Wer schreibt noch von der Geschichte aus?

Sol Stein schreibt dazu: Am Anfang war die Figur und dann kam das Wort. Und das Wort brachte die Geschichte hervor.

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Es gibt plot-getriebene und es gibt charakter-getriebene Geschichten. Allerdings braucht auch eine plot-getriebene Geschichte gute Figuren. Ein “schlechter” Plot kann mit guten Figuren funktionieren, während ein guter Plot mit “schlechten” Figuren trotzdem dröge ist.

Das heißt aber nicht - und damit kommen wir zur Ausgangsfrage in diesem Thread -, dass die Figuren prinzipiell vorher bis ins kleinste Detail ausgearbeitet werden müssen, bevor man anfängt zu schreiben. Hier hat jeder Autor seine eigenen Ansätze. So wie den Plot kann man theoretisch auch seine Charaktere erst “discovery”-schreiben. Das bedeutet mutmaßlich mehr Aufwand im Redaktion-Prozess nach dem ersten Entwurf, aber das heißt ja nicht, dass man deswegen nicht so verfahren darf.

Wichtig ist nur, was am Ende bei rauskommt. Wichtig ist, dass die Figuren am Ende lebendig und spannend sind - ob man das vorher bis ins kleinste Detail ausarbeitet oder während des Schreibens erst entsteht, das ist jedem selbst überlassen. Nur als reines “Mittel zum Zweck”, wie es auch im Eingangspost hieß, sollte man Charaktere denke ich nicht sehen. Wenn es nur schablonenartige Abziehbilder sind, die eine Geschichte vorantreiben, dann wird die Geschichte, selbst wenn der Plot interessant ist, einfach nicht lebendig wirken.

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Bei diesen beiden Aussagen habe ich gestern spontan genickt und gedacht. Ja das ist was dran.

Ich glaube, dass ich mir selbst ein Bein gestellt habe, in dem ich der Figur mehr (zu viel) Wert beigemessen habe, als der Geschichte. Dadurch ist eine Unwucht reingekommen. Ich habe auch überlegt, dass man wahrscheinlich bei diesem Gleichgewicht zwischen Charakter, Setting und Plot, den jeweiligen Autor nicht vergessen darf. Jeder Autor hat ja wahrscheinlich ein anderes Gleichgewichtsempfinden.

Ich habe heute morgen eine Geschichte von A bis Z geschrieben. Die Handlung hatte ich mir Anfang der Woche skizziert, von meiner Hauptfigur kannte ich nur den Vornamen, das Alter, das “Gefühl” und das was sie grundsätzlich tun soll. Von der Geschichte wusste ich sehr viel mehr. Das hat wunderbar geklappt. Ich konnte meiner Hauptfigur prima folgen, mit ihr mitfühlen beim schreiben und sie innerhalb der Geschichte entwickeln. nach 4 Stunden konnte ich - Ende - unter die 18 Taschenbuch-Seiten schreiben. Alles prima. (Nur die Rohfassung natürlich)
In einer Short Story ist ja auch nicht so viel Figurenentwicklung gefragt, da geht es eher darum, eine Bewusstseinänderung oder ähnliches der Hauptfigur zu entwickeln.

Mir ist jetzt noch mal etwas wieder ins Bewusstsein gerückt, was ich schon vergessen hatte. Ich hatte schon immer das Befürfnis mit meinen Geschichten, eine klitzekleine Aussage zu treffen, oder eine bestimmte Sichtweise zu zeigen, oder allgemein auf irgendetwas hinzudeuten. Nichts dramatisch, wichtiges. Meistens bemerkt es wahrscheinlich auch keiner, aber darum geht es mir nicht. Das ist mehr für mich als Autor wichtig, als das es für den Leser wichtig sein soll. Aber selbst wenn ich eine Horror-Story schreibe, möchte ich ja irgendetwas transportieren. Nur, dass geht nur, wenn die Figuren sich der Geschichte unterordnen. Zumindest denke ich das im Moment. Und ja, ich glaube, dass das geht, und das man das auch hervorragend hinbekommen kann, auch wenn ich selber das noch nicht kann. Ich werde es schon rauskriegen.

Ich danke euch allen für die vielen Beiträge, die mir viel Dinge zum nachdenken gegeben haben. Mehr als ich jetzt hier, in der kurzen Antwort wiedergeben konnte. Es war für mich auf vielerlei Weise sehr hilfreich.

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