Hi.
Eine wichtige Figur in meinem Buch ist gläubig. Es spielt nicht in unserer Welt, also es geht um eine erfundene Religion.
Ich sehe bei jeder Religion die gleichen Grundlagen. Wenn jemand das anders sieht, gerne…
Wie könnten die Alltagsgedanken dazu aussehen?
Falls jemand der Meinung ist, dieses Thema ist im falschen Forum, bitte sagen. Dann lösche ich den Threat wieder.
Hi, der eine Teil ist dort tatsächlich - huppla. Da muss ich was streichen oben.
Der Teil der mir fehlt: Wie äußert sich das im Denken?
Böses Beispiel kurz heruntergebrochen: Katholik hat Angst vor Hölle, handelt also gut um in den Himmel zu kommen.
Was ist der Gedanke im Alltag dazu. Existiert dieser?
So nach dem Motto: Wenn ich fremdgehe, dann ist Gott sauer-> höhere Wahrscheinlichkeit auf Hölle.
Fazit: Ich lass es bleiben.
Oder kommt das religiöse Denken eher in Ruhezeiten, reflektierende vor?
Ich denke, religiöses Denken kommt immer dann, wenn es einem persönlich schlecht geht oder ein Krieg ausgebrochen ist oder mir sonst etwas Schlimmes widerfährt.
Geht es den Leuten gut, vergessen sie schnell ihren Glauben, bis der Zeitpunkt einer Krise (wieder)kommt. Das ist zumindest meine persönliche Erfahrung. Das zeigt auch schon der Ausspruch: „Oh Gott (oder sonst wer) stehe mir bei!“ – Dem Protagonisten geht es also schlecht.
Niemand, außer vielleicht Don Camillo, sagt: "Oh lieber Gott (oder an wen oder was man auch immer glaubt), ich bin begeistert, dass du mir einen so schönen / erfolgreichen Tag geschenkt hast.
Außerdem ist meiner Erfahrung nach, religiöses Denken entweder in einer bestimmten Gemeinschaft vorhanden oder in Einsamkeit, jedoch eher nicht dazwischen. Wenn ich zum Beispiel nur in einer kleinen Gruppe bin und gerade alles bestens läuft.
Unfreiwillig komisch. Ich denke, dass das zu einfach gedacht ist. Sonst gäbe es keine Skandale in der Kirche, wenn der gläubige Pfarrer seine Finger nicht von dem Messdiener lassen kann…
Psyche, Religion, Moral… das ist ein komplexes Mosaik. Ich kann da leider keine Antwort geben, was am Ende richtig für Deine Erzählung ist, aber das Modell, das Dir da vorschwebt wirkt so naiv, dass es mir die Figur vermiesen würde…
Ein paar der links in dem Thread auf den @Suse verwiesen hat, könnten Dir helfen einen glaubwürdigen Weg zu finden.
Mitternachtstipp: beschäftige dich damit, wieso Menschen Pilgerreisen machen und was sie dabei beschäftigt. Oft ist das eine Art Wanderung mit viel Selbsterkenntnis.
Wieso Menschen sich in Kontemplation üben und was sie dabei beschäftigt bzw, was sie versuchen loszulassen.
Wieso in einigen Religionen viele kleine Rituale existieren, um die Dankbarkeit gegenüber den (natur) Göttern auszudrücken.
Einige religiöse Menschen führen ein Zwiegespräch mit ihrem Gott. Nicht, dass sie wirklich eine Antwort hören, sondern eher, als würden sie einen inneren Monolog führen und ihr Handeln rechtfertigen, oder um Einsicht bitten, für eine Lösung. Oder um Willensstärke fragen, um eine Prüfung zu bestehen.
