Hallo in die Runde!
Ich dachte mir, nachdem ich schon so viele tolle Kurzgeschichten und Auszüge aus Texten von anderen gelesen habe, werfe ich auch mal was in den Ring. Das unten ist der Anfang einer Geschichte mit dem bisherigen Arbeitstitel [Superhelden-Camp]. Mich würde alles interessieren, was ihr zu diesem Ausschnitt denkt, angefangen dabei, ob ihr weiterlesen würdet, über, ob man mit der Hauptfigur klarkommen kann, bis hin zu Stilkritik.
Ich hoffe, ihr habt Spaß beim Lesen.
Namen kann ich mir nicht merken. Und Gesichter auch nicht. Viele denken deshalb, dass ich dämlich wäre oder so, aber die Wahrheit ist, dass mich die Namen und Gesichter der anderen meistens einfach nicht interessieren. Ich werde nie mit ihnen zusammenarbeiten müssen, nie mit ihnen abhängen können und nie meine Geheimnisse mit ihnen teilen dürfen. Wozu also die Mühe?
Ein paar Namen und Gesichter bleiben natürlich trotzdem irgendwann hängen. Notgedrungen. Wäre auch zu bescheuert, wenn ich nicht einmal wüsste, wer unser Tutor ist. Und einige Leute sind so furchtbar nett, dass sie sich mir immer wieder aufdrängen, klar kennt man die dann irgendwann.
So wie Mildred. Ich weiß mehr über sie, als mir lieb ist, aber sie plaudert gerne und ich komme nicht umhin, einiges aufzuschnappen. Wie zum Beispiel, dass sie ihren Namen grauenvoll altmodisch findet, auch wenn ich das nicht nachvollziehen kann. Namen sind Namen. Der Rest ist doch egal.
Ich weiß auch, dass sie einen jüngeren Bruder hat, den sie um sein – nach einhelliger Meinung der ganzen Schule – attraktives Gesicht beneidet. Selbst mir ist er irgendwann einmal aufgefallen, auch wenn ich eine Weile gebraucht habe, um ihn mit Mildreds Bruder gleichzusetzen.
Wie gesagt, Namen und Gesichter sind nicht so mein Ding. Da ist es vermutlich gut, dass ich diesen Sommer an einen Ort fahren werde, wo beides keine Rolle spielt. Ich bin zwar noch nie dagewesen, aber meine Mutter schwärmt schon seit Wochen davon, deshalb kenne ich die meisten Details bereits. Andererseits bauen sie wohl auch jedes Jahr um, insofern wird einiges anders sein als zu ihrer Zeit. Auch egal.
„Was machst du über den Sommer?“
Ich sehe auf und kann nicht glauben, dass Mildred mich gefragt hat. Versucht sie wirklich, mich in das Gespräch ihrer Gruppe mit einzubeziehen? Warum haben sie nicht hinten in ihrer üblichen Ecke quatschen können?
„Ich fahre in ein Camp“, sage ich, weil ich nie lüge.
„Ah, ich fliege dieses Jahr in ein Segel-Camp bei Nantes“, sagt ein Mädchen aus dem Kreis und ich bin wieder aus dem Gespräch entlassen. So funktioniert das meistens. Wenn Mildred nicht so stur versuchen würde, mit mir klarzukommen, dann könnten wir uns selbst diese kurzen Exkurse sparen. Effizienter für alle.
Unser Tutor kommt mit einer Viertelstunde Verspätung, was selbst für ihn ein bisschen viel ist. Aber wir sind alle sehr geneigt, ihm zu verzeihen.
„Einen guten Morgen. Ich bitte um Entschuldigung ob der Verspätung“, sagt er eilig. „Und wir müssen die Zeugnisübergabe kurzhalten, ich muss meine Tochter von ihrer Schule abholen. Sie ist wohl zusammengeklappt wegen der Hitze.“
Stimmt, das Thermometer an der Wand sagt jetzt schon etwas von 33°C, selbst hier drin, und das am frühen Vormittag. Draußen steht die Luft. Die meisten schwitzen gerade ihren gesamten Wasservorrat aus, aber es bedarf weitaus höherer Temperaturen, bevor ich die Wärme auch nur spüre. Gilt für Kälte übrigens genauso.
