders wichtig sind mir historische Rückblicke der Figuren und gesellschaftskritische Beobachtungen - verstehen Sie diese so, wie ich sie gemeint habe? Funktioniert der Grundton und die Charakterzeichnung?

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Hey Sandro,
möchtest Du uns vielleicht eine Leseprobe zur Verfügung stellen?
Liebe Grüße, Arletta

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Das ist der Prolog
Ein Tisch im Schatten – Die Begegnung 2025

Das Café war unspektakulär, fast zu gewöhnlich. Ein Ort, an dem Menschen kamen und gingen, ihr Frühstück fotografierten, ihre Telefone streichelten, ihre Gedanken vergaßen. Die Stadt war laut, aber hier auf der kleinen Terrasse schien alles ein wenig gedämpfter, wie durch einen Filter aus Vergangenheit.

Sie saß bereits da. Schwarzer Kaffee vor sich, dampfend, fast unangetastet. Der Blick wanderte über das Treiben auf der Straße, dann wieder zurück zu der aufgeschlagenen Zeitung, die nur zur Tarnung diente. Ihre Haltung war ruhig, aber keineswegs entspannt. Eher lauernd. Abwartend.

Die andere kam ohne Hast. Keine Eile, kein Zögern. Hell gekleidet, passend zum Tag, und in ihrer Bewegung lag etwas Leichtes, als hätte sie die Schwerkraft längst verlernt. Ein Lächeln. Wortlos. Ein Nicken, kaum sichtbar. Dann setzte sie sich ihr gegenüber.

Ein Kellner warf einen flüchtigen Blick auf die beiden, zögerte kurz, schaute auf seinen Notizblock, dann ließ er sie in Ruhe. Vielleicht war es die Atmosphäre. Vielleicht das Gefühl, dass man Zeuge einer Szene wurde, die mehr war, als sie schien.

Ein paar Sekunden verstrichen in stillem Einvernehmen. Keine Begrüßung, keine Überraschung. Nur die Art von Stille, die zwischen zwei Menschen existiert, die sich lange kennen und sich noch länger nicht gesehen haben.

Dann, mit einem schmalen Lächeln und der Stimme einer, die keine Eile kennt: „Du kommst zu spät. Schon wieder." Kein Tadel. Kein Vorwurf. Nur ein Satz, der mehr Gewicht trug als der Kaffee auf dem Tisch, als die Sonne auf der Mauer, als der ganze verfluchte Lärm da draußen.

Die andere lächelte sanft, fast heiter. „Wozu die Eile? Wir haben sechs Tage, bevor wir wieder zurückmüssen. Und einen siebten, um uns von den Menschen zu erholen." Sie streckte die Beine aus, kreuzte die Knöchel, ließ den Blick schweifen. „Aber schön, dass du pünktlich bist. Das bist du ja sonst nicht."

Ein Seitenblick, gespielt unschuldig. Eine Braue hob sich. „Zeit", kam es trocken, „ist etwas, das anderen zustößt." Ein Schluck Kaffee. Ein kaum merkliches Zucken im Mundwinkel. „Wir passieren sie nur."

In diesem Moment trat der Kellner an den Tisch. Mit geübter Geste stellte er eine zarte, dampfende Tasse ab, grüner Tee, duftend, wie bestellt. Ohne ein Wort verschwand er wieder, als hätte er gespürt, dass seine Anwesenheit nur Dekoration war.

„Ich hab schon mal für dich bestellt", sagte die Dunkelhaarige, ohne aufzusehen. „Du nimmst ja eh immer das Gleiche, seit dreihundert Jahren."

Die andere hob die Tasse, roch daran, lächelte. „Es ist beruhigend, dass du mich in manchen Dingen noch erkennst."

Die Dunkelhaarige lehnte sich zurück, betrachtete ihre Gegenüber mit einem Blick, der weder freundlich noch feindlich war, nur alt. „Ich erkenne dich überall. In all den Menschen. Jeder ist ein Spiegel deiner selbst, der einen Hälfte, die sich fügen will, sehnt, zweifelt."

