mir geht es hier nicht um die Frage, ob man lieber direkt Verlage anschreibt oder ob man es lieber über eine Agentur versucht.
Es geht mir tatsächlich um das „Wann“, zeitlich gesehen.
Kurz gesagt hat mir meine Lektorin, nachdem sie nur einen Text von mir gelesen hat, empfohlen, mir einen Agenten zu suchen. Sie hätte ein gutes Gefühl. Obwohl mich das natürlich gefreut hat, fand ich das doch etwas strange, denn ich habe ja nicht mal ein Manuskript, bin eher noch in dem Stadium „Ideenfindung“. Das heißt, bis auf Kurzgeschichten (bis jetzt unveröffentlicht) hätte ich nix zu bieten. Ich könnte natürlich ein Exposé von der einen oder anderen Idee anfertigen, ohne Manuskript bzw. Leseprobe, aber bringt’s das?
Soweit ich weiß, werden Agenturen ähnlich mit Exposés und Manuskripten überschwemmt wie Verlage. Eine Agentur wird sich wohl aus der Masse der Einsendungen die paar Manuskripte heraussuchen, von denen sie meint, dass sie sie an einen Verlag „verkaufen“ und damit Geld verdienen kann.
Meine Vorgehensweise ist/wäre wie folgt:
Manuskript fertig schreiben und so lange und so oft überarbeiten, bis man selbst es gelungen findet
Testleser ins Boot holen, die ehrliche Kritik äußern und auf (Logik-)Fehler aufmerksam machen
nochmal überarbeiten (evtl. Schritte 2 und 3 mehrmals wiederholen)
Danach entscheiden, ob man das Manuskript einem Verlag oder einer Agentur anbieten will. Und auch überlegen, ob man bei Agentur bzw. Verlag nicht bessere Chancen hätte, wenn man dem Manuskript vorher noch auf eigene Kosten ein Lektorat gönnt. (Dann aber ein ernsthaftes Lektorat. Eine Lektorin bezahle ich doch nicht dafür, mich zu bestätigen und mir zu erzählen, wie toll mein Manuskript ist, sondern dafür, mein Manuskript zu verbessern!)
Du musst auf jeden Fall ein „fertiges“ (inkl. Überarbeitung aber ggf. ohne Lektorat) Manuskript haben. Vorher brauchst du als Debut-Autor bei keinem Verlag und keiner Agentur anklopfen. Du schickst das zwar im Regelfall nicht direkt ein (sondern nur das Expose und meist das erste Kapitel als Leseprobe), aber du muss bei Interesse in der Lage sein, das Manuskript unverzüglich nachzureichen. Es sei denn, es geht um ein Sachbuch. In dem Fall hat man ein fertiges Konzept vorzuweisen.
Ich versuche mir gerade eine Szene vorzustellen, in der eine Lektorin eine einzige Kurzgeschichte von jemandem liest, dann das total fundierte und professionelle Urteil „ich hab ein gutes Gefühl“ spricht und anschließend empfiehlt, sich sofort einen Agenten zu suchen.
Die Rolle der Lektorin in dieser Szene erscheint mir irgendwie nicht sehr seriös.
Kommt mir leider auch so vor. Das ganze ist im Rahmen eines Fernstudiums, nenne jetzt mal keine Namen. Obwohl die Inhalte und die Organisation ganz o.k. sind und das Studium ein Lektorat einschließt (10 Normseiten pro Studieneinheit), kommt es mir doch manchmal so vor als sei das ganze nur eine Drehscheibe zur Arbeitsbeschaffung mittelloser Autoren, die nebenher eine andere Einnahmequelle brauchen. Na ja, das ganze ist sehr flexibel gestaltet und sobald mir das ganze zu komisch vorkommt, kann ich immer noch sehr zeitnah kündigen. Vielleicht am Ende günstiger, mir zum „Selbststudium“ ein Buch zu kaufen (fand Stephen King’s „on writing“, das als PDF im Internet verfügbar ist, augenöffnend), mich nach einem Tandem umzuschauen und eine:n seriösere:n Lektor:in zu suchen.
Schreib zuerst deinen Roman fertig!
Stell dir vor, du wärest Literaturagent und bekämst ein Exposé zugeschickt, das dich anspricht, du würdest den Autoren dann kontaktieren und bekämst als Antwort: „Tut mir leid, das Buch muss ich noch fertig schreiben. Fragen Sie in ein oder zwei Jahren nochmals nach!“
Denjenigen würde ich als Agent nur noch kontaktieren, wenn das Exposé das Beste wäre, was ich seit Jahrzehnten gelesen habe …
Es mag anders aussehen, wenn du schon erfolgreich mehrere Romane veröffentlicht hast und dann sagst „Ich trage mich mit folgender Idee“. Dann weiß der Literaturagent, dass du eine gewisse Erfahrung und Zuverlässigkeit mitbringst und mit diesem Buch wirklich zu rechnen ist.