Dein Text ist fertig! Du atmest aus, schließt den Laptop und gehst leicht benommen zum Kühlschrank oder so. Und was nun?
Gewinne Abstand von deinem Text, heißt es in Schreibratgebern. Lass ihn eine Weile liegen.
Während wir an einem Text arbeiten, fällt es uns oft schwer, ihn kritisch zu betrachten. Mit der Zeit können wir das, was wir geschrieben haben, „vergessen“ – es fühlt sich irgendwann fast so an, als hätte jemand anders diese Zeilen verfasst. Entsprechend unvoreingenommener lesen wir.
Das kann helfen, wenn wir unzufrieden mit unserer Arbeit sind, aber nicht wissen, warum. Vielleicht waren wir beim Schreiben vollkommen überzeugt von einer Nebenfigur, die wir jetzt als überflüssig erkennen.
Umgekehrt kann es aber auch sein, dass uns erst mit etwas Abstand auffällt, dass wir etwas ganz Fantastisches geschaffen haben!
Beherzigt ihr diesen Rat? Bringt euch der „frische Blick“ beim Schreiben voran?
Wie lange wartet ihr, bevor ihr einen Text überarbeitet?
Bis der Testleser mir seine Anmerkungen und Kritikpunkte mitteilt.
Meine erste Testleserin hat (für meine Roman-Erstfassung mit über 100.000 Wörtern) nur zwei Wochen gebraucht, um mir mit ihrer konstruktiven Kritik Überarbeitungsarbeit für mehrere Monate zu verschaffen.
Aus meiner Sicht kommt es auf den Text an. Je länger, je länger
Das heißt, bei einem kurzen Blogartikel reicht u.U. schon 1 Tag. Bei größeren Texten lasse ich mir durchaus ein paar Wochen Zeit, es sei denn, es naht ein Abgabetermin.
Aus eigener Erfahrung würde ich sagen, dass es immer auf die Ebene ankommt, auf der man einen Text überarbeiten möchte.
Wenn es um Dinge geht, die auf der Ebene sprachlicher Richtigkeit, auf der Ebene der inhaltlichen Logik und Folgerichtigkeit eines Textes liegen oder wenn es darum geht, an der sachlichen Richtigkeit zu feilen, dann kann das gleich einen Tag später oder schon nach einer Tasse Kaffee losgehen.
Wenn es aber um die Frage geht, ob der Text, den man geschrieben hat, auf Leser losgelassen werden kann; ob er eine Chance hat, sich im Gemüt eines anderen Menschen zu verfangen und eine Beziehung zu diesem aufzubauen, dann sollte man eine Weile warten. Mir scheint es dann sogar geboten, wenn man bis zum ersten Vergessen von Einzelheiten wartet. Dann hat man nämlich die Chance, den Text selbst als jemand zu erleben, der überrascht werden kann und in der Lage ist, sich über das, was man geschrieben hat, zu wundern - positiv wie negativ.
Ich habe eine Schwägerin, eine Freundin und einen Forianer gefunden. Ich stelle keine konkreten Fragen sondern lass die drei einfach machen nach dem Motto „Alle Schläge sind erlaubt“, was einerseits bedeutet, dass absolut alles angemeckert werden darf. Andererseits beinhaltet das auch, dass ich nicht beleidigt bin, egal welche (Art) von Kritik von wem kommt. Die 3 bekommen von mir ein Probeexemplar und dürfen nach Herzenslust darin herumschmieren, schreiben, anmerken, streichen …
Bevor ich meinen Text den „externen“ Testlesern gebe, quäle ich meinen Mann. Von der Idee bis zum fertigen Buch nerve ich ihn mit einzelnen Szenen und / oder Ideen, von konkret bis abstrakt ist alles dabei. Dann bekommt er einen kompletten Ausdruck auf Altpapier und danach geht’s dann in „externe“ Meckerrunde.
Bevor ich meinen Text den „externen“ Testlesern gebe, quäle ich meinen Mann. Von der Idee bis zum fertigen Buch nerve ich ihn mit einzelnen Szenen und / oder Ideen, von konkret bis abstrakt ist alles dabei.
Vielleicht sollten dein Mann und meine Frau eine „Selbsthilfegruppe von Schriftsteller-Opfern“ gründen. Am schönsten ist es morgens: Ich habe gerade eine Stunde geschrieben, wecke sie, sie reibt sich den Schlaf aus den Augen - und ich lege los: „Was meinst du, sollten in der Szene mit dem toten Troll vielleicht auch noch … Warte mal, ich lese dir schnell die neue Fassung vor …“ Ach ja, und meine Frau ist ein klassischer Morgenmuffel!
Obendrein habe ich für den ersten Roman vier Jahre gebraucht. Sie hat mir angedroht, den nächsten nach spätestens zwei Jahren irgendwo einzureichen - egal, in welchem Überarbeitungszustand.
Zum Thema Überarbeiten: Das hängt von der Textlänge ab. Einen kurzen Artikel von einer Seite überarbeite ich ein, zwei Tage später. Die Rohfassung meines Romans habe ich damals etwa zwei Monate liegenlassen.
