Nüchterne Variante:
Die Stilanalyse zeigt Stellen, an denen möglicherweise Verbesserungspotenzial besteht.
Variante für KI-Verfechter:
Die Stilanalyse zeigt Stellen, an denen der Computer Verbesserungspotenzial sieht. Aber noch schreiben Menschen die besseren Bücher und nicht die Computer.
Mathematische Variante:
Die Stilanalyse zeigt Stellen, an denen wahrscheinlich Verbesserungspotenzial besteht. Dazu verwendet sie Faustregeln, die sich aus statistischen Erhebungen ergeben haben. Aber wie im richtigen Leben: Traue keiner Statistik oder fälsche sie selber.
Psychologische Variante:
Die Stilanalyse zeigt Dir in Deinem Text Stellen, von denen der Programmierer der Software glaubt, dass die meisten Menschen (die er weder kennt noch je befragt hat) sie schlecht finden. Wenn Du Dich strikt daran hältst, hast Du die Gewähr, ein Buch ohne Ecken und Kanten zu produzieren, das so glatt und weichgebügelt ist, dass es keiner mehr lesen will.
Verschwörungstheoretische Variante:
Als Buchautor stehst Du in direkter Konkurrenz zu anderen Buchautoren. Diese haben daher ein Interesse zu verhindern, dass Du gute Bücher schreibst. Deshalb haben SIE dafür gesorgt, dass die Stilanalyse ganz viele false positives anzeigt. Denn nur wahre Autoren wissen die echten von den vermeintlichen Stilmängeln zu unterscheiden. Zu welcher Seite wirst Du gehören?
Opas Variante:
Früher hatten wir gar keine Stilanalyse. Ging auch.
Religiöse Variante:
Das meistverkaufte Buch weltweit ist die Bibel. Und? Hat sich da jemals wer über den Stil beklagt?
Achso, Murphys Variante:
Die Stilanalyse zeigt zwei Arten von Stellen: Formulierungen reinster Poesie sowie solche unterirdischster Ausdrucksweise. Die ersten wirst Du ändern, die zweiten beibehalten. Und wenn Du versuchst, es andersherum zu machen, dann wird die Stilanalyse das schon vorher gewusst und in ihre Berechnung mit einbezogen haben.
Mir zeigt die Stilanalyse die einzelnen Bäume im Wald.
Mäkelt die Stilanalyse den obigen exemplarischen Satz “Die Jacke war grün und unangenehm zu tragen” an, wird zwar das “war” markiert, aber ins Auge springt mir “unangenehm zu tragen”. Warum unangenehm zu tragen? Ist sie zu eng, zu dick, ist der Stoff kratzig, oder schwitzt mein Protagonist darunter?
Ohne eine Markierung hätte ich des Satz wohl einfach überlesen, aber mit den Markierungen zieht es mein Auge auf sich. Selbst wenn ich entscheide, dass ich meinen Satz gut finde, so wie er ist, habe ich mich dennoch kritisch damit auseinandergesetzt.
Die psychologische Variante finde ich nicht wirklich treffend, denn die Software sagt ja nicht, dass du es verbessern musst. Vielmehr bringt sie dir einen Hinweis. Die meisten Menschen verübeln das einer Software weniger, als wenn die Anmerkungen von einem Menschen kommen. Wir nehmen die von einer Software angebrachten Hinweise oft auch ernster, weil wir ihr mehr Objektivität unterstellen als einem Menschen.
In Fall der Stilanalyse ist es also eine vorzügliche Möglichkeit, die eigene Selbstkritik anzukurbeln.
Es ist schwierig seinen Text skeptisch zu hinterfragen, wenn man Monate / Jahre sein Herzblut in ein Projekt gesteckt hat. Analysiert ihn dann eine Software, ist das vielleicht entmutigend, aber würden die ganzen Anmerkungen von einer Person kommen, würden wohl eine Menge Manuskripte im Feuer landen…
taucht denn das Wort “muss” oder eine äquivalent auslegbare Formulierung auf?
Ich weiß ja, dass in unserer heutigen postfaktischen Zeit Glauben, Raten und Wissen zunehmend synonym sind und das Einordnen eines Textes als Humor, Satire und dergleichen immer mehr Leuten nur noch anhand von Smileys und Disclaimerschnipseln anstelle anhand des Textes selbst möglich ist (Das waren noch Zeiten, wo Leute wie Tucholsky als Autor Texte ganz ohne Smileys verfassten, die trotzdem verstanden wurden …).
Aber ich bin da irgendwie noch Oldschool. Letztes Jahrtausend. Du verstehst?
Wen jemand einem Gegenüber (der es in der Regel gut mit einem meint) Kritik eher verübelt als einem Automaten (dem derjenige regelmäßig völlig egal ist), und das ungeachtet der Tatsache, dass der Gegenüber in subjektiven Belangen regelmäßig kompetenter ist als ein Automat (der schon per Definitionem kein Subjekt ist), was sagt Dir das über diesen Jemand?
Wow… Hab ich dich in irgendeiner Form angegriffen?
Meine Aussage bezog sich auf
Mein Hinweis, dass die Stilprüfung niemanden dazu auffordert die angemerkten Stellen zu ändern bezieht sich sogar ganz direkt auf das “wenn du dich strikt daran hältst”. Ich kann mich nur an etwas halten, wenn auch etwas vorgegeben ist.
Was es mir sagt, wenn jemand einem Menschen Kritik mehr verübelt als der Software?
Dass er sich die Kritik eines Menschen mehr zu Herzen nimmt. Dass sie in ihm mehr Emotionen auslöst als das Feedback eines Programms.
Und wenn wir schon bei Oldschool sind, ich bin auch aus dem letzten Jahrtausend.
Weißt Du noch, wer Spock war? Spock hat “Faszinierend” gesagt, wenn er mal wieder über ein “menschliches” Verhalten gestolpert oder mit einem solchen kollidiert war, und das beim besten Willen nicht logisch nachvollziehen konnte.
Wenn mir Dein Essen nicht schmeckt, dann wäre eine Vorgabe “Koch das nächste Mal was anderes!” Hingegen ist “Das schmeckt mir nicht.” keine Vorgabe, sondern eine Meinungsäußerung. Erst wenn Du Dich entscheidest, Dir dieses Urteil anzueignen (“Stimmt, das Essen ist wirklich schlecht”), dann machst Du aus der Meinungsäußerung eine Vorgabe - an die Du Dich dann halten kannst oder nicht. Nochmal: Du bist derjenige, von dem die Vorgabe kommt, und nicht Dein Gegenüber.
Und wenn Du oben nochmal nachschaust, dann steht da, dass die Stilanalyse vermeintlich schlechte Textstellen anzeigt (= Meinungsäußerung). Und dass Du auf der Nase landen wirst, wenn Du unbedacht aus jeder Meinungsäußerung der Stilanalyse eine Vorgabe machst.
Ich glaube nicht, dass das der wahre Grund ist. Sich etwas zu Herzen nehmen, ist nämlich zunächst einmal neutral.
Der wahre Grund ist in meinen Augen, dass dem Gegenüber z.B. eine Angriffsabsicht unterstellt wird. Deshalb ja das Verübeln. Einem Automaten kann man aber schlecht eine Absicht unterstellen; deshalb “findet” man in diesem Fall keinen Grund für eine Vergeltung der Kritik.