Mehr denn je zuvor ist unsere Zeit von einem starken Bedürfnis nach Anerkennung und Beifall geprägt: Nicht nur in den sozialen Medien, auch bei Business-Meetings regnet es Herzchen, Smileys, Klatsch- und Kusshände. Die Likes bei Facebook, Twitter und TikTok sind der erhobene oder gesenkte Daumen des Zirkus-Publikums, wie man ihn aus antiken Arenen kennt, die über den sozialen Tod bzw. das künstlerische Überleben des modernen Kreativ-Gladiators entscheiden. Für viele Autoren scheint es unabdingbar, sich der (Preis-)Kritik öffentlicher Tribunale von Husum bis Klagenfurt zu stellen, um ihre Werke wirklich als erfolgreich und wertvoll erachten zu können.
Wie sehr und in welcher Weise hängt Kreativität und schöpferische Freude von der Meinung anderer im Medien- und Literaturbetrieb ab? Klar ist: Abgesehen von der intellektuellen Befriedigung, ist die ökonomische Abhängigkeit für diejenigen existentiell, die sich ganz der Schriftstellerei verschrieben haben. Da gerät die schöpferische Freiheit und Freude ziemlich schnell unter Druck.
Erblüht Kreativität beim Schreiben vielleicht am schönsten im Verborgenen, ohne um Beifall zu buhlen? In Montaignes Bibliotheksturm zum Beispiel, um nicht gleich vom viel geschmähten ’Elfenbeinturm’ zu sprechen. - Ketzerische These: Kreativität macht am meisten Spaß, solange man nicht gezwungen ist, sich als ’literarischer Lohnsklave’ auf dem Markt der Eitelkeiten selbst auszubeuten. Ein Markt, der zunehmend von der Konkurrenz künstlicher Intelligenzen dominiert wird. Für mich ist der Akt des kreativen Schreibens an sich das Eigentliche und Wesentliche, also Authentische, nicht so sehr die Produktion und (Selbst-) Vermarktung. Das sind Themen, bei welchen man leider schnell unter Druck geraten kann.
Vielleicht sollte man als Schreibender nicht gleich dem ersten Impuls folgen und seine Schöpferkraft bzw. Haut direkt und immer zu Markte tragen? - Sofern man es sich leisten will und kann! Wie seht ihr eure Situation als schreibend Kreative zwischen Selbstverwirklichung, Vermarktungsdruck und Selbstausbeutung? Wie geht es euch im Spannungsfeld zwischen wa(hr)er Kreaktivität und ökonomischem Druck. Wie geht ihr damit um?
Hi,
Vermarktungsdruck kenne ich nicht. Ich versuche, etwas Werbung zu machen und freue mich natürlich über Erfolge. Das steht für mich jedoch nicht im Vordergrund.
Ich beuge mich nicht dem Gendern.
Ich beuge mich nicht irgendwelchen Regeln, nach denen ein Cover gestaltet sein muss.
Ich beuge mich nicht der Ansicht, dass man ohne Social Media ein Niemand mehr ist.
Ich beuge mich keinem KI-Modell und dessen Ideen.
Zum Glück kann ich mir den Luxus leisten, das zu schreiben und so zu schreiben, wie es mir beliebt, weil ich nicht davon leben muss. Mainstream war gestern. Für mich persönlich zählt nur das, was mir gefällt, nicht was die Mehrheit der Leser lesen will.
Wenn ich den Nerv der Leser treffe, freue ich mich natürlich und will auch nicht mit aller Macht anders sein, unbedingt gegen den Strom schwimmen oder so. Aber ich bin ein Individuum, das so kreativ ist, wie ihm gerade der Sinn danach steht.
Salopp gesagt: keine Ahnung, denn dann wäre sie ja unerkannt. Der Baum im Wald fällt nicht leiser, nur, weil ihn keiner fallen sieht.
Aber insgesamt empfinde ich den Post als recht theatralisch. Ich schreibe aktuell, weil ich Lust darauf habe eine Geschichte zu erzählen, wie ich sie gerne erzählen möchte. Ich freue mich über Kritik, die mich besser werden lässt und natürlich zweifelsohne doppelt über ehrliches Lob, weil wohl jeder gerne gelobt wird.
Wenn jemand anderes mehr & besser schreibt, erfolgreicher ist und gut zu unterhalten weiß, freue ich mich. Denn neben dem Schreiben, steht für mich noch das Lesen.
Von daher kenne ich weder die Nöte, Hoffnungen & Sorgen, die dem Ausgangspost beiwohnen.
