Hallo Nina,
ich wollte erst bis morgen warten mit dem Lesen, habe dann aber doch heute schon angefangen - und kam nicht mehr los. Und jetzt sehe ich echt das Problem auf mich zukommen, dass ich die nächsten Tage einen größeren Auftrag habe und gleichzeitig an der Diskussion hier werde teilnehmen wollen und nicht weiß, wie ich das zeitlich machen soll.
Also, Meinung: Die Geschichte ist fett! Da erschlägt’s einen fast, so viel steckt da drin. Sie ist schwer, gehaltvoll, üppig. Und ich mag das ja bei Fantasy. Man liest, dass das ein Eisberg ist, von dem man bis jetzt nur die Spitze sieht. Da ist noch etliches an Hintergrund, und zumindest ich bin begierig darauf, mehr zu erfahren.
Nach diesem ersten Kapitel hält man etliche lose Fäden in der Hand und muss die ganzen Infos erst mal verarbeiten. Wie es weitergeht? Keine Ahnung. Aber ich will es wissen! Und das ist die Hauptsache.
Ich liebe deinen Blick fürs Detail, die Begriffe, die sozialen Strukturen, die durch Färbung der Kleidung deutlich gemachte Zugehörigkeit zu den Kasten, dass man in Sand kein Loch schaufeln kann, dass es in einer Wüste kein Holz gibt für Feuer. Find ich schön. »Sie gehört mir erst seit einem Zyklus. Diese Ausbildung habe nicht ich in den Sand gesetzt.« - Klasse! Eine etablierte Redewendung genommen und fantasymäßig auf ein Wüstenvolk umgemünzt.
Du schreibst im Präsens, was ungewöhnlich ist, aber ich hatte ich ganz schnell daran gewöhnt, weil die Geschichte mich so gefesselt hat.
Das mit den drei Punkten am Ende einer Szene handhabe ich übrigens ähnlich. Meine Testleser wollten das so.
Kritik: Für mein Dafürhalten weist du ein, zwei mal zu oft darauf hin, dass sich alles geändert hat und die Wälder verschwunden sind. Ebenso musst du die weiße Kleidung nicht so häufig erwähnen. Man hat deine Welt sehr plastisch vor Augen. Du brauchst an diese Details also nicht (so oft) zu erinnern.
Die beiden Gottheiten im Prolog erzählen sich im Grunde genommen lauter Sachen, die sie eigentlich schon wissen müssten. Es ist klar, dass du den Lesern so erste Informationen über deine Welt vermitteln willst. Ich weiß nur nicht, ob das so die allereleganteste Lösung ist. Allerdings fällt mir auch keine bessere ein.
Du hast ein paar Schwächen hinsichtlich der Kommasetzung bei erweiterten Infinitiven bzw. Relativsätzen.
Du trennst gern mal den Relativsatz vom Hauptsatz ab („Außerdem habe ich mir einen großen Becher mit Kaktus versetzen Wassers verdient. Den es sogar aufs Haus gab.“) bzw. arbeitest generell gern mit grammatikalisch unvollständigen Sätzen. Ich komme bei der Hitze gerade nicht drauf, wie das fachsprachlich heißt (Nominalsätze?). Für mich transportiert das gut einen gewissen lakonischen Grundton und unterstreicht diese Art Wildwest-Flair, das da mitschwingt. Aber du gehst natürlich ein Risiko ein, worauf dich aber sicher die hiesigen Hüter der Stilregeln noch eingehender hinweisen werden. Für mich ist es deine eigene Note, so ein wenig Crossover aus Fantasy und Western. Aber ich würde darauf achten, dieses Mittel nicht häufiger einzusetzen als bisher.
„Sein Blick ist unaufgeschlossen“: Ich glaube, du meinst „schwer/nicht zu deuten“. An anderer Stelle schreibst du: „Der Mund des Shinto verengt sich.“ Auch da kollokiert das Verb für meine Begriffe nicht. Würde sich sein Mund verengen, hätte er eine allergische Reaktion oder so. Wenn es eine aktive Bewegung des Shinto ist, wird sein Mund schmal.
„Ich habe Jamik eine schmerzstillende Salbe auftragen lassen und bot ihm einen Tiegel davon für die nächsten Sonnenläufe an. Natürlich lehnte Katos ab. Ich tippe immer noch darauf, dass er der Tuaru ist“: Da stimmen die Zeiten nicht. „… und ihm einen Tiegel davon für die nächsten Sonnenläufe angeboten. Natürlich hat Katos abgelehnt.“
„Eigentlich sollte ich mich erheben, mich mit demütig gesenktem Kopf verbeugen und warten, bis er sich gesetzt hat, bevor ich es ihm gleichtue. So geben es unsere Traditionen vor. So sieht es unsere Kultur vor.“: Das ist in zweierlei Hinsicht mehr, als es braucht. Wenn Zinara sich verbeugt, impliziert das schon, dass sie es demütig tut und dass sie es mit gesenktem Kopf tut. Und durch das „Eigentlich“ am Satzanfang machst du auch schon klar, dass es gegen die Tradition verstößt, sich nicht zu verhalten. Insofern kann das meiner Meinung nach reduziert werden.
Anderswo schreibst du: „In unserer auf Traditionen beruhenden Kultur.“ Preisfrage: Gibt es auch nicht auf Traditionen beruhende Kulturen? Und selbst wenn: Hat Zinara überhaupt von anderen Kulturen Kenntnis?
„Meine Stimmlage sagt genau, was ich von seiner knappen Aussage halte.“: Das ist eigentlich nur noch mal eine Bestätigung dessen, was er vorangegangene Dialog aussagt, kann also in dem Sinne auch weg.
„Sein Blick wirkt hoffnungslos und sein Gesicht ist dennoch voller Hoffnung.“: Entgeht mir das was? Das ist für mich spontan ein Widerspruch innerhalb eines Satzes, aber irgendwie so offensichtlich, dass ich mich wiederum frage, ob du dir nicht was dabei gedacht hast, und ich es nur nicht sehe.
Verständisfrage: Sehe ich das richtig, dass es außerhalb der Siedlungen große Felder mit großen Kakteen gibt und innerhalb der Siedlungen Beete mit kleineren Kakteen? Und warum schließt Zinara aus fehlendem Verwesungsgeruch, dass es keine Krankheit ist, an der die Dorfbewohner sterben? Was sagt ihr überhaupt, dass die Dorfbewohner sterben?
Fragen als Challenge für dich: Womit macht der junge Heiler angesichts der geschilderten Ressourcenknappheit Licht im Lazarett? Es gibt kaum Pflanzen und kaum Wasser - womit werden die Kleider gefärbt?
Ich hoffe, es wird deutlich, dass ich mächtig Spaß am Lesen hatte und meine Hinweise Ausdruck dafür sind, dass gerade meine Synapsen glühen. Ich freue mich darauf, mehr Einblick in deine Geschichte zu bekommen. Danke fürs Einstellen!