Hallo erstmal! Ich habe folgendes Problem, bei dem ich Hilfe gebrauchen koennte: Bei dem Text, den ich gerade schreibe, hatte ich mich natuerlich irgendwann fuer eine Zeitform entschieden, an die ich mich halten wollte. Nun passiert es mir aber immer wieder, dass ich unbewusst bei manchen Kapiteln in eine andere Zeitform rutsche. Soweit erstmal kein Problem, ausser dass eben einiges korrigiert werden muss. Nun findet mein Sohn aber, dass ich in der einen Zeitform viel fluessiger schreibe, als in der anderen (von mir ausgesuchten) und sich die Texte viel angenehmer lesen. Ich bin ja durchaus gewillt, meinem Unterbewusstsein nachzugeben ;-), haette aber gerne noch ein paar mehr Meinungen dazu, damit ich mich dann endgueltig fuer „die richtige“ Zeitform entscheiden kann. Ich stelle einfach mal zwei Texte aus unterschiedlichen Kapiteln des Textes - und in unterschiedlichen Zeitformen - hier rein, und vielleicht hat einer von Euch Lust, reinzulesen und mir zu sagen, welcher der Texte sich fluessiger / angenehmer liest. Nicht zum Inhalt oder Stil, sondern einfach der initiale Eindruck beim Lesen: Welchen der beiden Texte wuerdest Du lieber weiterlesen? So in der Art. Wuerde mich ueber jeden Ratschlag freuen
Und los geht’s:
Text 1
Lilly presst ihre Nase an das beschlagene Zugfenster der Regionalbahn und betrachtet dann den Fleck auf der Fensterscheibe. Mit ihrem Ärmel wischt sie die Scheibe frei; dicker Nebel liegt über den vorbeiziehenden Feldern. Die Stationsanzeige zeigt bereits den nächsten Bahnhof an; schon kommt die Ansage, dass der Zug gleich hält. Sie guckt auf die Uhr: 20 Minuten seit der Abfahrt. Dann packt sie schnell ihr Buch in die Tasche und geht zur Tür. Nachdem sie aussteigt, steht die junge Frau auf einem einzelnen Bahnsteig, rundherum Felder, in der Ferne sieht man die trostlosen containerartigen Gebäude der Forschungseinrichtung, die mit ihren metallischen Wänden mit dem Grau der Umgebung konkurrieren. Ein Trampelpfad führt durch ein Labyrinth von großen, matschigen Pfützen in einem ehemaligen Kornfeld, an dessen Ende sich eine Baustelle anschliesst. ‚Weltklasse Forschungsinstitut, endlos Geld, na klar,‘ denkt Lilly ironisch an das Gespräch mit Fiete zurück, ‚aber Wegplatten waren wohl nicht drin‘. Er war bis vor kurzem ihr Doktorvater, jetzt sollte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin für ihn arbeiten. Als er die Stelle in Deutschland angeboten bekam, hatte er sie gebeten mit ihm zu kommen. „Eine gute Chance, international Kontakt zu knüpfen“, hatte er gesagt. „Nur eine verkappte Stelle als Sekretärin“, unkte der alte Dekan. Fiete hatte die Stelle als stellvertretender Institutsleiter ergattert, obwohl er mit Anfang vierzig ungewöhnlich jung für eine solche Position war. Aber all seine wissenschaftlichen Auszeichnungen sprachen natürlich für sich. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollte er dann den aktuellen Leiter nach und nach ersetzen. Prof. Dr. Dr. Julius-Hermann Schön, schon fast 70, hielt sich angeblich mit beiden Händen an seinem Stuhl fest, während die Forschungsgesellschaft seit fünf Jahren versuchte, ihn auf höflichem Wege loszuwerden. „Mist!“, flucht Lilly, als sie in ein Schlammloch tritt. ‚Warum zum Teufel gibt es nicht mal einen richtigen Weg vom Bahnhof zum Institut‘, denkt sie, als sie weiter dem Trampelpfad über das Feld folgt; ihre nassen Socken quietschen beim Laufen in den Schuhen, der scharfe Wind bläst ihr den Nieselregen ins Gesicht.
Schließlich kommt sie am Haupteingang des Instituts an. Eine Glasdrehtür führt in eine große, ovale Vorhalle mit einem runden Tresen in der Mitte. Sie spricht die Empfangsdame am Tresen an: „Hallo, ich bin Dr. O’Donnell, ich habe einen Termin bei Professor Fiete Hansen.“ Eine mittelalte Frau mit Dauerwelle schaut von ihrer Illustrierten auf, dreht ihr Radio leiser, und lächelt der Besucherin freundlich zu.„Ich rufe an und sage Bescheid, dass sie da sind und abgeholt werden wollen. Oder kennen sie sich aus?“, und greift nach dem Haustelefon.
