Wie kommt man zum Schreiben?
Ich wuchs bei meinen Großeltern in einer kleinen Stadt auf, welche im Ruhrgebiet am Rand der Haard lag. Ein Zechenhaus mit Garten, einer Schonung, einem Getreidefeld und einer berggleichen Erhebung hinter einer hohen Mauer – die Abraumhalde der Zeche.
Trotzdem war es ländlich dort, und wir Kinder lebten und spielten, wie man es aus Bullerbü von Astrid Lindgren kennt.
Zur Schule stampfte man über die Kuhweide, Ball spielte man überall, auf der Wiese im Garten, auf der Siedlungsstraße (Autos fuhren selten durch, und wenn, dann achteten die Fahrer auf uns Kinder). Wir streiften durch die Schonung, wo junge Bäume zum Schutz vor Weidevieh eingezäunt war. Man ließ sich die Gummistiefel volllaufen mit Teichwasser, sammelte Kaulquappen, Würmer, Tausendfüßler u.v.m.
Seit ich sprechen konnte, nannte man mich: die Quasselstrippe. Ich erzählte den Kindern, den Erwachsenen, den Tieren, dem Spiegelbild in einer Pfütze stetig Geschichten. „Woher nimmt der Bub nur diese Fantastereien“, sagten die Erwachsenen. „Da bluten einem ja die Ohren.“
Da kann ich nur mit den Schultern zucken. Das weiß ich selbst nicht so genau. Fernsehen gab es so gut wie nicht. Bücher waren nicht vorhanden. Aber ich hatte luzide Träume. Mein Bewusstsein fuhr quasi im Schlaf nicht runter, und so sah ich all die Abenteuer, die ich mir ausdachte, wie in einem Film. Sicherlich habe ich in einem Teil meines Gehirns die Fähigkeit besessen Datenmüll zu verarbeiten. Hier etwas von Dinosaurier, dort ein wenig vom Jagen, die Sterne, andere Länder (Urlaub in Bayern, Österreich und Tirol). Grundlagen zu meinen Geschichten im Sandkasten. Wir Kinder bauten Tunnel und Burgen, und ich erzählte allen, was geschah – im Sandkastenland.
Später schrieb ich meine Schulhefte voller Abenteuer. Mit zwölf Jahren las ich mein erstes Taschenbuch, selbst gekauft vom Taschengeld. Klar, las ich Geschichten in den Schulbüchern, aber das Buch war etwas anderes, es hieß „Draculas Gast“, und weckte in mir die Leidenschaft genauso zu schreiben.
Aber das dauerte eine Weile, denn allzu viele Taschenbücher konnte ich mir nicht leisten.
Mit fünfzehn kam ich dann in die Schlosserlehre. So war ich auf derselben Zeche, wie einst mein Großvater. Das erste Lehrgeld setzte ich, in einer Reiseschreibmaschine von Olympus, um. Besorgte mir ein Lehrheft für Schreibmaschine schreiben und bald darauf flossen Geschichten aus meinem Kopf in die Finger, und tippte mit Zehnfingern tapp … tapp … tapp, zum Leidwesen der Erwachsenen, die es schon nicht mehr hören wollten.
So klopfte man an meine Zimmertür und bat: „Hör mal auf mit dem Getippte und leg mal eine Pause ein, bitte.“
Mein Deutschlehrer meinte, nachdem er die Aufsätze verteilte, zu der Klasse: „Der wird mal Schriftsteller.“
Ja, darin war ich gut!
Aber alles Schnee von gestern.
Das Leben hatte einen anderen Weg für mich vorgesehen. Oder das Schicksal? Ich glaube nicht an ein determiniertes Leben. Dennoch kommt es mir manchmal so vor, als lenke ein unheimlich bescheuerter Typ, mich und die meinen, auf einer Schlingerfahrt zum Abgrund. Oder jemand hat mich verflucht. Aber daran glaube ich nicht! Gibt es nur im Film oder in Büchern.