Sie nahm einen langsamen Schluck Kaffee. „Und ich? Ich bin das Flackern, das dagegen ankämpft."

Die Teetrinkende schwieg. Kein Widerspruch. Kein Nicken. Nur ein leichtes Zusammenziehen der Augen, als hätte sie diesen Satz schon einmal gehört, vielleicht vor hundert Jahren, vielleicht gestern. Sie ließ den Blick über das Treiben auf der Straße schweifen: Menschen mit Smartphones, E-Scooter, lachende Jugendliche, eilende Anzugträgerinnen.

Sie schien einen Moment lang wirklich berührt. „Sie sind freier als je zuvor", sagte sie leise. „Sie haben ihren eigenen Willen gefunden. Können überall hinreisen. Die Welt hat keine Grenzen mehr, Lilith."

Ein Moment der Stille. Dann kam ein kehliges, fast müdes Lachen von der anderen Seite des Tisches. „Ach, Eva …„, begann sie, und ihre Stimme war ein Seufzen mit Kanten. „Du glaubst diesen Unsinn wirklich?“

Sie lehnte sich vor, stellte ihre Tasse ab, mit dieser unnachahmlichen Mischung aus Zärtlichkeit und Zynismus. „Sie haben Mauern abgerissen, ja, nur um sich neue zu bauen. Aus Glas, Angst, Likes und Leistungsdruck. Sie tragen keine Ketten mehr. Sie tragen Armbanduhren, führen Terminkalender, jagen Idealen nach, die ihnen gar nicht gehören. Sie reden von Freiheit, während sie freiwillig ihr Innerstes im Internet ausbreiten und sich für Applaus selbst dressieren."

Ein schmaler Finger tippte beiläufig auf das Display eines Teenagers, der vorbeizog, das Licht des Bildschirms spiegelte sich kurz in Liliths Augen. „Sie sperren sich selbst in Zellen. Nur dass sie heute WLAN haben."

Lilith lehnte sich zurück, ihr Blick blieb auf dem Influencer haften, der gerade sein Croissant neu arrangierte, für sein „authentisches Frühstück", als wäre es ein heiliges Artefakt. „Ich frage mich, Eva, ob sie überhaupt noch schmecken können, oder ob Geschmack inzwischen ein Algorithmus ist, der entscheidet, wie viele Likes ein Bissen verdient."

Eva rührt in ihrem Tee, obwohl er längst kalt ist. „Vielleicht ist das ihre Form von Ritual. Früher haben Frauen Brot gebrochen, heute brechen sie die vierte Wand mit einem Selfie."

Lilith schnaubt. „Ritual? Das ist kein Sakrament, das ist Selbstvermarktung mit Zuckerguss. Früher nannte man das Tempelprostitution, heute nennt man es ‚Content Creation’, ‚Empowerment’."

Eva lächelt traurig. „Aber ist es nicht auch ein Zeichen, dass sie gesehen werden wollen? Dass sie nicht mehr schweigen?"

Lilith: „Gesehen werden? Sie schreien in ein digitales Vakuum und hoffen, dass jemand zurückflüstert: ‚Du bist genug.‘ Aber sie glauben es nur, wenn es in Sans Serif und mit 10.000 Likes kommt."

Eva: „Sie finden darin eine Gemeinschaft. Ein Gefühl der Zugehörigkeit."

Liliths Lachen war leise und scharf. „Zugehörigkeit? Sie posten Bilder, wie sie die Welt erobern, und im nächsten Atemzug fragen sie ihre Follower, ob ihre Lippenstiftfarbe okay ist. Das ist kein Kampf, das ist kollektiver Gehorsam, mit einem Filter darübergelegt."

Eva: „Aber sie entscheiden selbst, Lilith. Sie wählen, was sie zeigen, was sie verbergen. Ist das nicht ein Stück Freiheit?"

