Väter und ihre Sünden

Hallo zusammen, bei meinem aktuellen Projekt geht es um zwei Männer, die den Tod an einem Freund aufklären wollen. Dabei spielt die Last der Vergangenheit, das Erbe der Väter eine entscheidende Rolle.
Was habt ihr über Väter zu sagen? Ran an die Tasten. Hier mein Prolog (eine fingierte Nachricht des Toten Freundes).
Unsere Großväter waren Faschisten, unsere Väter Schatten, deren Kälte wir spürten, ohne sie zu verstehen. Sie waren Abwesende, Reisende, Schemen, die nur manchmal am Rande des sich drehenden Karussells der Kindheit manifestierten, um gleich darauf wieder zu verschwinden.

Sie standen uns nicht im Weg, weil es nicht den einen Weg gab, sondern tausende.

Und nun wir: Statisten, Spieler ohne Charakter. Ziellos, weil jedes Ziel, jedes Streben den Kern des Scheiterns in sich trägt und die Pfade dorthin, soviel hat die Zeit uns gelehrt, immer ein Gang zum Schafott sind. Anstatt zu gehen, scheint es uns folglich besser, zu verharren, es uns angenehm zu machen, zu warten, zu spotten, besserwisserisch zu lächeln; natürlich wissen wir es besser, aber wir würden es nicht sagen, denn etwas auszusprechen, macht verletzlich. Wir wollen nicht verletzlich sein, wir wollen uns nicht um eine Welt kümmern, die abgeschliffen und dumm, ausgehöhlt und oberflächlich ist. Wir haben studiert, ohne etwas zu lernen, diskutiert, ohne etwas zu sagen.

Wir sterben, ohne etwas zu bewirken.

Heftig heftig, @Maxmann. Macht mich sehr betroffen.
Als vaterloses Kind wurde mir erst viel später klar, wie viel ich meiner Mutter zu verdanken habe, dass sie mich nicht einem solchen aussetzte, wie viele meiner Altersgenossen hatten.
Als Vater von drei (bereits erwachsenen) Kindern, bleibt mir nur die Hoffnung, nicht einer von ihnen gewesen zu sein.
Aber das Thema des abwesenden Vaters zieht sich oft auch durch meine Geschichten. Scheint so ein Männerding zu sein.

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Väter - gute und schlechte - haben schriftstellerisch gesehen - großes Potential.
Väter müssen nicht abwesend sein, sie können auch über-anwesend sein.
Das scheint mir ein noch größeres Problem zu sein.

Es geht z.B. bei Vätern, die im 2 WK noch Kinder waren, meiner Erfahrung nach nicht um Kälte, sondern eher um fehlende Wärme (weitergabefähigkeit). Was einen großen Unterschied macht. Sie haben es selbst nicht erlebt in ihrer eigenen Kindheit.
Ein Weg, seinen Vater besser kennenzulernen, könnte in den „100 Fragen an meinen Vater“ (von Stephan Schäfer) bestehen. Die Idee dahinter ist, diese 100 Fragen dem Vater zu geben, ihn ausfüllen zu lassen, um dann mit ihm darüber zu reden. Ich habe kürzlich an einem Videocall mit dem Autoren teilgenommen und finde die Idee sehr gut!

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Genau so ist es. Man kann nichts weitergeben, was man nicht kennengelernt hat. Außerdem sind unsere Eltern, das unterstelle ich jetzt mal, noch die Generation der Unterdenteppichkehrer. Da wird nicht über Gefühle gesprochen und auch nicht gezeigt.
(Mein Vater, Bj 1932 war ein sehr schlechter Vater. Sein Vater wiederum ist im 2.WK verschwunden. Eine entscheidende Lücke in zwei Generationen. Obwohl keiner mehr lebt, habe ich ihn beim DRK suchen lassen und gefunden. Ich hatte dann das Gefühl den Deckel drauf machen zu können. Für alle. )

Heute sind wir reflektierter und können es versuchen besser zu machen.
Mein Sohn hat den besten Vater der Welt :wink:. Haben wir alles richtig gemacht? Wahrscheinlich nicht.

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Ich habe mir immer geschworen, niemals die Fehler meines Vaters (definitiv nur meines Vater, nicht meiner Mutter) zu wiederholen. Ich befürchte, ich habe trotzdem viele Fehler gemacht. Bin ich deswegen ein schlechter Vater? Ich hoffe nicht.

Es gibt Dinge, auf die bereitet dich kein Mensch vor. Kein Handbuch lehrt dich den optimalen Umgang mit pubertierenden Kindern.

Ich habe auch lange mit meinem Vater gehadert. Jetzt ist er tot und ich wünschte, ich hätte noch einiges klären können.

Also definitiv JA, unsere Väter haben Sünden begangen. Bevor wir aber darüber urteilen, sollten wir uns zunächst selbst hinterfragen.

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Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid.
(BB)

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Ich enthalte mich bei diesem Thema - aus Gründen.
Ein ungeheuer (Ungeheuer?) komplexes Thema.
Lektüre dazu - neben unzähligem anderen: „Brief an den Vater“ (F.K.)

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Schöne Lyrik. Für mich hat sie nur den Makel, dass sie Versagen entschuldigt, indem sie bestimmte Taten als Notwendigkeit einer Epoche andeutet. Allerdings sehe ich auch, dass es eine Kausalität zwischen einer Epoche und Versagen gibt. Interessant sind in diesem Kontext jene Personen, die nicht den Strömen der Zeit gehorchen