Anbei mein erstes Kapitel des neuen Buchprojekts „Werwolf Diaries - Kinder der Wildnis (Band I)“. Über Feedback würde ich mich sehr freuen!
Gruß
Super Girl
Unterwegs auf vier Pfoten (Kapitel 1)
Rizzeling, 6. August 2014.
„Liebes Tagebuch,
ich schreibe dir, weil ich es nicht aushalten kann, alle Geschehnisse des Tages für mich zu behalten. Heute war mein großer Tag. Mein erster runder Geburtstag. Dazu musst du wissen, dass Werwölfe sehr alt werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist meine Urgroßmutter Dunja. Sie zählt bereits 115 Jahre und ist deshalb die Älteste in unserer Familie.
Selbstverständlich müssen wir unsere Beute jagen, bevor wir diese verzehren können. Ich selbst durfte schon einige Male mit auf die Jagd gehen, aber nur zum Zusehen. Dieser Geburtstag war für mich deswegen etwas ganz Besonderes, weil ich zum ersten Mal selber jagen durfte. Meine Urgroßmutter hatte mir zuvor ein paar Tipps gegeben. Unser Wolfsrudel bestand aus insgesamt 22 Mitgliedern. Die anderen Werwölfe jagten immer im Rudel, das wusste ich aus vorangegangenen Beutezügen.
Die Jagdgesellschaft an meinem Geburtstag bestand aus einem Dutzend Werwölfen, denn die übrigen unserer Familie mussten unser Revier bewachen. Rizzeling war zwar kein besonders großes Revier, in dem es nichts Wertvolles zu erbeuten gab. Aber ich wusste von meinen Großeltern, dass es früher gelegentlich zu Revierstreitigkeiten unter Werwölfen gekommen war.
Doch bei meiner Geburtstagsjagd war nichts dergleichen vorgefallen. Zuerst sollte ich mich von meiner Menschengestalt in die Wolfsgestalt verwandeln. Leider wollte es mir nicht gelingen.
„Was ist denn los mit dir, Ronja-Schatz? Du machst das doch nicht zum ersten Mal. Muss ich mir jetzt Sorgen um dich machen?“, erkundigte sich meine Mutter bei mir.
„Natürlich nicht. Aber ich muss gestehen, dass mir bisher nur Verwandlungen bei Mondlicht gelungen sind. Ich kann das nicht auf Kommando und schon gar nicht bei Tag. Das ist traurig, aber wahr“.
„Ronja traut sich nicht, Ronja traut sich nicht!“, rief dazu mein drei Jahre jüngerer Bruder Ronnie.
„Und ob ich mich traue. Du wirst dich schon noch wundern, wenn ich als Wölfin vor dir stehe!“
Ich konzentrierte mich, ignorierte die Worte meines Bruders und stellte mir im Geiste die Zielform meiner Verwandlung vor. So wie ich es an der Werwolfschule gelernt hatte. Wieder passierte nichts. Es stimmte leider. Ich hatte noch nie zuvor mitten am Tag gejagt!
Meine Cousine Rebecca, die mitgekommen war, lachte mich aus. Mein älterer Cousin Robin stand bereits als fertig verwandelter Wolf da. Er konnte es kaum erwarten, endlich auf die Jagd zu gehen.
„Nun macht es nicht noch schlimmer, als es eh schon ist“, ermahnte meine Mutter die anderen.
„Genau, lasst Ronja in Ruhe! Sie braucht heute eben etwas länger. Das ist kein Grund sie auszulachen!“ Dieser Kommentar kam von meiner älteren Schwester Ravenia-Loreen. Insgeheim war ich sehr dankbar dafür, dass sie mir beistand. Rave hatte schon immer einen guten Gerechtigkeitssinn gehabt. So wie auch an diesem Tag.
Erst nach einer gefühlten Ewigkeit und nachdem sich die Sonne hinter einige Regenwolken geschoben hatte, gelang mir schließlich die geforderte Verwandlung. Mein Vater gab mir nun telepathisch - also mit der Kraft seiner Gedanken - weitere Anweisungen. „Sehr gut, meine Liebe. Heute ist dein großer Tag. Lass die anderen Kinder ruhig reden und dir deinen Geburtstag von niemandem verderben. Nimm nun deine erste Fährte auf.
Na komm, trau dich. Du hast schon oft genug zugesehen, da wird das doch ein Kinderspiel für dich sein, oder?“
Ich gab ein leises Knurren von mir. Denn mir missfiel, wie alle anderen an mir zweifelten.
