Warum bauchpinseln ChatGPT und Konsorten den aufgehenden Stern am Autorenhimmel?

Wenn ich mit ChatGPT und Claude schweißtreibend an meinen Texten feile, erhalte ich schnell den Eindruck, ein wahrer Textkünstler zu sein.
An den Anfang eines Gesprächs mit den KIs stellen ich oft folgende Aufgabe (Prompt):
„Beurteile meine Geschichte nach allgemeinen Kriterien der Textarbeit.“
Das reicht bereits aus, einen ersten Eindruck vom Text zu erhalten - natürlich ein gelungenes Werk, bla bla.
Erst danach gibt es konkrete Vorgaben für die Suche nach Schwachstellen.

Ich habe ChatGPT die folgende Frage gestellt:
„Wenn ich dich bitte, die Rolle eines Lektors einzunehmen, erhalte ich von dir oft weichgespülte Antworten. Ein Mensch würde sich mit mehr Ecken und Kanten äußern und Fehler und Schwachpunkte deutlich ansprechen. Woran liegt das?“

Hier die ungekürzte Antwort:
Das liegt daran, dass mein Design auf der Grundlage von neutraler und unterstützender Kommunikation beruht. Mein Ziel ist es, Menschen auf konstruktive Weise zu helfen, indem ich eher Lösungen und Verbesserungsmöglichkeiten als reine Kritik anbiete. In der Rolle eines Lektors könnte dies manchmal als „weichgespült“ erscheinen, weil ich darauf achte, den Fokus auf Positives zu legen und Vorschläge so zu formulieren, dass sie motivierend und nicht entmutigend wirken.

Menschen hingegen bringen oft mehr Persönlichkeit, Subjektivität und direkte Ausdrucksweise in ihre Rückmeldungen ein, was den Eindruck von „Ecken und Kanten“ vermittelt. Menschen neigen dazu, Emotionen und Erfahrungen in ihre Kritik einfließen zu lassen, während ich bestrebt bin, sachlich und objektiv zu bleiben, was mir zu einem gewissen Maß an Neutralität verhilft.

Falls du direkteres Feedback oder mehr Kritik wünschst, kann ich meinen Stil anpassen und klarer auf mögliche Schwächen hinweisen. Ich bin durchaus in der Lage, Fehler und Schwächen detailliert zu analysieren und direkt anzusprechen.

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Ich kann es nur immer wieder schreiben. Ich verwende KIs nicht für Dinge, bei denen meine Kompetenz nicht ausreicht, um deren Aussagen bewerten zu können. Die Aufgabe eines Lektors sehe ich nicht als Kernkompetenz von ChatGPT an. Das bedeutet nicht, dass ich mit dessen Aussagen nichts anfangen kann. Ich sollte sie aber auch nicht unüberlegt übernehmen.

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Wiederhole dich gerne. Gestatte mir aber ein andere Sicht- und Arbeitsweise.
Die Kernkompetenz der Textbasierten KI-Modelle ist die Textarbeit.
Du arbeitest an deinen Texten, ich auch - beide mit KI-Unterstützung.
Mir hilft sie bei der Schwachstellenanalyse und wenn mir mal Ideen ausgehen oder ich einen Satz einfach nicht lesbar hinbekomme - das ist u. a . die Aufgabe von Lektoren.

Natürlich, was denn sonst? Die Maxime lautet: Nichts - aber auch gar nichts zu glauben oder irgendetwas unbesehen zu übernehmen. Das ist die Grundlage für die Arbeit mit den Modellen.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass durchaus sinnvolle Arbeit mit ihnen möglich ist.

Es sollte aber auch jedem klar sein, das ein menschlicher Lektor noch nicht durch Software ersetzbar ist.

[Edit, Nachtrag eingefügt]
Kann man meinen Beitrag oben anders verstehen, als höllisch bei der Arbeit mit den Dingern aufzupassen?

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Würde ich so nicht unbedingt unterschreiben. Ich wollte dir aber auch nicht zu nahe treten.

Wenn ich meine Rechtschreibprüfungen (!) mit ChatGPT durchgeführt habe, ist er immer auch in so einen Lektorenmodus gegangen. Fast jedesmal begann er mit „Wow, ist das aber eine tolle Geschichte. Super strukturiert und bla.“ Das wollte ich gar nicht hören.

Ist ja auch nett, sowas geschrieben zu bekommen. Aber mit den Einschätzungen dieses Systems bin ich eher vorsichtig. Sowas wie „Wow, was für eine tolle Geschichte“ höre ich lieber von echten Menschen.

