Hallo zusammen,
ich habe den ersten Band meiner Romantasy Dilogie fertiggestellt und bin nun auf der Suche nach Testlesern.
Um folgendes geht es inhaltlich:
Ava ist gut in dem, was sie tut. Sie ist eine Waffe, die geschmiedet wurde, um zu töten. Doch ihr neuer Auftrag bringt sie in das Schloss von Elaria. Der Sohn des Königs ist ihr Ziel. Eigentlich kein Grund, sich Sorgen zu machen, aber je mehr sie Cedric kennenlernt, desto unsicherer wird sie, ob sie ihn wirklich töten kann. Ganz davon abgesehen, was Damon, der Schatten des Prinzen, für Gefühle in ihr auslöst. Wird sie es schaffen ihren Auftrag zu Ende zu bringen, oder stellt sie sich gegen alles, von dem sie dachte, dass es richtig sei?
Aktuell umfasst das Manuskript 425 Normseiten. Ich könnte es als PDF oder EPUB zur Verfügung stellen.
Ich hänge unten das erste Kapitel als Leseprobe an, damit man schauen kann, ob der Schreibstil einem liegt.
Von euerm Feedback würde ich mir folgendes erhoffen:
- Rückmeldung zum Inhalt der Geschichte, den Protagonisten und dem Spannungsbogen
- Gibt es Logikfehler oder Stellen, die nicht ganz klar sind?
- Wie gefällt euch der Schreibstil?
Hierfür würde ich euch einen Fragebogen an die Hand geben.
Falls ihr sonst noch Fragen habt, sagt gerne Bescheid.
Ansonsten vielen Dank schon mal vorab.
Leseprobe Verrat Kapitel 1
1
Ava
Schweiß lief mein Gesicht herab. Reagan machte es mir heute nicht leicht. Nicht nur, dass ich zum warm werden länger Seil sprang, als gewöhnlich, nein die Grundschritte kaute er mit mir heute bis zum Erbrechen durch.
„Vergiss nicht wieder dich schulterbreit hinzustellen!“, brüllte er mich an. „Der vordere Fuß zeigt zu deinem Gegner. Der hintere ist leicht nach außen gedreht. Geh, verdammt nochmal, leicht in die Knie. Dadurch kannst du schnellere Bewegungen ausführen. Wie oft soll ich dir das noch sagen?“
„Kommandier mich nicht rum, wie mein Vater. Du weißt ebenso gut, wie ich, dass meine Grundhaltung herausragend ist!“, schrie ich zurück und kontrollierte zeitgleich, ob er recht hatte. Füße und Knie waren genauso, wie sie sein sollten. Mein Oberkörper, aufrecht und entspannt, hielt ich leicht nach vorne geneigt, sodass ich mein Gewicht optimal verteilen konnte. Was wollte Reagan überhaupt von mir? Unschlüssig sah ich ihn an und stellte fest, dass er breit grinste: „Wollte nur sicher gehen, dass du dich nicht verunsichern lässt.“
„Dein Ernst? Mittlerweile solltest du wissen, dass mein Selbstbewusstsein nicht das ist, was Unterricht benötigt.“ Gellendes Gelächter drang durch den Trainingsraum. „Die Prinzessin von Darkmoor, wie sie leibt und lebt“, Reagan wischte sich seine Lachträne aus den Augen und verneigte sich dann vor mir.
„Hör auf damit. Ich will keine Prinzessin sein, sondern die beste Novizin, die Darkmoor je gesehen hat.“
„Glaube mir, dass wirst du. Da bin ich mir sicher.“
Glücklich über dieses Lob konzentrierte ich mich wieder auf das Trainingsschwert in meinen Händen. Mit einer richtigen Klinge erlaubte mir Reagan nicht zu trainieren. Zugegeben, ich hätte sie wahrscheinlich nicht halten können. Für mein Alter war ich ziemlich zierlich. Meine Muskeln befanden sich noch im Wachstum und ich durfte sie nicht zu viel trainieren, um eine Langzeitschädigung zu vermeiden.
Deshalb konzentrierte sich mein Lehrplan auf meine Ausdauer und darauf, die Grundtechniken, die ohne allzu große Muskelbeanspruchung auskamen, zu trainieren. Sobald ein Schwert in meiner Hand lag, fühlte es sich an wie eine Verlängerung meines Arms. Wurfmesser waren für mich keine Herausforderung mehr, nur der Umgang mit Pfeil und Bogen bereitete mir nach wie vor Schwierigkeiten. Meinen Armen fehlte die Kraft, um den Bogen auf Spannung zu bringen, weshalb ich mir immer wieder eine Predigt von Reagan anhören durfte. Doch wir arbeiteten an dem Problem und irgendwann würde ich das in den Griff kriegen. Aufgeben war keine Option. Das würde mein Vater niemals dulden.
