Tod der Jägerin (eine "nahezu klassische Story")

Hallo zusammen,

hier eine in sich abgeschlossene Geschichte, vor ein paar Wochen von mir geschrieben, bei annähernd Normseitenformat ca. 19 Seiten umfassend.

Die Anspielung auf Harold Brodkey (in der Klammerung) will nicht schriftstellerische Vergleichbarkeit herstellen, sondern eine ganz leicht ironische Nuance setzen. die ich bei H.B. selbst zwar als mitgegeben unterstelle, ohne darüber allerdings je Sicherheit erlangt zu haben.

Bin an konstruktiver Kritik sehr interessiert.

Viele Grüße von Palinurus

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Krass, dort oben ist es sicherlich sehr einsam. Du schreibst (wenn du willst) sehr packend und anschaulich, richtig gut, spannend. Leider betrifft das nur die erste Hälfte. Nach dem Tod des Hundes wurde es mir dann deutlich zu abgehoben, zu intellektuell und zu spirituell. Aber ich bin auch nicht deine Zielgruppe. Ich muss auch gestehen, ich habe danach nur noch eine Seite geschafft und musste aufgeben, weil ich kaum noch etwas verstand. Eine technische Anmerkung noch – dein Gedankenstrich ist ein viertel Geviert zu lang. Du nimmst den — während – richtig wäre. Aber wenn ich deinen Text lese, habe ich eine vage Ahnung, dass dir das egal ist und du es absichtlich gemacht hast. Manchmal geht der Gaul mit dir durch und du schreibst, wie du sprichst. Das ist dann ein Stilbruch: durch’s Profane. Die Abkürzung von *durch das *zu durch’s fällt auf, da sie zum restlichen Stil nicht passt.
Bar einer jeglichen Fühlung … hier fände ich bar jeglicher Fühlung besser. Du weißt schon, dass mit/bei solchen Wendungen sieben von zehn Lesern raus sind, oder?

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Ich bedanke mich sehr für deine Anmerkungen. Wenn ich im Moment nur auf das Technische eingehe, liegt das nicht an Ignoranz, sondern weil ich mich zu deinen (für mich durchaus) instruktiven inhaltlichen und formalen Einlassungen erst später äußern möchte (du wirst dir die Gründe dafür sicher denken können).

Was deine „vage Ahnung“ angeht, so liegst du goldrichtig: Ich nehme meinen … ähm … persönlichen Gedankenstrich durchaus bewußt in Gebrauch. Es mag eine Idiosynkrasie sein, aber das ist mir völlig gleichgültig. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß jemand, der schreibt, ohne Idiosynkrasie:thumbsdown: gar nicht existieren kann. Mit Sartre gesagt: Der Schriftsteller hat ein „gestörtes Verhältnis zur Sprache“; und ich füge hinzu (nicht zuletzt auch von Derrida angeregt): auch zu Schrift – sonst wäre er keiner …

Noch ein Letztes: Ab S. 13 (zweiter Absatz) bis fast zum Schluß geht es noch einmal … ähm … gänzlich „unintellektuell“ zu (und auch der Stil ist wie anfangs); vielleicht guckst du ja dort noch mal kurz rein; ich fürchte, sonst kriegst du die Pointe nicht mit … – Aber selbstredend ist das nur ein Vorschlag, den du auch gerne ignorieren darfst. Ich wäre deswegen keinesfalls beleidigt.

Einen schönen Sonntag wünscht Palinurus

Ich habe mich durchgebissen. Soviel nachschlagen musste ich lange nicht mehr.
Insofern stelle ich mir vor, dass es vielen Lesern schwerfallen könnte, Deinen Text zu verstehen. Das liegt nicht zuletzt an Deiner teils recht eigenwilligen Wortwahl (ineins, luzid), denke ich. Ggfs. könnte auch der Satzbau und einige Tempuswechsel inmitten eines (Ab-)Satzes dazu beitragen.
Die vielen Worte mit - unerwartetem - Apostroph irritieren mich im Lesefluss (wohingegen ich dann schon an einigen Stellen eins erwartet habe, das dann nicht da steht).

Am Ende wird klar, was gespielt wird - so fügen sich die signifikanten Versatzstücke zu einem phantastischen, mystischen, wilden Stück: “Tod der Jägerin”. Durch Verwendung von Zeichen sichtbar gemacht, existiert sie jetzt zumindest in meiner Geschichtenwelt.

