Taktik bei der Verlagssuche

Hallo liebe Autoren-Kollegen und -Kolleginnen,

ich bin gerade auf Verlagssuche und natürlich frustriert.

Meine ersten beiden Bücher (Roman und Kurzgeschichtenband) hatte ich bei einem kleinen lokalen Verlag veröffentlicht. Nachteil: Er druckt mit BoD. Sie waren zwar finanziell nicht so mega erfolgreich, doch wenigstens konnte ich ein paar Preisnominierungen auf meinem Erfolgskonto verbuchen.

Für meinen nun fertigen zweiten Roman hatte ich mir zum Ziel gesetzt einen etwas bekannteren Verlag zu finden. Doch ich bin taktisch total ungeschickt. Zuerst habe ich es bei einer Agentur versucht und nach der ersten Absage mich entschlossen, es doch wieder gleich bei den Verlagen zu versuchen. Okay, da habe ich möglicherweise zu früh die Flinte ins Korn geworfen.

Ich habe also das Exposé nebst Leseprobe am Jahresanfang an vier Verlage geschickt. Leider bekam ich keine Antwort. Auf den Webseiten steht ja jetzt auch immer, dass sie keine Absagen verschicken. Das finde ich schon recht unfair den Autoren gegenüber. Man soll auch von schriftlichen oder telefonischen Nachfragen Abstand halten.

Wie macht ihr das denn? Meint ihr, man kann da nach zwei Monaten doch mal nachhaken? Irgendwie will man schließlich wissen, ob das Manuskript in der Ablage P gelandet ist oder irgendwo noch auf einem ungelesenen Stapel liegt.

Und eine weitere Frage: Da ich ja nun dummerweise das Manuskript schon vier Verlagen angeboten habe, ist es da noch möglich, sich damit bei anderen Agenturen zu bewerben? Hat man da überhaupt noch Chancen, genommen zu werden? Schließlich wollen die immer wissen, wo man es angeboten hat. Andere Agenturen kann man ja verheimlichen, doch Verlage natürlich nicht.

Tja, schreiben macht Spaß, doch was danach kommt, ist anstrengend.

Danke für taktische Tipps

Jacqueline

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Liebe Jaqueline,

das ist die Frage aller Fragen: Wie komme ich an einen (großen) Publikumsverlag.

Kapitel 1: Ist mein Buch wirklich verkäuflich?

Zuerst würde ich mich sehr kritisch hinterfragen: Habe ich ein Produkt (mein Buch), das in ein Genre passt, das PVe suchen?

Dann würde ich mich noch kritischer Fragen: Genügt es den Ansprüchen, die entgegen landläufiger Meinung, bei PVn recht hoch sind?

Ist mein Buch sprachlich so, dass es mit den Profis der Branche mithalten kann? Ist meine Geschichte stark genug? Besitzt es Fallhöhe, Konflikte und Wendepunkte? Hat meine Hauptfigur Identifikationspotential? Ist meine Story glaubwürdig? Ist mein Buch mehr als eine Sammlung von Klischees oder noch schlimmer ein “Seelenbuch”, in dem ich mir meine Probleme von der Seele schreibe?

Kurz und gut: beherrsche ich das Schreihandwerk aus dem FF?

Publikumsverlage suchen immer nach verkaufbaren Büchern, neuen interessannten Autorinnen und Autoren. Meine Erfahrung ist: Wenn ich ein gutes Projekt habe, kann ich es verkaufen. Kann ich es nicht verkaufen, hatte ich kein gutes (verkäufliches) Projekt.

Kapitel 2: Was müssen Agenten und Verlage über sich ergehen lassen?

Agenten und Verlage erhalten im Jahr im Schnitt (jeweils) 1000 bis 3000 unverlangt eingesandte Manuskripte. Eine Lektorin schlägt sich mit Bergen von seltsamen Ergüssen herum.

Etwa 1 unverlangt eingesandtes Manuskript von tausend schafft den Weg in den Verlag, und nicht als Spitzentitel, das schaffen wiederum nur die Wenigsten der Wenigen.

Dein Exposee muss also richtig gut sein, muss die Lektoren oder Agenten vom Hocker reißen. Ehrlich: Die haben schon so gut wie alles gelesen …

P.S. Verlage wollen Geld verdienen und Agenten auch. Da Agenten auf Provisionsbasis arbeiten (wer das nicht macht, ist unseriös, Finger weg), wollen die natürlich nur Projekte vermitteln, bei denen auch was verdient wird. Agenten bekommen i.d.R. 15% von allem, was ein Projekt einspielt. Deswegen vermitteln gut Agenten auch nicht an kleine Verlage, weil da nicht viel zu holen ist.

Kapitel 3: Geduld und nochmal Geduld

Du bist von deinem Buch überzeugt, du weißt, dass dein Exposee das Beste vom Besten ist, das du liefern kannst, hast es von ECHTEN kritischen Lesern lesen lassen, hast es zwanzigmal oder fünfzigmal überarbeitet, bis du es fast auswendig kanntest und es immer noch gut findest.

Du schickst es an eine Agentur. Du wirst abgelehnt. Das passiert die bei fünfzig oder mehr Agenturen. (Ich glaube es gibt z.Z. etwa 50 seriöse Lit.Agenturen in Deutschland. Dabei sit die Größe der Agenturen nicht entscheidend für den Erfolg. Auch Ein-Personen-Agenturen arbeiten sehr effektiv!!)