Zwar konnte ich mich nicht daran erinnern, aber vermutlich hatte er mich noch an dem Tag, als ich die ersten Schritte in meinem Leben gemacht hatte, zum Training bei Reagan geschickt und das zahlte sich aus. Er war ein unerbittlicher Trainer und besonders zu Beginn überkam mich das Bedürfnis mich selbst zu töten, bevor ich eine weitere Stunde bei ihm absolvierte. Ich musste drei Jahre alt gewesen sein, da drückte er mir ein Schwert in die Hand. Er beschwor mich, die Holzklinge überall mit hinzunehmen und sie wie meinen eigenen Arm zu behandeln. Ich verstand nicht, wieso ich das tun sollte. Doch ich traute mich nicht seinen Befehl infrage zu stellen. Das hatte sich in den letzten drei Jahren schnell geändert. Mit seinem Training wuchsen nicht nur meine Fähigkeiten mit Klingenwaffen, sondern ich lernte mich selbst besser kennen und vertraute mehr darauf, was mein Körper mir sagte. Meditation und Ausdauereinheiten gehörten ebenso zu meiner Ausbildung wie die Klingen und Nahkampftrainings. Zwar hatte ich bis heute nicht den Hauch einer Chance gegen meinen Trainer, aber wenn man bedachte, dass ich erst sechs Jahre alt war, war es nicht weiter verwunderlich.
„Letzte Runde für heute“, sagte Reagan, schnappte sich ebenfalls ein Holzschwert und trat dann zu mir auf die Matte. Ohne zu zögern holte er mit der Klinge aus und hieb damit von oben auf mich herab. Mir blieben wenige Millisekunden, um meinen Arm hochzureißen und den Angriff zu parieren.
„Sehr gut“, rief mein Lehrmeister. „Jetzt du!“
Ohne zu zögern imitierte ich seinen Angriff und er wehrte den Hieb ebenfalls ab. Wir wiederholten diese Art des Trainings einige Zeit. Reagan machte eine Schlagkombination vor, die ich parieren musste, bevor ich sie wiederholte. Mit der Zeit wurde mein Arm immer schwerer, was Reagan nicht entging.
„Schluss für heute. Morgen steht Nahkampftraining auf dem Programm.“
Nicht erfreut über seine Worte, steckte ich das Schwert zurück an meine Seite. Das würde neue blaue Flecken bedeuten. Denn auf eines konnte man sich bei Reagan verlassen: Er hielt sich niemals zurück.
Durchgeschwitzt und vollkommen erschöpft trat ich hinaus in den dunklen Flur. Wenige Kerzen erhellten den Gang, der unterirdisch verlief. Reagan bevorzugte die Isolation für seine Trainingseinheiten. Abgeschirmt von jeglicher Ablenkung konnte man am besten trainieren. Das waren zumindest seine Worte.
Schwerfällig lief ich die Wendeltreppe am Ende des Gangs nach oben. Die Fackeln knisterten in ihren Haltern und als ich die untere Ebene meines Zuhauses erreichte, kniff ich unweigerlich die Augen zusammen. Draußen war bereits Mittag und die Sonne schien durch die Fenster auf mein Gesicht. „Viel zu hell“, grummelte ich.
Langsam gewöhnte ich mich an das grelle Licht und machte mich auf zu meinem Zimmer. Der kürzeste Weg führte über den Innenhof. Wie immer herrschte hier ein buntes Treiben. In der Mitte vom Hof hatte sich eine Gruppe von älteren Novizen versammelt. Sie lauschten den Worten von Grayson, Ausbilder für Tränke und Heilkunde. Am liebsten hielt er seinen Unterricht im Freien ab, mit der Nähe zur Natur, der er seine ganze Ausbildung gewidmet hatte. Bisher hatte ich nicht viele Stunden bei ihm gehabt, doch die Grundlagen der Heilkunst und einige wenige Gifte hatte er mich gelehrt.
Im Schatten des Südturms stand eine Gruppe von Kindern in meinem Alter zusammen und machte Späße. Schnell sahen sie in eine andere Richtung, sobald sie mich erblickten. Freunde in Darkmoor hatte ich nicht. Die Angst vor meinem Vater war zu groß. Zu meinem eigenen Schutz zeigte ich niemanden, wie sehr mich das verletzte. Um den Schmerz zu verdrängen lernte ich ein Mauer um mich herum aufzubauen und meine Gefühle darin einzuschließen. Wer brauchte schon Freunde?