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Liebe Alex,

den Umgang mit apostrophischer Verkürzung hat schon @DuaneHanson auf die Kritikliste gesetzt, weshalb ich mir ernsthaft Gedanken darum mache. Dazu muß vielleicht angeführt werden, daß ich erst seit kurzer Zeit herumexperimentiere, die sog. „Neue Rechtschreibung“ einzusetzen und deswegen unsicher bin (gerade auch bei den Apostrophen, die ein ‚es‘ oder ‚das‘ verkürzen), wahrscheinlich auch Fehler mache dabei. – Es fällt mir sehr schwer. Die „NR“ ist eine grauenvolle Ausgeburt selbstherrlicher „Wissens“-Verwalter, die in Wirklichkeit nur verbeamtete Besserwisser sind, seinerzeit sekundiert von jämmerlich inkompetenten Kaspern auf „Kultus“-Ministerthronen, die keine Ahnung von Tuten und Blasen hatten (und haben).
Das ist bekanntlich nicht nur meine Ansicht; und es fällt mir sehr schwer, mich überhaupt darauf einlassen zu wollen. Etliche Schrifsteller/innen und Wissenschaftler weigern sich ja bis heute, damit ihre Texte zu verstümmeln und zu verschandeln … für das Schriftbild der dt. Sprache ist dieser unsägliche bricolage-Zombie eine schwer zu akzeptierende Katastrophe. – Mir ist bisher noch nicht klar geworden, ob ich bei diesem Schriftmatsch eigentlich mitzumachen gewillt bin.

Daß du dies und das nachschlagen mußtest, macht mir – um ehrlich zu sein – nicht viel Sorge, weil das Lesen (auch lit. Texte) ja Horizonterweiterung implizieren darf … nach so mancher Ansicht sogar evozieren solle. Ich teile jedenfalls nicht die Ansicht jener Phalanx von Leuten, die in den modern times mehr und mehr auf Sprachregression setzen (und sei’s nur, weil sie ein vorgebliches Bedürnis befriedigen möchten). – Daß es dafür einen breiten Markt gibt, steht außer Zweifel (und genausowenig ist suspekt, warum das der Fall ist …); aber nicht jede/r Schreibende ist gewillt, ihn zu bedienen, was übrigens im Literarischen immer schon so war. Neu ist daran allerdings die Verschiebung der Gewichte, denn es besteht kein Anlaß, zu glauben, der Part sprachlich/formal/stilistisch anspruchsloser Textproduktion würde nicht zunehmen.

Was damit angesprochen sein soll: Dein statement, „ich [stelle] mir vor, dass es vielen Lesern schwerfallen könnte, Deinen Text zu verstehen“, impliziert m.A.n. maximal zur Hälfte (ich denke sogar, nur bei viel gutem Willen in so hohem Maß :smirk: ), daß ich „zu schwierig“ schreibe, weil ja eben, wie oben schon angedeutet, zum Lesen hin und wieder auch das Moment eine Horizonterweiterung treten darf … und wenn es dazu leserseitig grundsätzlich an Lust oder Bereitschaft mangelt, so kann das ja wohl kaum allein der je gelesenen Geschichte zur Last gelegt werden …
Um’s mal ein wenig zu analogisieren: Wenn ich Lust auf ein gutes *Boeuf Bourguignon *habe – man hat mir berichtet, daß das sehr wohlschmeckend sei --, kann ich entweder in den Supermarkt rennen und mir eine Packung davon aus der Tiefkühl-Anlage ziehen oder ich koche es selbst, auch wenn das für mich Aufwand bedeutet und dies oder jenes am Kochvorgang sogar erst angeeignet werden muß (der dritte Alternativstrang, nämlich ins Restaurent zu gehen, fällt hier weg, weil das auf kein Analogon zur Lesesituation hinausläuft). – Es mag sein, daß ich nach meinen Kochversuchen aufgebe, weil mir das Boeuf Bourguignon partout nicht gelingt (ggf. auch nach mehreren Anläufen nicht), obwohl ich mich darum bemüht habe – dann lebe ich damit und es ist ja auch kein Beinbruch. Ich halte allerdings nichts davon, immerzu nur (noch) in die Fertigspeisen-Regale von der Firma *Einheitsbrei *zu greifen … ab und an möchte ich’s schon noch wissen … also ob sich mein kulinarischer Horizont auch noch unter Inanspruchnahme eigenen Vermögens und Ausprobierens erweitern läßt. Gelingt es nämlich, ist es ja umso schöner: Man hat Selbstvertrauen befestigt, ggf. auch dies und das „gelernt“ und dann auch noch einen Genuß gehabt … – Beim Konsumieren von Fertigprodukten aus der großen Massen-Zentrifuge – mit immergleichen Grundstoffen für alles und jedes – ist das ja meistens eher nicht der Fall!