„Kein Problem“, sagt Mildred, die gute Seele. Ich glaube, sie ist dieses Jahr Kurssprecherin geworden. Nach Jahren als Klassensprecherin eigentlich kein Wunder. „Wenn Sie wollen, kann ich auch das Austeilen übernehmen.“
„Nein, nein“, wehrt unser Tutor hastig ab. „Das ist das letzte Mal, dass ich Sie vor den langen Sommerferien sehe, das will ich mir nicht nehmen lassen. Ich mache es kurz und dann können Sie auch schon gehen. Araam, Gizem.“ Er beginnt, die Namen aufzurufen, und einer nach dem anderen kommen die Leute nach vorne und holen ihre Papierfetzen ab. Dabei sagt er nichts dazu wie er es sonst macht, nur bei Mildred, der er zur Position als Jahrgangsbeste gratuliert. Ich bin die letzte und da hört quasi schon niemand mehr zu. Es ist ohnehin nur ein durchschnittliches Zeugnis. Alles wie geplant. Nirgendwo auffällig gut, nirgendwo auffällig schlecht. Wie meine Eltern es mir eingetrichtert haben und ich es auch selbst gewollt habe.
Ich muss zu niemandem etwas sagen, als ich mich aus dem Raum schiebe, und ich bin die erste, die geht. Die anderen müssen alle erst noch ewige Umarmungen und Abschiedswünsche loswerden.
Den Weg nach Hause lege ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück, was mich grob 45 Minuten kostet. Immerhin, das ist besser als zu Fuß, da bräuchte ich geschätzt anderthalb Stunden, wenn ich jogge. Es sei denn, ich dürfte mein Tempo laufen, dann könnte ich auch in zehn Minuten zu Hause sein. Oder weniger. Aber Geheimhaltung ist Geheimhaltung.
Mein Vater hat heute frei und empfängt mich mit einem breiten Grinsen.
„Na, wie sieht’s aus?“, fragt er und ich gebe ihm mein Zeugnis.
„Alles einheitlich, was?“, stellt er fest und ich merke, dass er ein kleines bisschen enttäuscht ist, auch wenn er es nie zugeben würde. Aber ist nicht wie meine Mutter oder ich. Er hat immer gewollt, dass ich wenigstens ein bisschen Normalität mitnehmen kann und ich habe mich eine Weile bemüht, es zu versuchen. Mittlerweile nicht mehr, es ist einfach sinnlos. Aber es tut mir schon etwas leid, dass ich seinen Wunsch nicht erfüllen kann.
„Wo ist Mamá?“, frage ich. Eigentlich habe ich sie auch zuhause erwartet.
„Dringender Notfall“, sagt mein Vater und legt das Zeugnis beiseite. „Lasergun ist einen Banküberfall ruinieren gegangen.“
Lasergun ist das Alias meiner Mutter. Ich habe noch keines, das wird erst mit offiziellem Amtsantritt übergeben. Aber meine Mutter sagt, im Camp bekommt man ein vorläufiges, das häufig auch das spätere endgültige wird.
„Daher haben wir die freie Wahl, was wir zum Mittagessen essen wollen. Wünsche?“
„Du versuchst es aber auch immer wieder“, murmele ich. „Natürlich nicht.“ Es ist mir so ziemlich egal, was wir essen. Ich bräuchte ohnehin nicht viel, aber mein Vater macht jedes Mal so ein trauriges Gesicht, wenn ich es wage, die Hälfte oder so übrig zu lassen. Also esse ich eben alles auf. Ist ja nicht so, als ob ich davon dick werden könnte.