Das Weinen eines Mädchens in der Nähe des groben Steintors erregte meine Aufmerksamkeit. Es war der einzige Zugang nach Darkmoor. Sie klammerte sich an den Arm eines etwas größeren Jungen, der neugierig seine Umgebung beobachtete. Begleitet wurden die beiden von Syna, unserer Questorin. Ihr kam die Aufgabe zu, neue Novizen ausfindig zu machen und sie nach Darkmoor zur Ausbildung zu bringen.
Die Augen des Mädchens richteten sich auf mich und sie betrachtete mich von oben bis unten. Ihre Augen wurden groß, sobald sie das Schwert an meiner Seite erblickte. Der Rest meiner Erscheinung musste ihr noch mehr Angst machen, denn sie drängte sich weiter hinter den Jungen. Kein Wunder, mein Haar war zerzaust, meine Kleidung hatte vom Training Risse und ich war vollkommen durchgeschwitzt. Schnell überquerte ich den Hof und betrat den Ostturm. Endlose Stufen führten mich hinauf. In der Vergangenheit hatte Reagan sie mich immer wieder hinauf und hinunter gejagt und auch jetzt kam es mir vor, wie eine weitere Trainingseinheit.
Oben angekommen, blieb mir nicht mehr viel Zeit. Glenn hasste Unpünktlichkeit. Hastig warf ich meine Kleidung ab. Sie landete auf dem Boden, wo sie mit Sicherheit einige Zeit liegen bleiben würde. Ordnung gehörte nicht zu meinen Stärken. Ich griff nach einer Karaffe auf dem Tisch neben mir und goss das Wasser in eine weiße Keramikschale. Danach tauchte ich einen Lappen hinein und wusch mich gründlich damit. Zum Glück hatten die Novizen, die diese Woche für die Unterkünfte zuständig waren, schon alles vorbereitet. Um frisches Wasser zu holen, wäre keine Zeit mehr gewesen.
Im Kleiderschrank befand sich ein ordentlich zusammengelegtes Set unserer Uniform, bestehend aus schwarzen, eng anliegenden Hosen und einer Tunika aus festem, dunkelgrünem Stoff, die bis zu den Knien reichte. Mit einem Kamm kämpfte ich mich durch mein langes und widerspenstiges Haar. Zu guter Letzt band ich alles zu einem hohen Zopf zusammen, wobei schwarze Strähnen sich immer wieder daraus lösten. „Scheiß drauf!“, murmelte ich und nahm die Lehrbücher und mein Schwert, bevor ich das Zimmer eilig verließ.
Nach Atem ringend schaffte ich es, auf die Minute pünktlich an Glenns Studierzimmer anzukommen. Normalerweise hielt er seinen Unterricht in einem der dafür vorgesehenen Räume ab, doch bei mir war das anders. Belial, mein Vater, war der Leiter dieser Schule und er wollte, dass ich die beste Ausbildung bekam, die Darkmoor zu bieten hatte. Und das bedeutete Einzelunterricht. Kein Wunder, dass mich die anderen Kinder mieden.
Wie immer war es schwül und stickig in Glenns Zimmer. Er kauerte auf einem gemütlich aussehenden Sofa im hinteren Teil des Raums. Ein Feuer prasselte im Kamin und die dunklen, schweren Vorhänge waren vor die Fenster gezogen. Glenn hatte die Abgeschiedenheit schon immer bevorzugt. Er verließ sein Zimmer nur, wenn es unbedingt sein musste. In Darkmoor blieb er nur, weil er sich Vater gegenüber schuldig führte. Er hatte ihm einst das Leben gerettet und somit wollte er ihm seinen Dank ausdrücken.
Bücherregale um Bücherregale säumten sich an den Wänden. In der Anordnung der Bücher sah ich keinen Sinn, aber ich war mir sicher, dass Glenn jedes Buch hier drinnen innerhalb von Sekunden finden würde.
„Geh dort rüber zum Brett und male mir die Karte von Elaria auf. Jede Stadt und jedes Dorf. Inklusive Geländebeschaffenheit und Höhenpunkten, sowie Wäldern und Gewässern.“
Glenn war nie ein Mann der vielen Worte gewesen, so wunderte mich seine Begrüßung nicht weiter. Aber wie zur Hölle stellte er sich vor, dass ich mal eben die Karte unseres Landes nachmalte? Ganz davon abgesehen, wie schlecht ich im Zeichnen war.
Ärgerlich griff ich nach dem Stift, der neben dem weißen Blatt lag und begann zu malen. Zunächst den Elder River, der unser Land in West und Ostbereiche trennte. In der Mitte traf der Fluss auf unsere Hauptstadt, die in diesem Gewässer erbaut wurde. Eine erstaunliche Leistung, die ich bislang nur leider nicht persönlich in Augenschein nehmen konnte. Vater verbot mir jeden Abstecher nach Whitehall. In andere Städte und Dörfer hatte er mich bereits mitgenommen, nur dorthin durfte ich ihn nie begleiten.