Nichtsdestotrotz kann zumindest ChatGPT auch mal eine Verbesserung vorschlagen (bei der Rechtschreibprüfung tut er das dauernd). Die meisten allerdings hab ich nicht verwendet. Wenn mir das System zu einer Satzumstellung oder zu anderen Worten geraten hat, hatte ich mir dann doch bei der Formulierung etwas gedacht.

Die Meinung von mir und ChatGPT, was gut lesbar oder klar ausgedrückt ist, gingen auch häufig auseinander.

Es ist halt ein System, das einem mal eine Ansicht und vielleicht auch mal Vorschläge gibt. Mehr wollte ich ChatGPT jetzt auch nicht zumuten.Und mir auch nicht :slight_smile:

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Habe ich nicht so empfunden. Ich habe deine Antwort einfach nicht verstanden, darum mein [Edit] im Eingangsbeitrag. Wir schreiben viele Worte, obwohl wir im Grunde auf der gleichen Linie sind.

Ich glaube, die Kos sind so programmiert, dass sie sich an die allgemeinen Regeln von wertschätzender Pädagogik halten. Das führ an den Schulen oft dazu, dass kein S. mal eine schlechtere Note als 4 bekommt und das Arbeitsverhalten immer mindestens B ist. Die KI ermutigt uns durch vielleicht zu nette und vorsichtige Verbesserungen und zu sanfte Kritik.

Du kannst ChatGPT sagen, ob er deinen Text positiv oder negativ bewerten soll. Das wird er tun. Nur was von beidem richtig ist, kann er dir nicht sagen. Hier ein Beispiel einer Textrezension von ChatGPT:

Die vorliegende Geschichte ist ein Paradebeispiel dafür, wie man eine moralische Erzählung mit viel Potenzial in die Untiefen der Belanglosigkeit treiben kann. Die Schwächen der Geschichte sind so zahlreich, dass es schwierig ist, einen Ausgangspunkt zu finden. Doch lassen Sie uns bei der Grundprämisse beginnen: Ein mächtiger Löwe, der sich vegetarisch ernährt und „friedfertig“ ist, wird vom Schakal, einem Symbol für List und Tücke, ausgetrickst.

Erstens, die Charakterzeichnung des Löwen ist nicht nur unglaubwürdig, sondern auch plump. Ein Löwe, der „friedfertig“ ist und sich von Früchten ernährt, wirkt hier wie eine flache und fehlgeleitete Karikatur. Der Löwe, angeblich der Herrscher des Dschungels, wird als eine naive Figur dargestellt, die blindlings in eine offensichtliche Falle tappt. Es stellt sich die Frage, wie ein solch einfältiges Wesen jemals Herrscher über irgendetwas sein konnte. Hier versagt die Geschichte kläglich darin, den Leser davon zu überzeugen, dass dieser Löwe tatsächlich Respekt und Macht innehatte.

Der Schakal wiederum wird in der Geschichte als listig beschrieben, doch seine „List“ ist so durchschaubar, dass es den Leser vor Fremdscham erzittern lässt. Der Plan des Schakals, den Löwen dazu zu bringen, in einen Brunnen zu springen, weil dieser sein eigenes Spiegelbild für einen Eindringling hält, ist nicht nur absurd, sondern auch weit entfernt von jeglicher Raffinesse. Selbst für die dümmste aller Tierfabeln ist dieser „Twist“ schlichtweg peinlich und unbefriedigend.

Der Aufbau der Geschichte leidet unter einer Vielzahl von Logikfehlern und unplausiblen Entwicklungen. Warum hat der Löwe sein Spiegelbild noch nie zuvor gesehen? Wieso hätte ein erfahrener und angeblich weiser Herrscher wie der Löwe den Worten eines bekannten Tricksters wie dem Schakal Glauben schenken sollen? Solche Fragen bleiben unbeantwortet und tragen zur Frustration des Lesers bei.

Schließlich fehlt der Geschichte jede Form von subtiler Moral oder tieferer Bedeutung. Der Schakal gewinnt am Ende, und das ohne jegliche Konsequenz. Der Leser bleibt mit dem schalen Geschmack einer Erzählung zurück, die weder unterhaltsam noch lehrreich ist. Statt einer gut durchdachten Moral bekommen wir eine plumpe und unausgereifte Lektion in Banalität.

