U + E Literatur: Was bin ich? Oder ist das Quatsch?

Meine Frage an euch:
Es sei eine angeblich deutsche (Un)Art, das geschriebene Wort in U, wie unterhaltsam, und E, wie erbaulich zu teilen. Andere Länder kennen diese Einteilung nicht.

Ich selber schreibe Krimis und sehe oft, dass Gewinner von Literaturpreisen gerne mal - um Geld zu verdienen - einen Krimi schreiben. Das geht.
Andersherum aber, wie mir scheint, leider nicht. Ein Krimiautor, der den Bachmannpreis bekommt?
U-Autoren werden von der arrivierten E-Liga naserümpfend ignoriert. So meine These.

Stimmt das? Was meint ihr?

1994 griff Pirinçci in der NDR Talkshow den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki mehrmals an. Er warf ihm vor, die Literaturkritik würde eine von der Leserschaft abgehobene Literatur rezensieren; auch wisse er nicht, weshalb man Goethe lesen solle. Dass er nicht rezensiert werde, bekümmere ihn nicht, da die Literaturkritik den erfolgreichsten Schriftsteller der Gegenwart, Stephen King, ebenfalls nicht zur Kenntnis nehme. 2011 wies er erneut auf seinen kommerziellen wie internationalen Erfolg hin, der von der deutschen Literaturkritik nicht wahrgenommen werde, und bedauerte den Mangel an Rezensionen: „Ich habe in zehn Jahren in Deutschland drei Millionen Bücher verkauft, wurde in 35 Sprachen übersetzt, besetzte die britische und japanische Bestsellerliste, es wurden über meine Bücher eine Doktorarbeit und 12 Magisterarbeiten geschrieben, dennoch wird man keine Besprechung über mein Werk finden, die über 20 Zeilen hinausgeht. Vor 20 Tagen kam mein sechstes Buch Cave Canem auf den Markt und verkaufte sich bis heute 30.000-mal.“ Quelle: Wikipedia

Du siehst, du bist nicht alleine. Das Klagen über das Feuilleton und dessen Auswüchse sind so alt, wie das Feuilleton selbst. Die können eine Plagiatin zum Sternchen erheben und die Tatsache, dass sie abgeschrieben hat, interessiert keinen. Man entlarvt sie nicht, denn dann würde man sich selbst entlarven. Wenn es ein Blogger (alter weißer Mann) schreibt, ist es Scheiße, wenn es ein weiblicher Teenager schreibt, ist es genial. Daher weht der Wind.
Deine Klagen betreffen im Prinzip dasselbe. Du gehörst einfach nicht dazu, finde dich damit ab. Von oben nach unten geht, umgekehrt ist es schwer. Ob das deutsch ist? In Deutschland ist das Feuilleton elitär, zutiefst elitär. Mit den richtigen Connections kommst du rein, fehlen die dir, kannst du Klimmzüge am Brotkasten machen, das wird nix. Unser »Salinger« hat Das Parfum geschrieben, aber es war zu populär, die Literaturkritik tut sich schwer mit Bestsellern. Bei uns schon immer, in anderen Ländern ähnlich, aber nicht so ausgeprägt.

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Die Einteilung in E und U kennen andere Länder auch; nur die Bezeichnungen sind andere. Ich persönlich finde es auch gar nicht so falsch. Wer Kafka liest, sucht etwas anderes als der, der Konsalik liest.

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Aber muss Literatur denn schmecken wie eine Zitrone, um als Literatur bezeichnet zu werden? Und wer vergibt das Label „Literatur“ überhaupt?
Ja, der x-te Küstenkrimi hat wenig Chancen etwas Besonderes zu sein. Er dient tatsächlich der Unterhaltung, was ja nicht schlecht sein muss. Aber der Nimbus „Literat“, der nur alle fünf Jahre ein dünnes Bändchen herausbringt und sich von trocken Brot ernährt, sofern er kein Stipendium bekommt, ist doch kein Garant für Qualität. Da wird doch gehurzt bis zum abwinken. (Ihr kennt doch bestimmt den Sketch von HP Kerkeling „Hurz“. Falls nicht: ansehen)
Meine Frage ist keine Neidsache, sondern der Versuch zu Entmystifizieren.

Ich beklage mich nicht. Ich würde nur gerne wissen, was ist was. Und ich würde gerne die Glaswand zwischen den Genres durchbrechen. Nicht wegen meiner Bücher, sondern um für alle mehr Möglichkeiten zu generieren. Dann könnten „U-AutorInnen“ auch mal ein Literaturstipendium bekommen. Und „E-AutorInnen“ müssten sich ggf damit abfinden, auch mal mehr als nur ein Buch in fünf Jahren zu schreiben. Als AutorIn muss man schreiben, sonst ist man es nicht und sollte sich so auch nicht nennen. Bin ich zu strenge?

Was Verlage für Literatur halten, kann man am Verlagsprogramm sehen. Carlsen hat ein anderes als Suhrkamp. Unis in Hildesheim und Leipzig tun das Übrige dazu die aktuelle „E-Literatur“ zu definieren, Influencer wie Heidenreich, Scheck, Dorn und Co. ebenfalls. Und das ändert sich alles regelmäßig, wenn der nächste Trend um die Ecke kommt.
Die augenblickliche Häufung biographischer Romane pandemiegeschädigter Schauspieler geht einher mit Attributen wie „glänzender Erzähler“ „atemlos, risikoreich, voller Witz und Musikalität“, etc. Auch diese Anekdotensammlungen werden über geschickte Marketingstrategien in literarische Sphären gehoben, wo sie ein Literaturwissenschaftler möglicherweise nicht verorten würde. Die Zielgruppe erwartet angesichts des schauspielerischen Oevres der Autoren allerdings „Literatur“, und zwar ernsthafte. Also klebt man ihnen das entsprechende Etikett auf.
Jeder Verlag hat so seine Methoden - die einen versuchen die Long- und Shortlists der Buchpreise mit „Hurz“ zu füllen, die anderen verzichten auf literaturwissenschaftliche Meriten, solange die Verkaufszahlen stimmen. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn das Buch auf dem richtigen Stapel beim Buchhändler liegt, und dafür scheint die Trennung zwischen U- und E-Literatur ziemlich wichtig. Lesende Menschen scheinen ohne diese unglückliche Klassifizierung nicht mehr auszukommen, das ist bedauerlich, aber wohl kaum zu ändern.

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