Darkmoor befand sich auf der Ostseite des Landes, ganz im Süden. Umgeben vom Moor waren wir sicher vor unerwünschten Besuch.
Das Moor wurde im Westen vom Elder River begrenzt und im Süden vom Achat Meer. Früher musste Darkmoor ein Grenzposten gewesen sein, bevor diese Ländereien aufgegeben wurden. Denn im Osten lag die Grenze zu unserem Nachbarland Tereven. Das Moor ging bis über sie hinaus und traf dort auf kilometerweites Brachland. Der Boden war nicht nahrhaft und auch sonst gab es keine Gründe, dort zu siedeln. Deshalb taten es unsere Nachbarn nicht. Obwohl unser Land im Frieden mit ihnen lag, wusste man nie, was die Zukunft bringen würde.
Akribisch arbeitete ich weiter an dieser Karte. Versuchte nichts auszulassen, was ich in all der Zeit bei Glenn gelernt hatte. Selbst die drei Brücken, die einzigen Möglichkeiten im Land, den Fluss zu überqueren, zeichnete ich ein. Elaria war bekannt als Handelsstadt, die ihre Waren zu den nahen und entfernteren Inseln im Westen brachte. Zu verdanken war dies dem Achat Meer, das unser Land zum größten Teil umschlang. Lediglich die Magheran Gebirgskette im Norden, die sich bis auf die Hälfte der Grenze zu Tereven erstreckte, und die restliche Grenze im Osten lagen nicht am offenen Wasser.
Der Elder River fand seinen Ursprung in eben diesem Gebirge.
Einigermaßen zufrieden zeichnete ich am Ende die größeren Wälder, kleineren Flüsse und mehr oder weniger relevanten Gebirgszüge ein. Dann trat ich einen Schritt zurück und betrachtete mein Werk. Jedes Baby hätte das zeichnerisch besser hinbekommen. Das war mir klar.
Ein Schnauben ertönte hinter mir. „Für diese Kritzelei hast du eine Strafarbeit verdient!“
Glenn stand auf und studierte die Karte bis ins kleinste Detail.
„Du kannst von Glück sagen, dass sie inhaltlich zu fast 90% zufriedenstellend ist und dein Vater wenig Wert darauflegt, dass du künstlerische Talente entwickelst.“
Das war so nah an einem Kompliment, dass ich erst dachte ich hätte mich verhört. Mein Grinsen auf dem Gesicht schien mich zu verraten, denn schon in der nächsten Sekunde holte Glenn mich zurück auf den Boden der Tatsachen.
„Nur, weil du dir endlich merken konntest, wo Osten und Westen liegen brauchst du nicht so dämlich zu grinsen. Setz dich! Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“
Ich nickte stumm und setzte mich schnell ihm gegenüber auf einen Hocker.
„Dann schieß los!“ Die letzte Nacht hatte ich mir selbst eingetrichtert, wie unser Reich entstanden war. Nüchtern betrachtet gab es Elaria nicht allzu lange. Vor sechshundert Jahren gab es einen alles entscheidenden Krieg zwischen dem Land östlich des Flusses und dem westlich davon. Das war nicht der erste Krieg zwischen diesen beiden Ländern. Dem einen ging es darum, die Handelsrouten auf dem Wasser nach dem Sieg übernehmen zu können, und die andere Seite wollte den nordöstlichen Teil des Magheran Gebirges. Dort wurden wertvolle Erze abgebaut, mit denen man seinen Reichtum mehren wollte. Doch erst unter Führung von General Vaelgrim konnte die westliche Armee ihren Gegner bezwingen. Daraufhin entschied man sich genau im Landesinneren, auf dem Elder River, Whitehall zu erbauen. Die neue Hauptstadt. So wurden beide Länder vereint. Die damalige Herrscherfamilie des Westens übernahm die Führung. Die Königsfamilie des Ostens wurde meines Wissens nach hingerichtet und ihre Blutlinie ausgerottet. Verständlich, wenn man sichergehen wollte, dass niemand sonst außer man selbst Anspruch auf den Thron erheben konnte.
Jahrhunderte später konnte man sich kaum daran erinnern, dass Elaria aus zwei grundverschiedenen Ländern entstanden war, und trotzdem war es meinem Vater wichtig, dass ich dies niemals vergaß.
Meinen Gedankengang wiederholte ich für Glenn und er schien ein weiteres Mal zufrieden mit mir zu sein.
