ich habe vor, in meinem aktuellen Roman jeweils einen Zeiten-/Perspektivwechsel vorzunehmen, wenn die Protagonist und Antagonist aufeinandertreffen, um mehr Nähe zu schaffen.
Konkret heißt das:
Die Geschichte wird im Präteritum erzählt, auktorial.
Wenn die beiden Hauptfiguren gemeinschaftlich auftauchen, wechsele ich in die Ich-Erzählform/Präsens.
Die Geschichte beinhaltet aber auch Rückblenden und zeitliche Einschübe.
Glaubt ihr, das könnte funktionieren? Oder anders gefragt, würdet ihr persönlich mit einer solchen Erzählweise zurecht kommen? Oder noch anders: Sieht das möglicherweise nach Fehlern/Unkenntnis aus oder glaubt ihr, der Leser erkennt das Konstrukt?
Ich bin es beim Lesen gewohnt, dass in der dritten Person wechselnd von verschiedenen Personen erzählt wird, aber wenn plötzlich zur Ich-Perspektive gewechselt würde, würde mich das sehr herausreißen.
Ich glaube, wohldosiert oder als Ausnahme könnte das funktionieren. Wenn in einem Kapitel - ich übertreibe mal - ständig zwischen verschiedenen Perspektiven und Zeitformen hin und hergesprungen wird, ist es eine Katastrophe.
Vom auktorialen Erzähler dürfte es eh schon ein ziemlicher Spagat rüber zum Ich-Erzähler sein, den dann aber auch noch im Präsens auf zwei Figuren zu verteilen, ich würde sagen, das verspricht ein saftiges Chaos. Als Sahnehäubchen dann noch Rückblenden und zeitliche Einschübe, auch ohne den Text zu kennen, denke ich, das kann nicht gut gehen, da blickt irgendwann keiner mehr so richtig durch.
Ich weiß nicht, warum immer alle meinen, Erzählungen im Präsens würde mehr Nähe schaffen, dem ist nämlich nicht so. Eine langweilige Passage bleibt langweilig, egal ob du sie im Präsens, Präteritum oder auch im Konditional anlegst.
Die Zeitform sagt nichts über die Nähe zu deinen Figuren aus, dazu brauchst du eine gründliche Charaktererstellung, bei der die jeweilige Persönlichkeit stimmig und originell herausgearbeitet wird.
Wäre beides möglich. Aber ersteres würde ich auf keinen Fall riskieren und ein Text, dem man ‚ein Konstrukt‘ anmerkt, ist auf andere Art genauso ‚sub-optimal‘.
Du kannst ja mal eine Textprobe posten, dass man es ‚am lebenden Objekt‘ begutachten kann, aber bei mir sagt sowohl Vernunft als auch Bauchgefühl: Lass es.
Missverständnis: Ich verteile den Präsens nicht auf zwei Figuren. Er kommt immer dann, wenn besagte beide Figuren zusammen sind. „Ich“ ist dabei immer ein- und dieselbe Figur. Mal wird die „Ich“-Figur aus der Distanz beschrieben, mal direkt durch sie selbst.
Ist das denn keine Nähe, wenn sie die Dinge aus ihrer Sicht beschreibt/erlebt?
Nicht generell, aber wenn es im Kontrast zu einem anderen Teil steht, dann doch wohl oder nicht?
Ich hoffe, dass man das Konstrukt nicht bemerkt. Ich wollte damit nur sagen, dass ich es geplant habe und nicht alles wild durcheinander läuft. Die Geschichte wird auf keinen Fall dadurch in ein Korsett gezwängt. Ich dachte an ein loses Reimschema, wenn ich es mal so nennen darf.
Eine Leseprobe kommt zu gegebener Zeit. Ich habe erst zwei Kapitel, die rudimentär formuliert sind.
Doch natürlich, aber das geht im Präteritum genauso gut.
Da steh ich jetzt irgendwie aufm Schlauch, wie beschreibt man die „Ich“-Figur aus der Distanz?
Ich meine nein, man würde sich wohl eher fragen, was das eigenlich soll (ok, ich zumindest).
Ist jetzt sicher auch ne Geschmackssache, aber bei ebensolchen Konstrukten bekomme ich immer den Eindruck, der Autor wollte hier entweder mit der Brechstange originell sein, oder aber, einen Effekt erzielen, den man leider bemerkt.
Ich würde aber sagen, vertagen wir die Diskussion, bis du eine Leseprobe hast, denn möglicherweise hast du ja einen Dreh gefunden, mit dem das alles trotzdem super funktioniert.
In der ganzen Schreiberei gibt es kaum Regeln, die man nicht irgendwie aushebeln oder elegant umgehen kann, da kommts wirklich auf den jeweiligen Fall an.