Lilith, bitter: „Freiheit? Wenn du dich selbst zur Ware machst, bist du nicht frei, du bist nur dein eigener Händler. Und der Markt? Der Markt ist immer männlich. Er kauft, bewertet, verlangt mehr. Sie nennen es Empowerment, aber es riecht nach altem Gehorsam, nur mit besserem Licht und einem Monats-Abo. Ich habe mich einst geweigert, unter Adam zu liegen. Heute liegen sie unter dem Algorithmus, freiwillig."

Lilith hebt ihr Glas. „Auf die neue Göttin: die Algorithmische Muse. Sie verlangt Opfer, Zeit, Selbstachtung und den letzten Rest von Authentizität."

Eva prostet ihr zu. „Und doch… sie tanzen für sie. Wie wir einst für unsere Götter."

Lilith schob ihre Tasse beiseite, als wäre der Kaffee nicht stark genug, um mit der Erinnerung mitzuhalten.

„Weißt du noch, Eva… 1925, der Ballsaal in Wien? Ich war neben Damen sie standen stundenlang unter den Kronleuchtern, damit das Licht den Schliff ihrer Diamanten perfekt einfing. Sie nannten es Eleganz. Heute nennt man das Content."

Eva lächelte schwach. „Vielleicht ist es einfach nur die alte Sehnsucht, gesehen zu werden. Damals wie heute."

Lilith lehnte sich zurück, ihr Blick wurde scharf. „Ich habe euch gesehen, Eva. 1425, am Pranger, weil ihr Heilpflanzen kanntet. 1725, brav hinter euren Männern, mit gesenktem Blick."

Ein Schatten glitt kurz über ihr Gesicht. „1825… Ich kann mich noch genau erinnern. Nicht an das Wetter, das war englisch, kalt und höflich, sondern an die erhabene Empörung der Moralisten. Die moralischen Wochenschriften lagen in den Salons wie Heiligtümer aus. Jeder zitierte sie, als stünden sie über dem Leben selbst."

Sie verzog die Lippen. „In Edinburgh wurde eine Ausgabe verlesen, als hätte Gott sie selbst diktiert: ‚Die Frau soll schweigen in der Gemeinde.’ Alle nickten so eifrig, als würden ihre Halskrausen Feuer fangen."

Lilith schenkte Eva einen kurzen Blick. „Und du hast damals versucht, ihnen klarzumachen, dass Tugend nichts mit Stille zu tun hat."

Sie schnaubte leise. „Heute ist es #Empowerment. Doch es ist derselbe Tanz, nur schneller. Und die Bühne ist ein Bildschirm."

Eva hob den Blick, ihre Stimme wurde warm. „Und doch, Lilith … hundert Jahre später, 1925, begann etwas zu leben, das lange schlummerte."

„In London marschierten sie mit Schärpen über der Brust, in Berlin sprachen sie auf Bühnen, in New York rissen sie sich Korsetts vom Leib, nicht nur aus Stoff, sondern aus Jahrhunderten Schweigen. Sie wollten wählen, entscheiden, mitbestimmen. Nicht mehr nur musisch sein, sondern politisch."

Eva hielt inne, als sähe sie die Gesichter jener Frauen. „Es war nicht einfach, aber lebendig. Ich erinnere mich an flackernde Augen, zitternde Lippen, wenn sie zum ersten Mal ‚Ich’ sagten, statt ‚Wir müssen warten.’ Da war Mut, echter, stiller Mut. Und eine Freiheit, die sich nicht mehr zurück in Teetassen und Häkelkreise zwingen ließ."

Ein Blick traf Lilith, kein Vorwurf, sondern ein stiller Ruf aus der Vergangenheit. „Du warst wütend, weil es so lange dauerte", sagte Eva leise. „Ich war dankbar, dass es überhaupt geschah."

Eva hob den Kopf. „Es war ein Anfang. Ein Schritt. Wie 1425, als manche Frauen Heilkunst praktizierten, auch wenn sie dafür brannten. Nicht das Ziel, aber Bewegung."

„Bewegung vielleicht … oft nur im Kreis. Ich frage mich, ob sie wirklich die Regeln ändern oder nur mehr Mitspieler ins alte Spiel lassen."