„Zur Abwechslung hast du anscheinend wirklich mal das getan, was ich dir aufgetragen habe.“
Die Zeiten, in denen ich das nicht tat, lagen schon lange zurück. Ich lernte aus meinen Fehlern. Für jede Frage, die ich Glenn in der Vergangenheit nicht beantworten konnte, gab es einen Hieb auf meinen Rücken. Zwar war er nicht allzu fest und ich war mir sicher, hätte mein Vater die Rute in der Hand gehabt, wäre ich nicht so glimpflich davongekommen, aber es tat trotzdem höllisch weh. Schnell hatte ich mir eingestanden, dass ich dem nur entgehen konnte, wenn ich machte, was Glenn mir sagte und ich fügte mich.
Zumal mir der Unterricht bei ihm Spaß breitete, sofern es nur um die reinen Fakten ging und nicht um Glenn selbst.
„Bis zu unserer nächsten Stunde in drei Tagen wirst du eine Abhandlung über den großen Krieg von vor sechshundert Jahren schreiben. Mit Schwerpunkt auf die Strategiepläne von General Vaelgrim. Zehn Seiten sollten genügen.“ Innerlich stöhnte ich auf, traute mich aber nicht, das offen zu zeigen.
Froh, die stickige Luft hinter mir zu lassen, ging ich hinaus und machte mich auf den Weg in die Aschenhalle. Hier trafen sich alle Schüler Darkmoors, um gemeinsam zu speisen. Den Namen erhielt sie nach einem Brand des kompletten Komplexes, bei dem unzählige Menschen in eben jener Halle, ihr Leben verloren. Zurück blieb nur ihre Asche.
Der Saal war gut gefüllt. Der Raum hatte die Form eines Kreises. Wie immer wanderte mein Blick zuerst an die Decke, wo die gläserne Kuppel eine wunderschöne Sicht auf die draußen herrschende Dunkelheit bot. Vereinzelt waren Sterne am Himmel zu erkennen, die unterschiedlich stark leuchteten.
An der Essensausgabe schnappte ich mir eines der Tabletts und schaufelte das Essen auf meinen Teller. Heute gab es Bohneneintopf, igitt. Die Küche war schon mal einfallsreicher gewesen. Doch mein Magen grummelte so laut, dass ich eine ordentliche Portion auf meinen Teller warf.
Aus dem Brotkorb nahm ich mir zwei Scheiben und ging dann hinüber zu meinem Stammplatz. Einer der runden Tische, der hinten in der Ecke stand. Keiner der anderen Novizen setzte sich je an diesen Tisch und so genoss ich bei jedem Essen meine Ruhe. Auch wenn mir klar war, dass meine Mitschüler mir immer wieder verstohlene Blicke zuwarfen und über mich tuschelten.
Heute sollte es anders sein. Gerade schlang ich einen besonders großen Löffel Eintopf hinunter, da erklang eine ruhige Stimme neben mir: „Dürfen wir uns setzen?“ Verwundert sah ich auf und erkannte die beiden Kinder, die heute in Darkmoor eingetroffen waren. Das Mädchen stand wieder hinter dem Jungen und wirkte genauso verängstigt wie am Vormittag.
„Ist sonst nichts frei?“, fragte ich mürrisch und sah mich um. Mir gefiel meine Ruhe, und ich war nicht bereit, sie aufzugeben. Doch zu meiner Enttäuschung hatten sich heute anscheinend alle Bewohner der Burg zeitgleich zum Essen eingefunden. Bis auf einzelne Plätze waren sämtliche Stühle an den fünfundzwanzig Tischen besetzt, und das, obwohl zehn Personen an ihnen ohne Probleme sitzen konnten.
„Na schön“, sagte ich und wandte mich dann wieder demonstrativ meinem Essen zu. Die beiden setzten sich mir gegenüber und zu meiner großen Freude aßen sie still und schweigsam. Aus dem Augenwinkel musterte ich zunächst das Mädchen. Sie musste in meinem Alter sein, war aber ein gutes Stück kleiner und sogar noch zierlicher. Rote Locken umrahmten das liebliche Gesicht. Bei ihrem Anblick war mir sofort klar, dass sie hier fehl am Platz war. Ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder. Einen Kopf größer und bereits jetzt schon muskulös, wich er keinen Zentimeter von ihrer Seite. Seine braunen Haare fielen schulterlang hinab und hatten nur einen Schimmer ihres Rots. Jetzt wo ich sie genauer beobachtete, erkannte ich es. Die ähnlichen Gesichtszüge, der volle Mund und das braun ihrer beiden Augen. Wieso war ich nicht eher darauf gekommen? Die beiden waren Geschwister. Wobei der Junge mit Sicherheit der ältere war. Schätzungsweise zwei Jahre.
Wieso auch immer wallte ein Beschützerinstinkt in mir auf und ich machte mir Sorgen um das Mädchen. Der Junge würde hier gut alleine klarkommen. Bei ihr war ich mir da alles andere als sicher.