„War einen Versuch wert“, sagt mein Vater. „Was hältst du von Lasagne?“
„Klingt gut“, sage ich. Hätte ich auch zu allem anderen gesagt.
Meine Mutter kommt noch vor dem Essen nach Hause. Wie immer ist es unheimlich, wie ich sie nicht erkennen kann, ehe sie ihre Maske abnimmt. Das müssen die Masken aber auch mindestens leisten: uns Anonymität gewähren.
„Und?“, frage ich. „Sind die Räuber platt?“
„Aber logo!“, ruft meine Mutter und begräbt mich unter ihrer roten Lockenpracht. „Aber so was von! Sie wollten über die Autobahn flüchten, aber da konnte ich ihnen den Weg abschneiden, hab ihre Reifen zerstört und dann festgenommen. Saubere Arbeit. Keine Verletzten, keine Toten, alle Beute sichergestellt.“
„Und die Fahrbahn hat es auch überlebt?“, ruft mein Vater aus der Küche.
„Fast“, ruft meine Mutter zurück, nicht im Geringsten reumütig. Meine Mutter ist die coolste Person, die ich kenne, und die stärkste. Selbst ihr Anzug ist cool, schwarz mit roten Streifen wie Laserstrahlen. Sie lässt ihn und die Maske verschwinden, als sie sich zurückverwandelt, und schnuppert dann.
„Hm, was riecht denn hier so gut?“, fragt sie. „Verdammt, habe ich einen Hunger.“ So ist sie immer. Im Gegensatz zu mir weiß sie Essen zu schätzen. Sie ist immer dabei, irgendetwas zu knabbern. Nur nicht, wenn sie beide Hände braucht, wie wenn sie mit mir trainiert.
Sobald meine Taschen für die nächsten Wochen gepackt sind, machen wir genau das. Eine letzte Runde Abschiedstraining bis spät in die Nacht. Sprint, Boxen, Ausdauer, Kraft, Selbstverteidigung, andere Kampfstile. Das komplette Programm, bis selbst ich zu müde bin.
Trotzdem bin ich nach vier Stunden Schlaf wieder voll ausgeruht und wach und gehe schon einmal ein paar Runden im Wald laufen. Um diese Uhrzeit ist da niemand und die Chance, entdeckt zu werden, geht gegen Null.
Los fahren wir dann aber trotzdem erst fünf Stunden später nach einem ausgedehnten Frühstück. Meine Mutter hat keinen Führerschein, weil sie nie ein Auto benötigt hat. Sie gehört zu den Helden, die keinen zweiten Job brauchen, weil ihr erster genug abwirft. Ihr erster, der da heißt, Leben zu retten. So will ich auch einmal werden. Und weil sie fliegen kann, braucht sie eben kein Auto. Deshalb fährt uns mein Vater, zumindest so weit wie er kann. Dann hält er an einer Autobahnraststätte und wir legen den Rest zu Fuß zurück, nur meine Mutter und ich. Einen Kilometer weiter ist die Einfahrt zum Camp und wir kommen nur durch den Einlass, weil wir beide unsere Anzüge angelegt haben. Nur Helden dürfen hier durch, denn es ist ein Sommer-Camp für angehende Superhelden wie mich.
Wir müssen noch einen weiteren Kilometer auf dem sandigen Forstweg zurücklegen, ehe wir den Camp-Eingang erreichen. Ein großer Holzbogen mit dem bunten Schriftzug Heldencamp öffnet einen Durchgang in einem langgestreckten Palisadenzaun, der vermutlich nur Show ist.
„So“, sagt meine Mutter. „Dann werde ich dich an dieser Stelle alleine lassen. Ich errege immer viel zu viel Aufsehen, wenn ich irgendwo auftauche.“
„Ja, vielen Dank, L…Mamá.“ Beinahe hätte ich Lasergun gesagt.