Es ist nicht so, dass sie „herumtricksen“ wie in deinem Beispiel: „Hmm, Fremdgehen ist schlecht, oder? Lass ich lieber … aber ich würde ja schon gern“
Allein der Gedanke, darüber nachgedacht zu haben, macht schon schuldig. Denn der Herr sieht alles, wisse dies und sei gerichtet
Je nach Setting und stärke der Religion, kann allein das Wissen z.b um ein „Verbrechen“ eine schwere Sinnkrise auslösen. „Er ist mein bester Freund - aber er hat gestohlen. Uhm.“
@Sion
Es kommt doch ganz darauf an, wie du deinen Charakter und deine Welt gestaltet hast. Gerade lese ich die Chroniken des Eisendruiden. In dieser Welt sind die Götter sehr real und mischen mit, sie sind nicht imaginär. Der Umgang mit Göttern ist also anders, wie in unserer Welt. Ist diese Welt unserer ähnlich, kommt es doch ganz auf deinen Charakter an. Wenn diese Gottheit im Leben dieses Protagonisten sehr präsent ist, wird es vielleicht Zwigespräche geben. Mir ist aufgefallen, dass positive Dinge oft göttlich zugeschrieben werden. Also, danke für die Nahrung, danke dass ich den Kampf überlebt habe usw…
Während schlechte Ereignisse oft als Prüfung wahrgenommen werden. Was für eine Gottheit ist es? Der allmächtige Gott? Oder zum Beispiel ein Donnergott? Dann würde der Gläubige zum Beispiel in einen Gewitter ein Zeichen sehen. In deiner Welt hast du die freie Wahl. Ist es ein gütiger Gott? Ein strafender Gott? Es ist deine Welt. Dein Charakter kann handeln, wie du es möchtest.
Total OT: Die Chroniken des eisernen Druiden fand ich als Sommerlektüre total unterhaltsam
Seit dem sehe ich jedem Hund an, wenn er Würstchen Fragezeichen Gedanken hat.
Ein Freund ist mit einem sehr gläubigen Paar befreundet, das seinen christlichen Glauben innerhalb einer Gemeinde aktiv auslebt. Ich habe die beiden mal kennengelernt, sie kamen auch sehr offen von sich aus mehrfach auf das Thema zu sprechen. Daher hatte ich den Eindruck, dass zumindest bei den beiden der Glaube auch im Alltag eine große Rolle spielt.
Sie beten vor wichtigen Entscheidungen und denken durchaus darüber nach, wie sich Jesus verhalten würde. Ein bisschen so, wie wenn man überlegt, welches Verhalten jetzt richtig oder falsch wäre.
Das ist wahrscheinlich zu einfach gedacht, so gut kenne ich die beiden auch nicht, dass sie mir so etwas verraten hätten. Aber sie beteten zum Beispiel, als sie einander kennenlernten, um eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der jeweils andere der Partner fürs Leben werden sollte oder nicht. Sie beten, um sich zu bedanken oder einfach nur, um ein Gespräch mit Gott zu führen, sie beten wohl auch häufiger für andere Menschen.
Das Thema schien sehr allgegenwärtig zumindest für einen der beiden zu sein. Sie kam auch ein oder zwei Mal indirekt auf ihren Glauben zu sprechen, als sich das Gespräch objektiv um etwas völlig anderes drehte, wobei ich nicht das Gefühl hatte, dass sie unbedingt die ganze Zeit über Gott sprechen wollte. Es schien eher so, als greife sie an dieser Stelle im Gespräch das Thema auf, weil es für sie und ihr Denken da gerade relevant war.
Versteht man ein bisschen, wie ich das meine? Für mich als Außenstehende war es ein wenig, als spräche sie über einen sehr guten Freund oder Verwandten, der Einfluss auf große Teile ihres Lebens hat und deshalb in Situationen XY Erwähnung findet. Ich kann es nicht besser erklären.
Die andere Person hat nicht ganz so viel über ihren Glauben erzählt.
Kurz und gut (oder auch nicht) gesagt - als Agnostiker stelle ich fest, dass jede nur irgendwie denkbare Religion als Basis Angst benutzt. Angst vor einem höheren Wesen, Angst vor den (Hohe)-Priestern, Angst vor den anderen Mitgliedern von dieser imaginären Religion, Angst vor Ausgrenzung aus der Gruppe der Gläubigen - Angst ist einer der stärksten Treibstoffe, die man kennt.
So, und jetzt die Prügel raus …
Ich glaube, dass hängt von der Auslegung ab. Gerade die östlichen Religionen wie der japanische Shintoismus, bei dem jeder Gläubige „das für sich alleine erlebt“ basiert der Glauben mehr auf Bräuchen und Traditionen. Ich glaube nicht, dass diese dort einen Schrein besuchen „weil sie Angst haben, was passiert, wenn sie es vergessen.“ Sondern ich glaube, sie hoffen, das Schicksal zu ihren Gunsten zu beeinflussen bzw. beten, dass alles so bleibt, wie es ist.
Auch der Naturgottheiten in Hawaii räume ich eher ein positives Bild zu.
Ich vermute eher, dass modern interpretierte Religion das Gefühl gibt, nicht allein mit den Problemen und Sorgen dieser Welt zu sein. Sondern ein System zu kennen, dass gegen die Angst wirkt und stattdessen Stärke gibt.