„Du solltest aufhören so offensichtlich zu zeigen, wie viel Angst dir dieser Ort macht“, sagte ich und sah auf. Der Blick, des Mädchens traf meinen und Verwunderung spiegelte sich darin wieder. „In Darkmoor ist Schwäche nicht gern gesehen. Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder und reiß dich zusammen.“
Nun riss sie ihre Augen auf: „Woher weißt du…“, begann sie, doch ich war bereits aufgestanden und brachte mein Tablett zur Ausgabe zurück. Ich spürte zwei Augenpaare auf meinem Rücken und ich wusste genau, wem diese gehörten.
Die nächsten zwei Wochen nahm ich meine Mahlzeiten mit ihnen gemeinsam ein und ich musste mir eingestehen, dass ich das sogar nett fand. Zwar schwiegen wir, doch bei jedem Essen war ich mir sicher, dass sie mir tausend Fragen an den Kopf werfen wollte, die sie sich nur nicht traute zu stellen. Der Junge hingegen tat so, als würde es mich gar nicht geben.
Am Abend des darauffolgenden Tages betrat ich verspätet die Aschenhalle. Normalerweise müsste das Essen bereits voll im Gange sein, doch im Saal herrschte eine beunruhigende Stille. Es dauerte nicht lange, um herauszufinden, woran das lag. An meinem Tisch saß das Mädchen, vor sich das volle Tablett, und zitterte am ganzen Körper. Neben sich, auf der Tischplatte sitzend sah ich einen Jungen. Von ihrem Bruder war weit und breit nichts zu sehen. Der Junge kam mir wage bekannt vor. Bisher hatte ich ein oder zwei Zwischenfälle mit anderen Novizen mitbekommen, in denen er verwickelt war. Ansonsten ignorierte ich die anderen und ihre Spielchen gekonnt. Doch bei dem, was ich jetzt sah, stieg Wut in mir auf. Der Junge hieß Ren, wenn ich mich nicht täuschte. Er griff nach dem Löffel, der auf dem Tablett lag und tunkte ihn in die Soße. In aller Seelenruhe kippte er ihn anschließend auf die rötlichen Locken. Das Mädchen zitterte noch mehr und begann laut zu schluchzen. Doch sie ließ es einfach über sich ergehen, ohne sich zu wehren. Wie konnte man nur so verletzlich sein? Wütend wegen Ren, aber auch wegen dem Verhalten des Mädchens, ging ich zu beiden hinüber.
„Vielleicht nimmst du es lieber mit jemanden auf, der dir gewachsen ist. Es ist ziemlich feige sich ein Opfer zu suchen, dass dir nichts entgegensetzen kann.“
Ren fuhr zu mir herum. Seine dunklen Augen fixierten mich: „Misch dich nicht ein, Sonderling.“
Ich musste unwillkürlich lachen. Hatte er mich eben Sonderling genannt?!
„Etwas Besseres ist dir auf die Schnelle nicht eingefallen?“
„Hau endlich ab und kümmere dich, um deine eigenen Angelegenheiten“, und dann beging er einen Fehler, der uns den Rest unseres Lebens zu Erzfeinden machen würde. Er drehte mir den Rücken zu. Zornig wegen dieser Dreistigkeit griff ich nach einem vollen Becher, der auf einem der Tische neben mir stand und warf ihn mit voller Wucht gegen seinen Hinterkopf. Wasser flog in alle Richtungen und ein lautes Klong ertönte, als der Becher sein Ziel fand. Wie ein Pfeil drehte Ren sich wieder zu mir um.
„Was fällt dir ein? Du hättest besser auf mich hören sollen und dich weiter aus allem raushalten. Das wirst du noch bereuen!“ Vor Wut bebend rannte er auf mich zu. Ohne Anstrengung wich ich zur Seite und sein Faustschlag ging ins Leere. Er taumelte, schaffte es aber im letzten Moment sich wieder zu fangen. Noch wütender drehte er sich zu mir um und versuchte mich mit unterschiedlichen Schlagkombinationen zu treffen. Jedem Einzelnen wich ich aus und kam dabei nicht mal außer Atem. Bisher hatte ich ausschließlich mit Reagan trainiert, doch mir wurde in diesem Moment bewusst, wie gut dieses Training war. Zumindest im Vergleich zu dem, was Ren hier ablieferte. Er war etwas älter als ich aber auch schon einige Jahre hier in Darkmoor. Seine Ausbildung sollte meiner Meinung nach deutlich weiter vorangeschritten sein.
„Hör endlich auf damit vor mir wegzurennen“, stöhnte er und ließ die Arme hängen. Der Atem ging ihm langsam aus.