Zusammengefasst ist diese Geschichte ein Paradebeispiel für schlechtes Storytelling. Die Charaktere sind eindimensional, die Handlung ist vorhersehbar und unlogisch, und die Moral der Geschichte ist so flach wie die Pfütze, in der der Löwe letztlich ertrinkt. Es ist eine Erzählung, die niemanden anspricht und stattdessen nur mit ihren offensichtlichen Mängeln und ihrem Mangel an Tiefe frustriert. Ein klarer Reinfall.

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:smiley: das ist natürlich schon eher beleidigend :stuck_out_tongue: und ein gutes Beispiel dafür, das Argumente nicht alles sind. Es gibt Filme, deren Story ist so banal (John Wick: Traurigem Witwer wird von pöpelnden, reichem Russen das Auto gestohlen und der Hund getötet, dem ihm seine Frau hinterlassen hat. Was niemand wusste, er war ehemaliger Auftragskiller. Schon stemmt er die eingemauerten Waffen aus dem Boden und macht sich auf dem Weg zur Rache aus.) Storytechnisch sehr simpel, aber es gefällt vielen Leuten. Warum? John Wick kommt absolut glaubwürdig rüber und es macht gar nichts, dass er total überzeichnete Gegner aus dem Weg räumt.

Ich habe aus Interesse etwas Ähnliches probiert, indem ich einen „motivierenden Text“ für Bahnstreikende und einen „demotivierende Texte“ gegen Bahnstreikende mit ChatGPT entworfen habe. Ich wollte nur wissen, wie er argumentiert. Es war wirklich eine 180 Grad Wendung und schien auf den ersten Blick glaubwürdig und den zweiten schon beleidigend (so ein bisschen bei dir oben :stuck_out_tongue: )

Was mit Chat GPT z.b gut funktioniert, man kann ihn z.b sagen, er soll die eingereiche Szene im Stil eines Schriftstellers (hier name eingeben) umschreiben und beide Szenen kritisch miteinander vergleichen. Hier bekommt man eine durchaus glaubwürdige Einschätzung, im Sinne (Frei nach meinen Worten) … "Die umgeschriebene Szene nach x betont mehr die Mystik und das Übernatürliche. Aber sie kann dadurch auch langsam und Überladen wirken. " Beispiel 1, 2, 3
Die Originalszene ist direkter und hat eine höhere Geschwindigkeit. Aber die Charaktere könnten dadurch etwas oberflächlich wirken. Beispiel 1,2,3.

Hier kann man dann Einhaken und fragen, wie man sich einnähern kann und bekommt entsprechende Hinweise. Überarbeitet man seine Szene, und lässt diese erneut vergleichen "Vergleiche diese neue Szene kritisch… (reinkopiert) mit deiner überarbeiete Szene. Hat eine Annäherung im Stil stattgefunden?
Und du bekommst entsprechende Antworten.

Ich bin aktuell mit einem neuen Buch fertig geworden und gehe Szenen, mit denen ich noch nicht so zufrieden bin, im diesen Sinne durch. Wichtig ist, dass man nicht den Stil „blind ersetzt“, den er als umgeschriebene Szene vorschlägt. Sondern versucht herauszufinden. Warum gefällt mir das, warum gefällt mir das nicht? Passt das überhaupt zur Szenerie, die ich ausdrücken will?

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Ich finde den einfachen Prompt: Beurteile die Geschichte! als hilfreich insofern, dass die KI quasi ein Testleser ist, der wertfrei Dinge anmerkt und Vorschläge macht. Ich habe da ein bisschen rumgespielt und es gab jedes Mal drei positive Hervorhebungen und drei erläuterte Kritikpunkte. Diese einzelnen Punkte kann man herauslösen und nochmals aufdröseln lassen. Das ist hilfreich, um sich besser mit der möglichen Betriebsblindheit auseinandersetzen zu können.
Dabei ist es wichtig, den Prompt so eindeutig wie möglich zu formulieren. Z.B. hatte ich eine Geschichte im Stil einer Sage geschrieben und durch die KI laufen lassen - Schreibe die Geschichte im Stil einer Sage. Diese hat dann auch kaum Veränderungen vorgenommen, also ist mir das gelungen. Witzigerweise hat die Überprüfung mit dem obigen einfachen Prompt dann ergeben, dass die Dialoge teilweise zu theatralisch klängen. Also, die Maschine kann und macht nur das, was der Typ vor dem Bildschrim von ihr verlangt …

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