Also bei mir isses so, dass mein Nickname hier Programm ist. Im Rotwelschen - das ist die Wiener Ganovensprache - heisst „Gschichtln drucken“ nichts anderes als Märchen zu erzählen. Und in der Tradition des ehrenwerten Berufes eines Märchenerzählers (den es etwa im arabischen, aber auch karibischen Raum noch immer gibt) sehe ich mich auch. Ich erzähle Geschichten. Schreibe sie. Oder lese sie vor. Alles meritokratische ist mir fremd wie nur irgendwas und daher stresst mich das Diktat des sog. freien Marktes genau gar nicht. Oder, wieder auf gut wienerisch: Is ma wurscht, Oida.
Das ist das eine. Das zweite: Diese Welt ist mittlerweile so abgefuckt und die meisten Leute so deppert, dass ich auf meine alten Tag beschlossen habe, mir mein eigenes Multiversum zu basteln, in das ich mich zurückziehe und das gut und gerne auf ein paar Blätter Papier passt. Zu den Figuren, die sich dort tummeln, egal ob Prof. Froid und seine Tochter, Matthäi und Antinome, Nick O’Law, Nora Pandora oder Gabi und ihre Bande pflege ich besonders herzliche Beziehungen. Und gerne gerne gerne lad ich alle ein, an ihren Abenteuern teilzuhaben und sich mit mir daran zu freuen.
Ich sehe es ein bisschen wie @Suse - ich schreibe, wie mir selbst die Geschichten am Besten gefallen und halte mich nur an wenige Regeln. Vor allem inhaltlich nicht: D.h wenn ich morgen Bock hätte einen Young Aduld - Steampunk - Survival Roman zu schreiben, schrecke ich nicht davor zurück. Ich halte mich auch nicht an Regeln der „Heldenreise“ oder anderen Plot Konzepten, etc - merke aber, dass ich unbewusst in Muster falle, die andere benennen können.
Ich bin immer wieder überrascht, welche „Schubladen“ ich offenbar bediene, ohne sie angestrebt zu haben. „Ahh, das scheint eine Survival Fantasy Slowmance zu sein!“ (Ich: Tatsächlich? )
Auf was ich aber achte ist Zugänglichkeit. Ich achte auf zugängliche Sprache, Spannung und hoffe, dass die Leser den gleichen Spaß haben, den ich beim Schreiben hatte. Mir ist deshalb ein ‚schönes‘ Cover schon wichtig - aber da folge ich meist einem Gefühl (So und so und so in etwa - danke!)
In sozialen Medien bin ich gar nicht vertreten. (Mal von diesem und einem anderen Forum abgesehen) Ich habe einfach keine Zeit dafür. Für Werbung müsste ich mehr machen, aber das müsste ich beauftragen und da stimmt kosten/nutzen aktuell nicht. Ich werbe ein bisschen auf Amazon, dass deutlich mehr kostet als einbringt - aber immerhin erreiche ich immer mal wieder unbekannte Leser.
Vielen Dank für deine Reaktion @Suse. Mir gefällt dein Credo! Darum geht es mir: eine selbstbewusste und selbstbestimmte, unabhängige Kreativität, die sich nicht dem Zeitgeist beugt, mit seinen Trends, Moden oder Rat-Schlägen. Wie sollte sonst etwas Neues und Ungewöhnliches entstehen, wenn sich das Immergleiche ständig reproduziert?
Vielen Dank für eure Beiträge bis hierher. Darin finde ich die Einstellung bestätigt, sich seine kreative Freude am und beim Schreiben nicht durch all das beeinträchtigen zu lassen, was man so tun und machen sollte. Jeder hat ein unterschiedlich dickes Fell und geht anders mit dem Druck um, der sich bei der Schriftstellerei aufbauen und zu Blockaden führen kann. Wohl dem, der davon nichts spürt, geschweige denn sich davon beeinträchtigen lässt. Selbstverständlich macht es auch einen Unterschied, ob man eher nur für sich selbst schreibt oder professionelle Ambitionen hat. Im letzten Fall dürfte es etwas schwerer fallen, mit den verschiedensten Anforderungen so gelassen umzugehen, dass die eigene Kreativität nicht leidet. Aber klar, auch da kommt es halt wieder darauf an, was man für ein Typ ist.