Beim Nachgucken wegen der von dir angesprochenen Tempuswechsel habe ich tatsächlich einen Fehler (Präteritum statt Präsens) gefunden. Herzlichen Dank für den Hinweis also. Die ansonsten von mir geprüften Wechsel (aber womöglich habe ich auch noch etwas übersehen beim Prüfen) im Tempus sind intendiert gesetzt, sie haben also eine Funktion im Text – so gibt es etwa (wenigstens in etwas ambitionierterer Literatur) ein Zusammenspiel von Inhalt und Form, das manchmal auch mit diversen Mitteln besonders signiert wird! --, gelegentlich erfordert es in der Geschichte sogar die consecutio temporum, mit mehreren Zeiten zu arbeiten.

Noch ein Hinweis, den ich schon in einer privaten Unterhaltung gegeben habe: Die Geschichte der Jägerin ist eine reine Fingerübung und nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. – Um bestimmte Charakere oder Situationen in größeren Arbeiten – hier meinem aktuellen Romanprojekt – vorzubereiten, greife ich öfters zu dem Mittel, erstmal eine kleine narrative Skizze zu entwerfen.
Die Jägerin ist keine Protagonistin des Romans, sie ist eigentlich nicht mal ein Charakter, sondern sie stellt eine Figur dar, sie repräsentiert eine Rolle im mythologischen Hintergrund, sagen wir einmal: in der Sphäre jener anthropologischen und religionswiss. Konstellation, die in der Mythologie von Typen wie Artemis oder einer ihrer Begleiterinnen aufs Tapet gebracht wird. Ich habe die Geschichte inzwischen „eingebaut“ und ich bin froh, sie in der kleinen Story vorstrukturiert zu haben, so ging die Integration dann recht gut vonstatten.

Der letzte Absatz in deinem Statement hat mir gut gefallen. Wenn ich ihn (hoffentlich) richtig verstehe, hat sich eine meiner Intentionen damit erfüllt. Die kleine Einlage am Schluß – mit Verweis auf Kripke – geht auf ein äußerst hart umkämpftes und sehr kontrovers diskutiertes Grundthema in der aktuellen philosophischen Debatte (Markus Gabriel hat dazu erst vor wenigen Wochen einen dicken Schmöker namens Fiktionen veröffentlicht): Nämlich die Frage betreffend, ob fiktionale Charaktere wie die Jägerin (oder Hamlet oder Bartleby usw.) tatsächlich existieren (oder eben nur scheinbar). Wie es aussieht, dreht sich langsam der Wind in den dazugehörigen epistemologischen und ontologischen Fragestellungen: Mehr und mehr damit professionell Befaßte – und nicht nur Philosophen --, neigen der von Saul Aaron Kripke sehr gut begründeten Ansicht zu, daß diese fiktChar tatsächlich existieren, also der Existenzbegriff, wie er bisher gang und gäbe war (v.a. von Frege, Russel und Quine vorgeprägt), nicht richtig gefaßt ist.
Insofern: Wenn du sagst, die Jägerin „existier…e] …] jetzt zumindest in meiner Geschichtenwelt“, kannst du das ‚zumindest‘ sogar weglassen! Denn nach den derzeit avanciertesten Reflektionen über Existenz ist die „Geschichtenwelt“ irreduzibel Teil unserer wirklichen Welt.

Nochmals Danke für deine Einlassungen!

Schöne Morgengrüße von Palinurus

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Nein. Die neue Rechtschreibung war ein kläglicher Versuch, die Wirtschaft anzukurbeln und die Schulen zu zwingen, neue Bücher anzuschaffen. Und sie sollte vielleicht auch dazu beitragen, mögliche Fehlerquellen auszumerzen, was natürlich Quatsch ist, denn ein Rechtschreibreform trifft (und bestraft) nur die, die sich für Rechtschreibung interessieren und auch nach den alten Regeln schon korrekt geschrieben haben. Den anderen ist das egal und viele (gerade Schüler)s in ihrer Fantasie, Fehler zu machen unerschöpflich. Das könnte keine Reform auffangen.

LG
Pamina