„Du wirst das großartig machen“, sagt meine Mutter und lächelt mir zu. „Lass dich auf nicht zu viele Kämpfe ein und such dir schnell ein paar nette Leute, mit denen du gut zusammenarbeiten kannst. Und am wichtigsten: Verrate nie deinen richtigen Namen.“
„Klar“, sage ich. Wir haben das oft genug durchgekaut. Ich weiß, wie das geht.
Sie drückt mich an sich. „Dann wünsche ich dir viel Spaß. Wir sehen uns in acht Wochen. Sei brav.“
„Werde ich“, verspreche ich. „Auf Wiedersehen!“
Ich winke ihr hinterher, als sie davonschießt, über die Baumwipfel hinweg, so schrecklich elegant. Zu schade, dass ich das nicht kann.
Mit meinem Gepäck in den Händen trete ich durch das Tor. Weite Freiflächen, Bäume, hölzerne Hütten hier und da im Grün. Rechts ist ein größeres Gebäude aus Stein, davor eine Tischtennisplatte.
„Hi“, begrüßt mich die Frau hinter dem Tisch, der direkt neben dem Eingang steht. Sie lächelt mich durch einen weißen Schleier hindurch an, der wohl ihre Maske ist. Dazu trägt sie eine gelbe Strickjacke über einem weiß-gelben Einteiler. Es passt zu ihren blonden Locken und der verblüffend hellen Haut, und auch zu dem leichten Leuchten, das sie umgibt. Sie ist eine echte Superheldin, das weiß ich sofort. „Du bist neu hier. Deine Anmeldebestätigung bitte.“
Ich reiche ihr das Stück Papier und sie hakt meine Registrationsnummer auf ihren Listen ab.
„Herzlich Willkommen im Heldencamp“, sagt die Frau und gibt mir das Blatt zurück. „Du kannst mich Pacifista nennen, ich leite das Camp dieses Jahr.“
„P-Pacifista?“, frage ich und meine Augen werden groß. „Die Pacifista? Die den Krieg im Nahen Osten beendet hat?“
„Exakt jene“, bestätigt Pacifista und lächelt breiter. „Die Angelegenheit mit den Namen regeln wir heute Abend, wenn alle da sind. Bis dahin musst du damit klarkommen, wenn dich jemand Rot-Weiß-Grün ruft, oder Rotkäppchen oder so.“ Eine Anspielung auf meinen Anzug und auf die Kappe, die auf meinem Kopf sitzt und meine Maske festhält.
„Kein Problem“, sage ich.
„Hervorragend“, sagt Pacifista. „Du wohnst in Hütte 6. Richte dich ein und lerne die anderen kennen. Tauschen ist nicht möglich, also komm besser mit ihnen klar. Mittagessen ist schon vorbei, aber in der Küche ist immer jemand, wenn du Hunger hast.“ Sie zeigt auf das Steingebäude hinter sich. „Zwischen drei und vier ist Kuchenpause und ab sechs Abendessen. Danach machen wir heute Lagerfeuer, damit sich alle besser kennenlernen können, und dann geben wir den Neuen auch die Namen. Alles weitere dann. Lass dich ruhig von den anderen in deiner Hütte einweisen. Da geht es lang. Wir sehen uns später.“
„Bis später“, sage ich und folge ihrem Fingerzeig den Pfad hinab. Ich komme an einem großen Rund aus Bänken vorbei, wo nachher wahrscheinlich das Lagerfeuer sein wird, und an einer steinernen Arenastruktur. Weiter hinten sehe ich einen See zwischen den Blättern glitzern.
Hütte 6 finde ich gar nicht so weit weg davon am Rande der Böschung sitzen. Wie alle Hütten sieht sie wie ein kleines, gemütliches Häuschen aus, samt überdachter Veranda mit vier Stühlen und Tisch. Eine silberne Sechs hängt über dem hölzernen Eingang.