Text 1
Fiete stand an der Arbeitsplatte in der Kaffeeecke und braute sich einen Cappuccino, als Lilly durch die Glastür zur Treppe kam, und sich mit einem lauten Plumps in den Sessel neben ihm fallen lässt. „Puh“, stößt sie aus, „wenn ich gewusst hätte, was mich hier erwartet, wär‘ ich nicht mitgekommen.“ „Lecker Cappuccino? Hier, nimm erstmal meinen“, antwortet Fiete in tröstendem Tonfall. „Dem entnehme ich, dass Du Dir das Labor angeguckt hast? Tut mir leid, ich habe es mir auch nicht so schlimm vorgestellt“, entschuldigt er sich. Lilly lehnte sich zurück und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Vor den Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichten und sich über die ganze Raumbreite spannten, standen ein grosses weisses Sofa und ein Couchtisch, umzingelt von einigen tiefen Sesseln. Auf der Arbeitsplatte neben dem Spülbecken standen Wasserkocher und Espressomaschine, in dem Regal darüber eine moderne Mikrowelle. „Wie soll ich’s sagen“, nörgelte Lilly, „die Küche ist auf jeden Fall deutlich besser ausgestattet, als das Labor. Wenn man das noch so nennen möchte. Eigentlich ist es ja eher ein Chemie-Endlager.“ Verärgert drehte sie an ihren langen gekringelten Haarsträhnen, während sie sich richtig in Fahrt redete und ihre fast schwarzen Augen grimmig zusammenkniff. Die vorherige Arbeitsgruppe hatte bei ihrem Auszug einfach allen Müll dagelassen. Überall standen alte, vergammelte Chemikalien herum, in den Abzügen, deren Wände mit unzähligen bunten Chemikalienspritzern übersäht waren, lagen dreckige Glasgeräte, sogar eine alte Reaktion drehte sich noch in einem Kolben, auf einer mit Säure bekleckerten Heizplatte. Bis das Labor richtig nutzbar wäre, würde noch einige Zeit vergehen. Während Fiete versuchte, seine Freundin ein wenig zu besänftigen, ging wieder die Treppentür auf und ein Mann Mitte vierzig, die Laborbrille auf den Kopf zurückgeschoben, kam in die Kaffeeecke. Dabei schlurften seine verschlissenen Birkenstocksandalen lautstark über den Boden. Er streckte Lilly die Hand hin; sie stand auf und schüttelte sie kurz und kräftig. „Lilly O’Donnell.“ „Hey, ich bin Cromwell Magnon, oder auch Cro, wenn ich Dich mag“, stellte sich der dunkelhaarige Mann blasiert grinsend vor. Er hatte lange grau-melierte Haare, die in einem unordentlichen Zopf zusammen gebunden waren, und filzig über seinen Rücken hingen. Die Arme, überdurchschnittlich lang, baumelten unkoordiniert neben dem Körper; irgendwie erinnerte er an einen Orang Utan. Fiete grinste Lilly an und zählte in Gedanken mit: 21, 22,… Sie guckte ihren Freund erst irritiert an. Dann sah er, wie ihre Augen verstehend aufblitzten und sie sich hüstelnd an ihrem Kaffee verschluckte. „Cro Magnon, der Urzeitmensch?“, nuschelte sie grinsend in ihren Becher. ‚Verdammt‘, ärgerte sie sich. ‚Muss ich denn immer direkt mit allem rausplatzen?‘Cro guckte etwas beleidigt, und runzelte die weit vorstehenden, buschig-schwarzen Brauen. „Was? Urzeit?“, fragt Cro dümmlich-irritiert. „Willst du auch noch nen Kaffee?“, fiel Fiete ihm schnell ins Wort. „Wir haben den letzten Kaffee im Bioladen bestellt, Fair-trade. Musst Du unbedingt mal kosten. Sag mal, wenn ich Dich schon hier hab: Ich hätte da einige Fragen zur Labortechnik, hast Du nen Moment, um kurz mit mir ins Labor zu kommen? Die Schutzgaszuleitung funktioniert nicht richtig“, redete Fiete schnell weiter, und guckte Lilly mit rollenden Augen an. „Gute Ablenkung“ zischte sie ihm zu, als er sich zusammen mit Cro Richtung Laborflügel aufmachte und dicht an ihr vorbeiging.
Danke an alle, die mitlesen!