Wer hat Lust auf einen kleinen Alptraum?

Es war eine Mutprobe. Alle Jungs der Insel kletterten in den Felsen, um von weit oben ins Meer zu springen. Einige kopfüber, andere schlugen Salti oder versuchten, mit ausgebreiteten Armen zu fliegen wie Ikarus. Ein, zwei Burschen wagten sich sogar fast bis zur Spitze. Gebannt verfolge Alex die Kühnsten mit den Augen. Oben angekommen, warteten sie aufeinander. Ihre Silhouetten zeichneten sich dunkel am azurblauen Himmel ab. Die Jungen standen an der bröckeligen Kante und sahen hinunter. Dann sprangen sie. Gleichzeitig und wild schreiend, mit Armen und Beinen, die in der Luft ruderten wie unbrauchbare Flügel. Er hielt den Atem an, bis die Burschen zwischen den schäumenden Luftblasen wieder auftauchten.
Alex wollte wie sie sein. Ganz genau wie diese Jungen.
Nach oben zu klettern, erwies sich schwieriger und anstrengender, als es aussah. Schweiß lief über sein Gesicht, brannte in den Augen und in den kleinen Kratzern an seinen Händen und Knien. Konzentriert wählte er seine Griffe, ertastete mit bloßen Füßen den besten Vorsprung. Nachdem er endlich den Gipfel erreicht hatte, stand er am Rand der Klippe und sah hinunter. Er war der König der Welt. Die Kinder am Strand feuerten ihn an, begeistert von seinem Wagemut. Obwohl ihm die Sprache fremd war, verstand er genau, was sie riefen.
Die leichte Brise am Boden hatte sich hier oben zu einem kräftigen Wind gemausert, der ihm, wie eine Hand im Rücken, einen nachdrücklichen Schubs zu geben schien.
Nur ein Schritt trennte ihn vom Abgrund. Doch seine Zehen krallten sich in den rauen Stein. Die Aufregung beim Klettern hatte sich jetzt in seinem Magen zu einer stacheligen Kugel aus Angst zusammengeballt.
Er sah einen langen dunklen Schatten durch das tiefblaue Wasser gleiten. Eine Finne durchschnitt die Meeresoberfläche und erzeugte kleine Wellen. Der Fisch zog enge Kreise, wie ein Aasgeier über seinem Leichenschmaus. Er schien darauf zu warten, dass der Junge endlich sprang. Dann tauchte er ab und der Moment war vorüber.
Angestrengt starrte Alex ins Wasser. Das Meer war glatt und unberührt wie ein Spiegel.
Die Ameisen unten am Strand schüttelten ihre mageren Fäuste, sie lachten laut und verspotteten ihn.
Alex traf seine Entscheidung.
Sein Körper straffte sich. Er hob die gestreckten Arme in die Luft. Mit beiden Füßen stieß er sich kräftig ab und fiel kopfüber ins Leere.
Die Shorts an seinen Beinen knatterten, wie eine Fahne bei Sturm. Helles Gestein flog an seinem Gesicht vorbei. Das blaue Meer raste auf ihn zu. Alex Fingerspitzen tauchten ein.
Im selben Moment sah er das weit geöffnete Maul des Hais direkt unter der Wasserlinie.

„Nein!“ Alexis saß im Bett und schrie, bis ihre Lungen leer waren. Verwirrt sah sie sich um, erkannte wo sie war. Ihr Blick flog zur Tür, erwartete fast, ihre Mutter zu sehen. Doch dann erinnerte sie sich. Egal, wie laut sie träumte und schrie, es gab nichts mehr, was Eleni aufwecken würde.

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Die Geschichte hat mich sofort gepackt. Der Erzählstil gefällt mir, die Spannung wird gut aufgebaut.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir jedoch aufgefallen. Unten gab es eine leichte Brise, die sich am Berg zu einem kräftigen Wind aufbaute. Wieso war das Meer dann glatt und unberührt?

Alex erwacht als Alexis. Ist das Absicht?

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Der Anfang war mir fast etwas zu schnell (in der zweiten Zeile springen sie schon) , doch dann geht es ja um Alex, der sich da mutig hochwagt. Das fand ich gelungen und konnte die Empfindung nachvollziehen. Auch den Sprung, die flatternen Hosen - ein schönes Bild.

Das Ende mit Alexis (ich denke es ist Absicht, da es komplett in weiblicher Form geschrieben ist) kommt etwas unfertig rüber, da wir nicht wissen wer Eleni ist. (womöglich die Mutter) und das sie nie mehr auftauchen würde, wirft neue Fragen auf. „Warum denn nicht? Hat das was mit Haien zu tun?“ Doch dann ist die Geschichte fertig. Vermutlich ist es nur ein Teil von etwas Größerem? :slight_smile:

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Jaaa, das mit dem Wind war nicht zu Ende gedacht.

Alex/ Alexis war jedoch Absicht.
Es ist eine Story, die noch in meinem Universum wartet, damit sie geschrieben wird.
Ein Kind mit uneindeutigen äußeren Geschlechtsmerkmalen wird geboren. Die ratlosen Eltern passen es durch eine Operation an und nennen das kleine Mädchen Alexis.
Doch Alexis ist ein Alex und das führt zu Problemen…am Ende stirbt jemand.

So grob.

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Schön und spannend erzählter Albtraum, den man als Leser gut nachfühlen kann! Sollte es jedoch mehr als eine Traumsequenz sein (basierend auf einer Erinnerung?), die ja selten mit der Realität konform geht, wäre das erwartungsfrohe, hungrige Maul des Hais eher unwahrscheinlich, und natürlich auch der Sprung selbst eher ein Suizid, denn eine Mutprobe, da Traum-Alex den Hai zuvor schon von oben sah. Da es ein Text-Snippet ist, ist das schwer zu beurteilen.

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Keine Erinnerung aber ein wiederkehrender Alptraum seit der Kindheit

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So, jetzt muss ich mal den Lehrer raushängen lassen:
Du setzt dich jetzt auf deinen Hintern, Antje, und schreibst diese Geschichte fertig! Oder glaubst du, dass die Göttinnen dir diesen Traum immer wieder aufs Neue schicken, damit deine Nächte nicht so langweilig sind? Du hast einen Auftrag bekommen, also: hophop!

PS: Die Traumsequenz als Einstieg ist wahnsinnig gut, die Idee ein Hammer. Die Story will geschrieben werden und du bist es, die sie schreiben muss.

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Oh, Mann. Ja du hast recht.

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Ich bin kein Fan von der „Ha, es war nur ein Traum!“-Technik. Doch diese Traumsequenz gefällt mir sehr gut, weil der Schluss so richtig schmerzt. Der Traum ist vollgepackt mit mythischen Elementen (Wasser, Wellen Hai, Wind, Sturm), deshalb packt er mich und sicherlich nicht nur mich. Halte dich doch an den Rat von Gschichtlschreiber :slight_smile:

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Sehr gut geschrieben.
:+1:

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Die Geschichte ist gut geworden, Potenzial ist auf alle Fälle vorhanden. Bin schon gespannt, was Du daraus machst.

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Gefällt mir. Ganz viel Potential zum Ausbau. Also : hinsetzen & weiterschreiben!

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