Die Veranda ist von zwei Mädchen besetzt, von denen eines aufspringt, als ich näherkomme. Ihre Haare stehen in Flammen und ich kann das Glühen ihrer Augen selbst durch die metallene Schweißerbrille sehen, die sie trägt. Sie ist sexy, mit ihrem bauchfreien Top und der kurzen, enganliegenden Hose, beide schwarz, und den genauso schwarzen Lederbändern mit den Metallspikes. Ihre Kollegin ist dagegen unauffällig, mit einem braunen Poncho und einem Stoffstreifen über den Nasenrücken. Sie hat Katzenohren, wie interessant.
Das Feuer-Mädchen wedelt mit den Armen und hüpft begeistert auf und ab.
„Hey, hey!“, ruft sie. „Bist du die Neue für unsere Hütte?“
„Denke schon“, sage ich. „Es sei denn, das da ist eigentlich eine Neun, die sich verdreht hat.“
„Nein, das hier ist Hütte 6“, sagt das Feuer-Mädchen grinsend. „Endlich passiert was! Mir war ja so langweilig. Willkommen, willkommen! Ich bin Hot Flare.“ Sie schwingt sich über das Verandageländer und kommt schlitternd vor mir zu einem Halt. Sie streckt mir die Hand hin.
Ach, Namen. Wobei ich zugeben muss, dass mir das mit den Namen leichter fällt, wenn ich wie jetzt verwandelt bin.
„Freut mich“, sage ich und schüttele ihre Hand. Ob sie es mir übelnehmen, wenn ich ihnen keinen Namen im Gegenzug anbiete?
„Oh, ich bin ja so gespannt, was für einen Namen du nachher bekommst“, sagt Hot Flare jedoch und zieht mich auf die Hütte zu. „Das ist immer spannend. Was kannst du denn? Meine Fähigkeit ist Feuer. Ist richtig bescheuert, dass dieses Jahr quasi alles aus Holz ist, da muss ich mich richtig zusammenreißen, nix abzufackeln. Vielleicht ist deshalb dieses Jahr Fountainjet in unserer Hütte, sie kann’s ja löschen, wenn was daneben geht. Wenn sie dann doch wenigstens nicht Knifequeen mitangeschleppt hätte! Aber keine Sorge, der wirst du nicht in die Hände fallen, dafür werden wir sorgen.“ Gerade würde ich gerne eher von Hot Flare wegrennen, sie ist mir zu stürmisch.
„Lass sie doch erst einmal ankommen“, unterbricht das andere Mädchen Hot Flare zum Glück. „Und du, lass dich von ihr hier bloß nicht einschüchtern. Sie redet viel und ist hyperaktiv, aber wir haben sie ganz gut unter Kontrolle.“
„Hey!“, protestiert Hot Flare und zieht eine Schnute.
„Ich bin Tamerclaw“, macht das andere Mädchen unbeirrt weiter und ich schüttele ihre Krallenhand.
„Freut mich“, sage ich wieder.
„Dein Zimmer ist jedenfalls oben rechts. Die Türklinke reagiert auf deine Hand, also kannst nur du sie öffnen, daher keine Sorge vor unbefugtem Eindringen. Dein eigenes Zimmer ist der einzige Ort, an dem du deinen Anzug ablegen darfst, draußen musst du anonym bleiben. Alles aus Sicherheitsgründen. Ach so, und im Bad natürlich, wenn du alleine bist.“
„Klar“, sage ich. „Vielen Dank.“
„Wenn du willst, zeigen wir dir nachher gerne das Gelände“, sagt Hot Flare grinsend. „Solange unsere Freunde noch nicht da sind, ist sowieso tote Hose.“
„Du lässt es klingen, als wären wir irgendwelche Unruhestifter oder so“, sagt Tamerclaw abschätzig.