Natürlich gibt es Sekten oder Glaubensrichtungen, die auf Gruppenzwang und Angst setzen und wahrscheinlich war das in früheren Jahrhunderten auch mehr üblich, weil der Überlebensdruck härter war.
Ich habe mal miterlebt, wie eine unter Schizophrenie leidene Person, deren Wahnvorstellungen religiöse Bestandteile hatte, eigentlich nicht zu kontrollieren war. Sie hätte überwältigt und dann irgendwie behandelt werden müssen. Aber die Pastorin (war ein evangelisches Krankenhaus) die vor Ort war, hat sich die ganzen Sachen angehört und die Person soweit beruhigt, dass sie sich freiwillig behandeln ließ.
Vielleicht hätte das ein guter Psychologe auch hinbekommen → aber durch den religösen Bezug des Wahns, war die Pastorin die richtige Ansprechpartnerin. Ich war davon sehr beeindruckt und ich weiß, dass die Person heute wieder ein Leben in Gesundheit führt.
Buddhismus, die drei Buchreligionen (Judentum, Christentum und Islam) und Schamanismus (um drei Beispiele zu nennen) unterscheiden sich stark voneinander. Es gibt zum Beispiel durchaus Menschen, die Schamanismus und Buddhismus nicht als Religion bezeichnen würden. Buddhismus sei eher eine spirituelle Philosophie und Schamanismus ein Überbegriff für Praktiken ohne gemeinsamen Unterbau oder gemeinsame Zielsetzung. Ein gemeinsamer Unterbau einer Religion wäre, dass alle Mitglieder der Religion an einen Gott glauben.
Ich glaube, wenn Religion das Zentrum deiner Geschichte ist, wäre es für dich vorteilhaft die Religion selbst zu definieren. Wenn du eine fremde Welt erschaffst, was genau sind die Probleme und Herausforderungen dieser Welt (für die Figuren). Religionen sind oft Antworten auf Fragen einer bestimmten Gesellschaft während eines bestimmten Zeitraums.
Zum Beispiel fragen sich viele Menschen der westlichen Welt: Brauchen wir eine Religion? Ist nicht alle Religion nur ein Selbstbetrug, eine Lüge, mit der wir eine unerklärbare Welt erklären wollen? Hat uns die Wissenschaft nicht von aller Religion befreit?
Die Dune/Wüstenplanet-Reihe hat das sehr gut gemacht. Die Religion hat zu den Umständen der im Buch präsentierten Welt gepasst.
Eine weitere wichtige Frage für deine Charaktere ist die Frage zwischen Glaube und Religion. Eine Figur kann zu einer Religion gehören, aber nicht gläubig sein. Eine Figur kann gläubig sein, aber keiner Religion angehören. Ich bin z. B. katholisch aufgewachsen und als Erwachsener aus der Kirche ausgetreten. Ich bin gläubig, aber nicht katholisch. Mein Glaube geht eher in die Richtung des Buddhismus.
Glaube ist eine innere Wahrheit, die aus einem schwer definierbaren Gefühl und einem schwer zu erklärendem inneren Wissen besteht. Glaube kann nicht erzwungen werden. Er existiert einfach. Glaube und Religion können Hand in Hand gehen - doch sie müssen es nicht.
Ich glaube, wenn du diese Fragen für dich selbst beantwortet hast, wird deine Figur zu sprechen beginnen.
Kleine und große Rituale. Z.B. das Anzünden und Ausblasen einer Kerze beim Essen. Das Fantasy-Equivalent zum Bekreuzigen bevor man ein fremdes Gebäude betritt. Der kupferne Becher in dem man jeden Morgen 3 frische Trauben legt. Ein Gebetsspruch vor dem Schlafen…
Alles fiktiv, aber den Status der Religion beschreibend ohne zu aufdringlich zu wirken. Je nachdem, wie „echt“ Deine Götter dort sind, könnten sie sogar antworten, indem z.B. jeden Abend die 3 Trauben verdörrt sind, wenn die Gabe angenommen wurde.
Aber ich würde Ihnen keinen direkten Einfluss oder wichtige Mitteilungen erlauben… so erhält sich der spirituelle Charakter ohne direkten praktischen Nutzen. Wenn Du das so willst…
Hallo, in Deinem Fall kennst Du die Religion selbst bestimmen. Sie ist eh fiktiv. Aber sehr spannend, wie Du diese Dir vorstellst.
Viel Spaß beim Schreiben.