Weihnachten - ein Fest der Diebe (von HelmutB)
Endlich verließen die Personen das Haus, welches er beobachtete. Nach einer weiteren viertel Stunde beschloss er, dass er nun das Haus betreten könne, die Bewohner würden so schnell nicht zurückkehren. Im Weihnachtsmannkostüm und mit dem Sack auf dem Rücken kam er sich ziemlich dämlich vor, aber was tat man nicht alles, um seine Haushaltskasse aufzubessern. Außerdem war heute Heiligabend und somit die Verkleidung auch passend.
Mit seinem Spezialwerkzeug, auf das er sehr stolz war, überwand er die abgeschlossene Vordertür und verschaffte sich Zutritt. Leise ging er durch das Haus und betrat das Wohnzimmer, es war wie erwartet leer. Als er vor dem Weihnachtsbaum stand hörte er eine Stimme fragen: »Bist du der Weihnachtsmann?«
Hastig drehte er sich um. Ein kleines Mädchen stand vor ihm und schaute ihn neugierig an. Die Kleine war vielleicht zehn Jahre alt.
»Natürlich bin ich der Weihnachtsmann« erwiderte er. Jetzt hieß es cool bleiben und mitspielen.
»Hast du in dem Sack die Weihnachtsgeschenke?«, fragte das Mädchen. »Ja, natürlich«, antwortete er, aber er dachte: »Die Weihnachtsgeschenke aus der Nachbarschaft, aber die sind für mich«
»Ist da auch mein Geschenk drin?«, fragte die Kleine weiter. »Aber sicher«, antwortete er und setzte sein bestes Lächeln auf.
Plötzlich rief das Mädchen: »Mama, komm schnell, der Weihnachtsmann ist da!«. Die Mutter erschien und sagte: »Na so eine Überraschung, guten Abend Herr Weihnachtsmann«, begrüßte die Mutter den falschen Weihnachtsmann. »Guten Abend gnädige Frau«, antwortete dieser etwas steif.
»Er hat gesagt, er hat mir ein Geschenk mitgebracht!«, rief das Mädchen erfreut. Da fragte die Mutter ihre Tochter: »Du weißt doch, was du machen musst, bevor du dein Geschenk bekommst, oder?«
»Oh ja, ich muss ein Weihnachtsgedicht aufsagen. Möchtest du es hören, lieber Weihnachtsmann?«
»Oh ja, sehr gerne«, antwortete der verkleidete Dieb und begann im Stillen das Kind zu verfluchen.
Nach der vierten Strophe des Gedichts dachte er: »Von wegen, es dauert nicht lange«, nach der achten Strophen begann er zu schwitzen und dachte: »Nur Goethes ›Faust‹ ist noch länger« und nach der zwölften Strophe beschloss der falsche Weihnachtsmann nur noch ehrlicher Arbeit nachzugehen, sollte er hier unbeschadet herauskommen.
»Das war ›Die Weihnachtsmaus‹ von Jame Krüss«, endete das Mädchen nach der 14. Strophe und verbeugte sich vor dem Weihnachtsmann. »Wurde auch Zeit«, dachte sich dieser und sagte: »Das war das schönste Gedicht, welches ich heute gehört habe und hier ist dein Geschenk« Er griff in den Sack und holte wahllos ein Päckchen heraus.
»Bekommt Mama auch ein Geschenk?«, fragte die Kleine. »Natürlich und sie muss auch kein Gedicht aufsagen«, fügte er noch hinzu und holte ein kleines Päckchen heraus.
»Und Papa?«, setzte das Mädchen noch nach. »Oh ja, hier auch eines für Papa«, antwortete er, überreichte auch drittes Päckchen und wünschte in Gedanken das Kind zur Hölle.
»Vielen Dank, lieber Weihnachtsmann!«, rief die Kleine erfreut. »Gern geschehen, liebes Kind«, antwortete er. »Aber jetzt muss ich weiter, noch anderen Kindern die Geschenke bringen«, fügte er schnell hinzu, bevor der Satansbraten ihn noch weiter aufhalten konnte.
Er machte sich eilig auf zur Tür. »Frohe Weihnachten!«, riefen ihm das Mädchen und Ihre Mutter hinterher. »Oh ja, frohe Weihnachten euch allen«, antwortete er und verließ eiligst das Haus.
Als es im Haus still wurde, brachen Mutter und Tochter in schallendes Gelächter aus. Der Vater kam durch die Hintertür herein und frage: »Warum lacht ihr?«
»Der Weihnachtsmann war da und hat uns Geschenke gebracht«, sagte seine Frau und hielt ihm sein Geschenk hin.
»Ach der«, antwortete er. »Der hat noch mehr davon in seinem Auto, bessergesagt: ›hatte‹. Der erlebt gleich eine Überraschung« Jetzt lachte auch der Vater.
Seine Frau sagte: »Los, wir sind hier auch fertig« und deutete auf die gefüllten Säcke an der Hintertür. »Lasst uns verschwinden, bevor die Bewohner dieses Hauses uns überraschen.«