„Du glaubst ernsthaft ich laufe weg?“, und schon im nächsten Augenblick tat ich das genaue Gegenteil. Blitzschnell machte ich einen Ausfallschritt nach links und täuschte einen Schlag vor. Ren riss, wie zu erwarten, die Arme hoch, doch genau in diesem Moment ging ich in die Hocke, streckte ein Bein nach ihm aus und brachte ihn zu Fall. Schon im nächsten Moment saß ich rittlings auf seiner Brust und hielt ihm eines meiner versteckten Messer an die Kehle.
„Du wärst innerhalb von fünf Sekunden tot, wenn ich es nur wollte.“
Zorn flackerte in seinen Augen auf und er versuchte sich unter mir zu befreien. Ein kleines Blutrinnsal trat an seinem Hals hervor.
„Verdammt“, fluchte er.
Langsam erhob ich mich. Das sollte Lektion genug für ihn sein. Mein Blick traf den des Mädchens, doch auf einmal lag ich keuchend auf dem Boden und mein Messer fiel mir aus der Hand. Es schlidderte einige Meter weg. Ich hatte mich ablenken lassen und das hatte Ren ausgenutzt. Natürlich war er nicht liegen geblieben, obwohl er fair verloren hatte. Mit beiden Beinen hatte er mir gegen den Brustkorb getreten und ich war hintenübergefallen. Das kam unerwartet. Sollte Reagan mich eben gesehen haben, würde das Ärger bedeuten.
Gerade rechtzeitig sah ich, wie seine Faust von oben auf mein Gesicht herabfuhr. In letzter Sekunde riss ich meine Arme, zu einem Kreuz zusammen und blockte den Schlag. Ich überlegte nicht lange, riss meine Knie hoch und rammte sie so Ren in den Magen. Er stöhnte auf und fiel zur Seite, wo er gekrümmt liegen blieb. Ich rappelte mich hoch, rang dabei immer noch nach Atmen. Ren hatte sich wieder gefangen und stand aufrecht mir gegenüber.
Ernsthaft verletzten wollte ich ihn nicht, weshalb ich das Holzschwert an meiner Seite herauszog. Einige blaue Flecke damit, würden schon nicht schaden. Rens Augen fuhren zu engen Schlitzen zusammen.
„Das ist unfair“, sagte er.
„Sag das ruhig einem richtigen Gegner, sobald er dir gegenübersteht. Mit Sicherheit wartet er gerne darauf, bis du dir eine ebenbürtige Waffe gesucht hast.“ Ich lachte und sah dabei zu, wie sein Gesicht puterrot anlief. „Miststück“, zischte er.
Mein Grinsen wurde breiter. „Möchtest du jetzt aufgeben oder erst, wenn ich dich hiermit ordentlich verprügelt habe?“ Ich wedelte mit meinem Schwert umher. Sein Gesicht war kurz vorm Explodieren.
„Schluss jetzt!“, rief da jemand hinter mir. Oh nein, diese Stimme kannte ich und mit Sicherheit hatte er alles mitangesehen. „Novizin Ava, sofort in dein Zimmer. Wir reden morgen früh beim Training über dein Verhalten.“
„Ich habe noch nichts gegessen!“, protestierte ich, sank aber sofort in mich zusammen, sobald ich Reagan in die Augen sah. So hatte er mich noch nie angesehen. Ohne weiter zu meckern, lief ich rasch an ihm vorbei. Mein Messer sammelte ich dabei schnell ein. Im Hintergrund hörte ich, wie er Ren zu sich rief. In seiner Haut wollte ich ebenfalls nicht stecken.
Ich trat gerade aus der Halle hinaus, da kam mir der Bruder des Mädchens entgegen.
„Du solltest nach deiner Schwester sehen.“
Er sah mir hinterher, bevor er seine Schritte beschleunigte und in der Halle verschwand. Hoffentlich konnte er sie beruhigen.
Der nächste Morgen kam schnell und mit einem mulmigen Gefühl im Magen stieg ich hinab in die Kellergewölbe. Schon von Weitem schallten zwei Stimmen durch den Korridor. Zwar konnte ich nicht verstehen, was sie sprachen, aber es musste sich um Reagan und meinen Vater Belial handeln. Je näher ich kam, desto sicherer war ich, dass sie miteinander stritten.
Mein Gang wurde federnder und ich versuchte so wenig Geräusche, wie möglich zu machen. „…Ava…“, das war mein Name gewesen, da war ich mir sicher. Sprachen sie etwa über mich? Jetzt war meine Neugier erst recht geweckt.
Mittlerweile war ich der Tür zum Trainingsraum so nah, dass ich verstand, was die beiden sagten.
„Letztendlich war sie die Überlegenere, richtig?“ In der Stimme meines Vaters schwang Wut mit. Es gab nur wenige Leute, die sich trauten, den Zorn Belials auf sich zu ziehen.