Weirdness magnet. Sagen wir es so: wenn es im Universum diesen einen sprechenden Hund gibt, der auf der Suche nach dem Heiligen Gral ist - er landet mit Sicherheit vor MEINER Haustür…
Card-carrying adventurer: Wenn wir dann diesen Gral vor den Nazis gerettet haben. Ich bin derjenige mit der Visitenkarte…
Hm, mal sehen … Ich schreibe, was ich selbst gern lesen möchte. Ich schreibe, weil ich Menschen gut und spannend unterhalten will. Ich muss nicht (mehr) schreiben, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, denn nach vier Jahrzehnten festangestellt und selbstständig im Werbungs- und Kommunikationsgeschäft habe ich diesen Zwang hinter mir gelassen. Und damit auch jede Möglichkeit, mich ökonomisch erpressen zu lassen. Ich freue mich, wenn möglichst viele Menschen meine Thriller lesen und lasse mich deshalb von einer Agentur vertreten und von einem Publikumsverlag verlegen. Auch da gilt der Satz, den ich zuvor geäußert habe. Preise zu gewinnen oder nicht zu gewinnen (wie zuletzt den GLAUSER 2025, wo’s in der Kategorie Debüt immerhin zu einer Nominierung gereicht hat) nehme ich als Bestätigung, mit meinem Tun auf dem richtigen Weg zu sein, hechele ihnen aber nicht hinterher. Solange meine Kreativität ausreicht, auf der Welle zu surfen, wunderbar. Solange ich lerne, handwerklich noch besser zu werden, perfekt. Sollte ich an den Punkt kommen, an dem Stasis sich breitmacht, keine Weiterentwicklung mehr möglich scheint, werde ich vermutlich bereits tot sein. Auch gut. Vielleicht schreibe ich kurz vorher noch einen Thriller über den kindischen Longevity-Hype der Tech-Milliardäre.
Ich habe meinen ersten Roman angefangen, um endlich einmal im Leben „mein Ding“ zu machen. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb stecke ich da jede Menge Arbeit rein und habe mir deswegen irgendwann gewünscht, dass es am Ende auch mehr als drei Leute lesen wollen. Nach einem Pitch bei einer Literaturagentin war ich einigermaßen ernüchtert. Was ich mitgenommen habe war: Wenn ein Stoff nicht gut durch die Genre-Schablone der Agenturen passt, wird es schwer werden, den Roman an einen Verlag zu vermitteln. Natürlich hat mich das gebremst (der Roman ist halbfertig) und ich habe eine Weile gebraucht, bis ich wieder weiterschreiben konnte. Es war gut, mir nochmals zu vergegenwärtigen, warum ich den Roman angefangen habe und warum ich mir das Projekt nicht wegen irgendwelcher „Marktgesetze“ vermiesen lassen werde.
An meiner Wand hängt nun ein Schild. „Ich bin keine Massenware, ich bin Persönlichkeit …“. Ist mir egal, ob mein Roman später groß veröffentlicht wird - ich schreibe für den kreativen Prozess. Wenn es später niemand verlegen will, lasse ich es ein Mal drucken und schenke es meinem Sohn zum 18.
Ich wollte schon immer ein Buch schreiben und habe mehrere angefangen. Durch meine Arbeit im Klinikschichtdienst bleibt aber vieles auf der Strecke. Oft fehlt mir nach Feierabend die Fantasie und Kreativität, leider kommt mir im Stress meist beides abhanden.
Deshalb habe ich dieses Jahr mit meinem Buch angefangen, weil ich zur Zeit in Elternzeit bin und den Kopf abends noch zum Schreiben frei habe, wenn mein Baby schläft.
Ich rechne mir bei Verlagen keine großen Chancen aus, natürlich ist da doch die leise Stimme in meinem Kopf, die die Hoffnung noch nicht völlig aufgegeben hat, dass das Buch eines Tages veröffentlicht wird. Aber ein bisschen Ehrgeiz schadet vielleicht auch nicht. Im Grunde erfülle aber ich mir mit dem Schreiben einen Traum, der sonst für mich im Alltag schwer umsetzbar ist. Gelegentlich eine Kurzgeschichte, das war’s, mehr ist normalerweise nicht drin.
Ich gebe selten meine Geschichte jemandem zum lesen, bisher kennt mein halbes Buch genau eine liebe Person, die ich hier im Forum kennengelernt habe. Für mich ist es okay, wenn ich niemals veröffentlicht/ veröffentlichen werde. Im Gegenteil, ich wäre sogar eher überrascht, wenn doch mal ein Buch von mir in irgendeiner Form verlegt und herausgebracht werden sollte.
Eines Tages zeige ich die Geschichte vielleicht meinem Kind in dem Wissen, dass ich sie geschrieben habe, als es noch ganz, ganz klein war.