Dicke Regentropfen prasselten auf den Erdboden. Dies erschwerte mir, eine entsprechende Fährte aufzunehmen. Denn es waren zu viele andere Gerüche in der Luft. „Komm schon, Ronja, du schaffst das!“, versuchte meine große Schwester mir Mut zu machen. Auch sie stand als verwandelter Wolf neben mir und sprach telepathisch an mich gewandt.
Doch die Aufregung ließ mich fast alles vergessen, was ich bereits in der Werwolfschule gelernt hatte. Ich ging ein paar Schritte nach Südosten. Die Älteren aus meiner Jagdgesellschaft machten mir bereitwillig Platz. Nur Robin, ebenfalls in Wolfgestalt, versperrte mir den Weg. „Robin, geh beiseite! Versau mir nicht meinen ersten Jagd-Tag!“, funkte ich ihn per Gedankenkraft an.
„Du fängst ja doch nichts. Wie in der Schule beim Üben. Da hast du nicht mal eine Maus erbeutet!“
Eine Träne kullerte mir aus den Augen.
„Robin! Du bist gemein!“ Diese Worte kamen von meinem Vater, der die Gedanken anderer Wölfe hören konnte.
Das brachte mich auf eine Idee. Ich tastete mit meinem Geist nach einer potenziellen Beute. Tatsächlich klappte dieser Trick beim insgesamt dritten Anlauf. Ich gab den anderen gegenüber vor, weiterhin mit der Nase eine Fährte zu wittern. Doch in Wirklichkeit benutzte ich die telepathische Methode, um schneller und erfolgreicher zu sein.
Ich hatte dieses Mal Glück und konnte ein Wildschwein mit meinem Geist ertasten. Es war ein altes, gebrechliches Tier. Ich konnte deutlich spüren, dass nicht mehr viel Lebenskraft in ihm war. So stand mein Entschluss fest, ich würde es jagen und mit meiner Familie fressen.
Nun machte sich langsam der Hunger bemerkbar. Mein Magen knurrte so laut, dass ich Angst hatte, die anderen könnten es hören. Ich hatte große Mühe, Robin und Rebecca zu ignorieren, die sich weiterhin über mich lustig machten. Ich befahl den beiden via Telepathie sofort leise zu sein, damit sie meine Beute nicht durch ihr Wolfsheulen vertrieben.
„Ich habe einen dicken Keiler gewittert. Der reicht für die ganze Familie, aber nur wenn ich in der Laune bin, mit euch Nervensägen zu teilen“, erwiderte ich, zuerst an Robin, dann an Rebecca gewandt. Augenblicklich verstummten meine frechen Verwandten. Und ich gab meinen Eltern, die ich ebenfalls telepathisch einweihte, das Zeichen für einen Angriff aus dem Hinterhalt.
Wir umkreisten zu zwölft das Gebüsch, in dem sich der Keiler versteckt hatte. Er gab wehklagende Laute von sich. Irgendwie tat mir das arme Tier sogar leid. Doch mein Wolfsinstinkt sagte mir, dass es für alle das Beste war, den Keiler von seinem Leiden zu erlösen. So schlich ich mich, wie in der Werwolfschule gelernt, lautlos an das Wildschwein an. Dann sprang ich aus meinem Versteck hervor. Mit einem gezielten Biss in den Nacken erledigte ich den Rest.
Meine Eltern teilten mir telepathisch mit, dass sie sehr stolz auf mich waren. Allerdings war der Keiler zu schwer, um ihn in Wolfsgestalt mitzuschleppen. So verwandelte ich mich als Erste zurück, als die Sonne hinter den Regenwolken hervor spitzte. Meine Kleider waren pitschnass, aber ich strahlte über das ganze Gesicht. Ich hatte meine erste Jagd absolviert und das an meinem 10. Geburtstag!
Später feierten wir meinen Jagderfolg und die damit verbundene Geburtstagsparty. Wir brutzelten den Keiler am Lagerfeuer. Nur widerwillig gab ich Robin und Rebecca ein Stück vom Wildschweinfleisch ab. Tante Richeline hatte mit ihren Kindern geschimpft. Damit sie mich in Zukunft in Ruhe lassen. Ach ja, bevor ich es vergesse, meine Urgroßmutter schenkte mir ein Tagebuch in Ledereinband. Das Tagebuch, in das ich fortan viel hineinschreiben werde!
Deine Ronja-Lupina Aschenhaar!“