„Quatsch“, sagt Hot Flare und winkt ab. „Aber es wird nie langweilig mit den anderen. Ich hoffe, sie lassen sich nicht zu viel Zeit. Also, bei Softhands …“
Ich habe mich an ihnen vorbeigeschoben und sehe mich im Haus um. Es gibt ein Wohnzimmer mit Fernseher, wow, ein Bad und zwei Zimmer. Im Obergeschoss finde ich ein weiteres Bad und drei Zimmer. In die anderen beiden komme ich nicht rein, aber das ganz rechts lässt sich öffnen, wie Tamerclaw gesagt hat.
Ich beziehe das Bett mit meinem Bettzeug und räume meine mitgebrachten Sachen in den Schrank. Das beinhaltet nur ganz wenig Kleidung, weil ich die meiste Zeit ohnehin in meinem Anzug unterwegs sein werde, da brauche ich nichts Externes. Nur ein paar Schlafanzüge, bequeme Sachen für seltene Gelegenheiten, Waschzeug, und dann hauptsächlich Privates. Meine Trainingshanteln, Bücher, ein leeres Notizbuch als Tagebuch, ein paar Spiele, die mein Vater mir wohl in die Tasche geschmuggelt hat. Ich werde sie wahrscheinlich nicht brauchen.
Dann habe ich nichts mehr zu tun und gehe nach unten. Hot Flare besteht darauf, mir das Gelände zu zeigen, und Tamerclaw kommt mit. Nicht so, wie ich es gewollt hätte, aber meine Eltern wären sicherlich glücklich. Sie würden sagen, dass ich doch sehr schnell Anschluss gefunden hätte, doch so optimistisch bin ich nicht. Eine Tour heißt noch gar nichts.
Die zwei zeigen mir den See und die Arena, die Trainingsgruben und den Großen Saal, den Fernsehraum und die Werkstätten. Obwohl das hier aussieht wie ein normales Jugend-Camp, haben die wirklich die volle Ausstattung.
Tamerclaw und Hot Flare kennen sich vom letzten Jahr, erzählen sie mir, aber viel mehr erfahre ich nicht. Hot Flare lässt sich lieber über die meisten anderen im Camp aus, sowohl Betreuer als auch andere angehende Helden, und beschwert sich vorrangig über Knifequeen, sodass es mir schwerfällt, einen neutralen Standpunkt zu wahren. Ich weiß gar nicht, wie man sich so sehr über eine Person aufregen kann, dafür muss man sich doch wahnsinnig für sie interessieren. Ist es also nicht ein Kompliment an Knifequeen, wenn sich Hot Flare so dermaßen mit ihr auseinandersetzt?
„Wollen wir uns ein bisschen Kuchen oder so holen gehen?“, fragt Tamerclaw, als Hot Flare gerade über die anscheinend dramatisch gewachsene Eichhörnchenpopulation auf dem Gelände schwadroniert. Wie auch immer sie zu dem Thema gekommen ist.
„Klar“, sagt Hot Flare und schlägt im Gehen ein Rad. „Ich habe Hunger.“
„Weil du viel zu viel Energie verbrennst, wenn du aktiv bist, wortwörtlich“, kommentiert Tamerclaw.
„Ist ja nicht meine Schuld“, sagt Hot Flare und lacht. „Was ist mit dir?“ Sie sieht mich an.
„Ich brauche nicht wirklich was“, sage ich.
„Oh, aber den Kuchen darfst du dir wirklich nicht entgehen lassen!“, ruft Hot Flare aus und wedelt mit den Armen. „Den die hier haben, der ist jeden Tag aufs Neue der Wahnsinn, versprochen! Wie verzaubert oder so.“
„Hot Flare ist der festen Überzeugung“, sagt Tamerclaw, während Hot Flare uns auf den Speisesaal zusteuert, „dass sie eine Superheldin haben, deren Kräfte das Kochen und Backen sind. Wir haben dafür aber bisher noch keine Bestätigung.“
„Na und?“, sagt Hot Flare und wirbelt durch einen doppelten Flick-Flack. Sie ist echt hyperaktiv. „Es macht trotzdem so den Eindruck. Dieses Jahr kriegen wir es bestimmt auch raus!“