„Vermutlich wäre sie es gewesen. Ich habe den Kampf unterbrochen, bevor er zu Ende war.“
„Wo liegt dann das Problem, Reagan?“
„Ava war zu überheblich. Sie hatte ihren Gegner bereits am Boden und war sich des Sieges gewiss. Aber anstatt weiter aufmerksam zu bleiben wurde sie unachtsam und wurde überwältigt. Du weißt genauso gut wie ich, dass deine Tochter zur Selbstüberschätzung neigt. Ich habe versucht ihr zu verstehen zu geben, dass das irgendwann tödlich für sie sein wird. Hätte sie sich gestern zu 100% vergewissert, dass ihr Gegner unschädlich gemacht wurde, anstatt sich einfach darauf zu verlassen, dann würden wir hier nicht stehen. Aber so denke ich, dass es das Beste ist, wenn Ava endlich mit den anderen Novizen gemeinsam trainiert. Das hätten wir schon viel eher machen sollen. Nicht nur, dass sich ihre Kampffähigkeiten noch mehr verbessern würden, nein sie muss lernen anderen zu vertrauen. Und umgekehrt müssen die restlichen Novizen eine Chance haben, Ava kennenzulernen. Bei späteren Aufträgen wird es immer mal vorkommen, dass man nicht alleine entsandt wird. Sollte Ava bis dahin nicht gelernt haben, wie man Beziehungen untereinander pflegt und führt, wird sie ziemlich schnell scheitern.“
Dachte Reagan wirklich von mir, dass ich sozial inkompetent war? Alle mieden mich hier, mein Vater sorgte dafür, dass ich keine freie Minute am Tag hatte und nur mit dem Training und der Lernerei beschäftigt war. Sie hatten mir nicht einmal die Möglichkeit gegeben, ihnen das Gegenteil zu beweisen. Wobei ich mir eingestehen musste, dass ich keinen Wert auf Gesellschaft legte und dem sogar aus dem Weg gegangen war. Vielleicht hatte Reagan doch recht.
„Hör auf zu lauschen und tritt ein!“
Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken hinab. Mir war bewusst, wie sehr mein Vater es hasste, wenn er belauscht wurde und jetzt hatte er mich dabei erwischt. Das könnte unschön werden.
„Es tut mir leid“, sagte ich schnell und trat durch die Tür zu den beiden, die mich erwartungsvoll anschauten. „Ich wollte nicht lauschen. Meine Stunde mit Reagan beginnt gleich und je näher ich kam, desto besser konnte ich euch verstehen…“
„Hör auf mit diesen Ausflüchten, Ava!“, brüllte mein Vater mich an. „Steh zu dem was du tust und rechtfertige dich nie dafür.“
„Verstanden“, nuschelte ich kleinlaut.
„Deine Lauscherei wird allerdings Konsequenzen haben. Du wirst heute Abend in mein Büro kommen.“
Mein Herz zog sich zusammen und Angst kroch meine Glieder hinauf.
„Ich bin mir sicher, Ava wäre jede Sekunde zu uns gekommen. Miss dem Ganzen nicht mehr bei, als notwendig. Immerhin ging es bei dem Gespräch auch um sie.“
Reagan versuchte mich in Schutz zu nehmen, vergebens. Die Narben auf meinem Rücken verrieten, dass mein Vater mich nie ungestraft davonkommen lassen würde. Er ignorierte meinen Lehrer und sprach mit ruhigerer Stimme weiter: „Was sagst du zu dem Vorschlag mit den anderen Novizen trainieren zu dürfen?“
Unsicher, ob dies eine Fangfrage war, wägte ich gut ab, was ich jetzt sagen würde. „Ich denke nicht, dass ich von den anderen viel lernen werde. Dennoch hat Reagan vermutlich recht, dass ich in Zukunft einige Aufträge mit ihnen gemeinsam ausführen muss. Da wäre es nicht verkehrt, wenn sie mir nicht völlig fremd wären.“ Hoffentlich war dies genau das Richtige, was mein Vater hören wollte. Zu meiner eigenen Verblüffung freute mich der Gedanke, nicht mehr nur alleine zu sein.
„Na schön. Wir werden es ausprobieren. Aber sollten Glenn, Reagan oder ich feststellen müssen, dass deine Leistungen darunter leiden, dann beenden wir das sofort wieder.“
„Bedeutet das, dass ich neben meinem jetzigen Stundenplan noch die anderen Stunden zusätzlich absolvieren muss?“
Ein Grinsen schlich sich auf das Gesicht meines Vaters.
„Ganz genau. Hast du etwas einzuwenden?“
„Nein, natürlich nicht.“ Wie sollte ich das nur bewerkstelligen?