Ich habe eine Menge Freunde, Verwandte und Bekannte, die sehr gerne Bücher lesen, also eine große Auswahl an Testlesern.
Meine erste Testleserin war meine Schwester, die Deutschlehrerin. Ich hatte sie gebeten, auf zwei Schwächen meiner Geschichte besonders zu achten und mir dafür möglichst mit vielen neuen Ideen weiterzuhelfen, und bitte, bitte, meine Co-Autorin zu werden.
Leider möchte sie nicht Co-Autorin werden und sich keine neuen Einzelheiten ausdenken. Aber sie hat an sehr vielen Stellen sehr konkret größere und kleinere Schwächen meines Romans aufgezeigt. Und sie hat (in sehr großen Zügen) einen weiteren Handlungsstrang angeregt (zu recht!), für den ich mich jetzt seit Monaten bemühe, Einzelheiten zu erfinden und in die Geschichte einzubasteln.
Für die nächste Romanfassung (die wohl erst in vielen Monaten fertig wird) habe ich schon eine Zusage von einer Freundin von mir, die Linguistin ist (und die ich mir ebenfalls gut als Co-Autorin vorstellen könnte). Wir haben besprochen, dass sie sich nur aufs Testlesen festlegt, sich aber mehr mit dem Inhalt der Geschichte als mit sprachlichen Feinheiten beschäftigen wird.
Ich brauche gerade wegen der Textlänge das Manuskript nicht liegen zu lassen, um etwas Abstand davon zu gewinnen. Ich bin so langsam, dass ich Monate für eine Überarbeitungsrunde brauche. Wenn ich hinten beim 110.000. Wort angekommen bin, haben die ersten 1000 Wörter mehr als genug „gelegen“.
Das ist unterschiedlich. Manchmal dümpelt das Manu tagelang auf der Platte heurm. Hin und wieder kommen mir nachts neue Ideen, die ich dann schnell einbaue - wenn sie passen.
Bzgl. logischer Fehler - nun ja, das ist kompliziert. Ich kenne meinen Text ja und öfters stoße ich z. B. in Kapitel 28 auf etwas, das nicht mit einer Beschreibung, Formuilierung in z. B. Kapitel 7 zusammengeht.
Das wird sofort korrigiert, sonst habe ich am Ende einen Sack voller logischer Fehler, die ich nicht mehr sinnvoll korrigieren könnte(mit den Modulen von Papyrus kann ich das hoffentlich etwas entzerren).
Ansonsnten lese ich jedes neue Kapitel vier- oder fünfmal - schon da entdecke ich fast immer Fehler.
Ich habe zum Glück zwei Testleserinnen, die gnadenlos Kritik üben und mit dem ihnen eigenen Abstand Fehler entdecken, die ich übersehen habe.
Ich bin irgendwann darauf gekommen, dass es hilfreich ist, während des „Abliegens“ schon mal mit der Planung für ein neues Projekt zu beginnen. Das füllt dann nach und nach den Kopf mit neuen Bildern, Szenen, Formulierungen, verdrängt damit das, was man meint, geschrieben zu haben, sodass, wenn man dann das Manuskript nach einiger Zeit wieder zur Hand nimmt, es sich fast liest wie der Text von jemand anders.
Es ist also weniger eine Frage der Zeit als eine Frage des geistigen Abstands.
Das ist ein wichtiger Aspekt. Ich habe auch schon von Leuten gehört, die in der Phase zwischen Fertigstellung und Überarbeitung besonders viele Texte von anderen lesen, um schneller Distanz zur eigenen Stimme und den eigenen Ideen herzustellen.
Generell lasse ich „fertige“ Texte nicht länger als ein, zwei Wochen liegen, bevor ich in die Überarbeitungsrunden einsteige.
Ansonsten mache ich es prinzipiell wie du, Andreas. Was vergleichsweise leichtfällt, da ich eh an einem serienfähigen Thema/Protagonisten und damit an mindestens zwei Folgebänden arbeite. Dazwischen lese ich immer wieder gerne einen Ian Rankin oder Ian McEwan. Das befördert die schnelle Distanzgewinnung zum eigenen Projekt und motiviert zugleich, unbedingt wieder selbst schreiben zu wollen.
In der Zwischenzeit warte ich darauf, wie mein Agent das GM beurteilt und welche mehr oder weniger dezenten Hinweise er mir gibt – die ich dann aufgreife oder nicht, je nachdem.
Noch bevor die Einladung von Papyrus Autor kam, hatte ich kurzzeitig geglaubt, mit dem aktuellen Projekt fertig zu sein. (Ich muss an dieser Stelle anmerken, dass ich mir nicht so die technischen Sorgen gemacht habe…)
Mit „Zarathustra“ (Nietzsche; kam von einem Kollegen) habe ich das Finale umgeschrieben.
Mit Papyrus kam mehr Tiefe in die Philosophie (sehr ungewöhnlicher Schreibstil, sehr kleine Zielgruppe). Ich fand Antworten auf Fragen, die ich nur mir selbst stellte. Bin inzwischen ganz entspannt.