Ich habe eben keine Lust auf einen 08/15 - Text.
Und du hast Recht. Vielleicht sollten wir doch lieber auf das lebende Objekt - wie du es so schön genannt hast - warten.
Ich dachte nur an eine erste Einschätzung. Ich glaube, ich mache einfach weiter, wie geplant. Sollte das tatsächlich nicht funktionieren, kann ich es ja immer noch umschreiben. Zum Glück habe ich keinen Zeitdruck.
Was Du da vorhast, klingt schwierig. Es ist gleich ein doppelter Wechsel, den Du vornehmen willst: Erzählperspektive und Erzählzeit. Ich wäre bei dieser Konstellation entweder verwirrt und/oder würde annehmen, dass über zwei Zeitebenen erzählt wird - was das Ich schildert, passiert jetzt, alles andere davor.
Die von vielen propagierte größere Nähe des Lesers zum Protagonisten in der Ich-Perspektive würde ich nicht überbewerten. Personal funktioniert’s meist genauso gut.
Der Schatten kam näher. Toms Herz wummerte. Er holte tief Luft und machte sich in die Hose.
Der Schatten kam näher. Mein Herz wummerte. Ich holte tief Luft und machte mir in die Hose.
Da bin ich in beiden Fällen nah dran (hoffentlich nicht zu sehr - nasse Füße mag ich nicht).
Sehr gut gewähltes Beispiel!
Bei der Ich-Perspektive wäre ich hier mehr auf Distanz und würde mich fragen, was für ein seltsamer Typ das so aufschreibt. Genau wie bei typischen Beschreibungen aus der Ich-Perspektive - „mein langes blondes Haar fiel glatt herunter und reichte als Pony bis zu meinen moosgrünen Augen“ - bei denen ich aus der Distanz überlege, was für eine Persönlichkeit man wohl haben müsste, um so über sich selbst zu schreiben.
Vor ein paar Monaten habe ich ein Buch gelesen, in dem aus Sicht einer Katze in der Ich-Perspektive geschrieben wurde. Da wusste ich nicht, ob ich darüber lachen oder mich schaudernd vom Buch abwenden sollte, als die Katze vom Auto angefahren wurde und sich eine dreiviertel Seite lang mit medizinischen Fachbegriffen über das Adrenalin in ihren Adern und über Schockwirkung ausließ. Größere Nähe hat die Ich-Perspektive da nicht geschafft.
Ich habe mal ein Buch gelesen, das im Präteritum geschrieben war. Als jedoch zwei Hauptfiguren das erste Mal aufeinander trafen (und ihre Schicksale für immer miteinander verbunden wurden und nein, es war kein Liebesroman ) wechselte die Geschichte ins Präsens und man wusste sofort: „Hier passiert grad was unfassbar wichtiges!“
Kam in diesem 800-Seiten-Roman genau einmal vor und hat dadurch seinen Eindruck nicht verfehlt.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass es funktioniert, die „wichtigen“ Szenen im Präsens zu schreiben, solange man es nicht übertreibt.
Was den Ich-Erzähler angeht, wäre ich auch eher vorsichtig. Ich lese gerade ein Buch (Bartimäus), das im Wechsel von Ich- und personalem Erzähler geschrieben ist, und es funktioniert nur darum, weil sich der Wechsel durchzieht. Bartimäus ist der Ich-Erzähler und Nathanael hat einen personalen Erzähler, und sie wechseln sich ab, und man weiß nach den ersten beiden Kapiteln oder so, was Sache ist. Wenn das jetzt hingegen urplötzlich mitten im Text wechseln würde, wäre ich auch eher irritiert.
Ansonsten vielleicht einfach mal ausprobieren? Ich glaube, man merkt recht bald, ob es sich „richtig anfühlt“.
Ich denke, es ist einen Versuch wert. Ob etwas funktioniert oder nicht kann man oft erst im Nachhinein erkennen.
So ähnliche Bücher habe ich schon gelesen, mir fällt der Titel nicht ein. Es war anstrengend und manchmal habe ich die Rückblenden übersprungen, um im Fluss der Story zu bleiben.
Die Trennung sollte klar sein, z.B. auch durch Kapitelwechsel oder sogar Schriftwechsel.
Bei einem Buch stand im Titel jeweils der Name der erzählenden Person, weil eben auch zwischen den Protas gewechselt wurde.
Ich würde dir vorschlagen, es mal ein, zwei Kapitel lang auszuprobieren. Wenn es nicht passt, kannst du immer noch umschreiben.
Auf jeden Fall interessant und du lernst sicher viel dazu.