Eva zog den Schal enger. „Vielleicht ist das Spiel längst ein anderes. Und wir müssen die neuen Regeln erst verstehen."

Lilith schloss die Augen. „Der Tanz mag sich verändert haben, aber die Bühne bleibt fordernd."

Eva nickte langsam, ihre Stimme war jetzt fast ein Flüstern. „Damals begann etwas, das sich nicht mehr leugnen ließ. Frauen erhoben ihre Stimmen, lösten sich von alten Zwängen, nicht nur die Korsetts, sondern auch das jahrhundertelange Schweigen. Sie wollten wählen, entscheiden, mitbestimmen. Ein Anfang, der bis heute nachhallt."

Lilith stellte ihre Tasse ab, langsam, als müsste sie jedes Wort sorgfältig auf den Porzellanrand balancieren. Ihr Blick schweifte kurz in die Ferne, irgendwo zwischen den Dächern der Stadt und den Erinnerungen, die nur sie trug.

„Schon 1025 gab es Märkte, Eva. Damals, als du neben mir standest auf jenem Sklavenmarkt, laut und brutal. Du hast gezittert, geweint, während Menschen wie Waren gehandelt wurden. Heute, Jahrhunderte später, hat sich der Marktplatz gewandelt. Jetzt verkaufen sich Menschen selbst auf digitalen Plattformen, preisen sich für die Höchstbietenden an, frei gewählt, doch nicht weniger gefangen."

„Bei all unseren Treffen, Eva… alle hundert Jahre, war es immer das Gleiche: Männer, die herrschten. Frauen, die warteten. Strukturen, die sich verschoben, aber nie zerbrachen."

Ihre Stimme trug eine alte, würdige Müdigkeit. „Doch das letzte Jahrhundert… so viele Masken fielen, so viele Konstrukte wankten. Es ist, als hätten die Menschen endlich verstanden, dass der Himmel kein Ort ist, und die Hölle auch nicht."

Lilith griff in die Innentasche ihres Mantels, zog ein paar gefaltete Geldscheine hervor und legte sie mit lässiger Präzision auf den Tisch. „Wir zahlen, und bekommen ganze Getränke."

Ihr Blick streifte einen jungen Mann am Nebentisch, der sein Gesicht perfekt zur Kamera neigte. „Sie verkaufen sich stückweise, für verlogene Anerkennung. Ein Like hier, ein Herz da, am Ende bleibt ein leerer Becher und das Gefühl, kurz wichtig gewesen zu sein."

Lilith nahm einen letzten Schluck, zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Und sie nennen den Fortschritt."

Eva erhob sich, strich sanft die Falten aus ihrem Kleid, als wolle sie auch die Schwere des Gesprächs mit einem Handgriff glätten. Die Sonne war inzwischen ein wenig tiefer gesunken, warf warmes Licht auf das Kopfsteinpflaster vor dem Café.

Lilith schob ihren Stuhl zurück, griff beiläufig nach ihrem Mantel, bereit, weiterzuziehen. Doch da drehte sich Eva noch einmal um, blieb im Türrahmen stehen. Ein Lächeln, offen, fast trotzig.

„Es gibt sie noch, Lilith", sagte sie leise, aber mit fester Stimme. „Menschen, die nichts davon brauchen. Die leben, ohne sich selbst zu verkaufen. Du wirst schon sehen."

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Vielen Dank fürs Einstellen Deines Prologes. Für mich liest er sich flüssig und melancholisch, hier und da schwingt eine humorvolle Note mit. Mir gefällt auch Dein Ansatz, Eva und Lilith in ihren jeweiligen (etwas angepassten) ursprünglichen Funktionen auftreten zu lassen. Heißt, wenn ich das bis hier hin richtig verstanden habe?
Ich lasse Deinen Text noch etwas wirken, ich finde ihn vielversprechend, bin mir aber nicht sicher, ob ich mir einen philosophischen Roman als Testleserin zutraue. Sicherlich gibt es hier in der Community geeignetere Kandidaten…