Wenn du Glück hast, bekommst du von den Agenturen Feedback - das ist unbezahlbares Insiderwissen. Auch wenn es zwickt und du wütend wirst: Hör drauf, nimm es ernst. Die haben es nicht nötig, dich zu dissen.

Keine Agentur will dein Projekt vertreten, so weit so schlecht. Das wäre für mich der Punkt, an dem ich sagen würde: Okay, das war nix, auf zum nächsten Projekt.

Du kannst dann noch die Verlagsrunde machen, aber die Chancen bei einem PV angenommen zu werden stehen schlecht, wenn alle Agenten dich abgelehnt haben.

Die gute Nachricht: Wenn du ein **neues **Projekt hast, kannst du alle Agenten und alle Verlage nochmal anschreiben - denn jedes Projekt ist anders, du bist nicht “verbrannt”, nur weil du mal abgelehnt warst.

Es kann sein, dass erst dein zehntes Projekt eine Verlagsheimat findet. Wenn du aber mal in einem großen PV bist, hast du gute Chancen auch drin zu bleiben, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.

Und die Projekte, die kein Verlag will, die kannst du ja immer noch selbst unter die Leute bringen. SP war noch nie einfacher als heute, und die Chancen damit erfolgreich zu sein, stehen besser, als ein Jackpot im Lotto.

So weit in aller Kürze.

Ich wünsche dir viel Erfolg und viel Kraft

LG

Martin

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Lieber Martin,

vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort. Das meiste davon ist mir natürlich bekannt. Aber schön zu wissen, dass “Neues Projekt = Neues Glück” auch bei Agenturen heißt. Bei 50 Agenturen, kann ich also noch 49 Mal hoffen. :wink:

Ich finde es nur irgendwie unbefriedigend, dass man als Autor nicht mal mehr eine Absage bekommt und somit Monate lang in der Schwebe hängt.

LG

Jacqueline

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Meiner Kenntnis nach hängt man leider auch bei Erfolg Monate und wartet … Die Verlage lassen sich auch dann, wenn sie einen nehmen, gut Zeit.

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Nach dem, was ich schon so alles erlebt habe, muss ich Dir leider widersprechen. Meine Erfahrung ist: Kann ich es nicht verkaufen, dann bin ich in erster Linie ein schlechter Verkäufer. Dann nützt es regelmäßig nämlich auch nichts, wenn das Projekt noch so gut ist.

Umgekehrt kann das Projekt noch so unnütz sein - bin ich ein guter Verkäufer, kann ich damit vieles rausreißen. Das klappt sogar bei der industriellen Großserienfertigung.

Gerade letzte Woche wieder so einen Fall gehabt. Ich zu unserem IT’ler: „Ich brauche ein paar RS 232-Kabel“.

IT’ler: „Welche Anschlüsse sollen die Kabel haben? Stecker auf Stecker? Buchse auf Buchse? Stecker auf Buchse?“

Ich: „Mmh. Müsste ich nachschauen gehen.“

IT’ler: „Lass gut sein. Ich bestelle ein paar Gender Changer mit. Dann kann man es immer passend machen.“

Bestellt hat er dann Folgendes: Einen Gender Changer, der auf der einen Seite einen Stecker und auf der anderen eine Buchse hat. :laughing:

Naja, als 0,5cm-langes Verlängerungskabel wäre der immerhin nutzbar…

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Vier Wochen würde ich so einer Sache geben, danach kann man anrufen, denke ich.

Ja, aber fairerweise solltest Du dann von vornherein klar machen, wo Du bereits angeboten hast. Die Zusammenarbeit mit einem Agenten basiert auf gegenseitigem Vertrauen, und dazu gehört Ehrlichkeit.

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Was fängt ein Agent eigentlich mit dieser Information an?

Ich nehme mal an, dass, ähnlich wie bei der Musikindustrie, bei einem Verlag nicht jedes eingesandte Manuskript gelesen wird. Das meiste dürfte ungesehen in der Rundablage landen. (Anders kann ich es mir bei der Menge an Manuskripten auch ehrlich gesagt nicht vorstellen.)

Wenn dem so ist, wäre es natürlich kontraproduktiv, sein Buch einem Verlag direkt anzubieten, bevor man alle Agenten abgeklappert hat.

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Genau das meine ich ja mit der Taktik.

Also ich entnehme dem Ganzen mal, dass es heutzutage ohne Agent eher sinnlos ist, sich bei den Verlagen zu bewerben. Dann war es natürlich ziemlich dämlich von mir das zu tun. Aber ich versuche es einfach mal weiter bei den Agenturen.

Ja, das werde ich auf jeden Fall machen. Schließlich sind diese Verlage beim weiteren Vorgehen der Agentur dann tabu.

Danke für eure Infos

Jacqueline

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Damit mich niemand falsch versteht: Bei einer Agentur zu sein, heißt NICHT automatisch auch einen Verlag zu finden. Nur die Wahrscheinlichkeit einen Verlag zu finden, wenn alle Agenturen abgewunken haben, ist rech gering. Oft nehmen Agenturen bereits veröffentlichte Autorinnen oder Autoren, damit das Risiko geringer ist.

LG

Martin

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Aber die Titel und Autoren der Manuskripte werden erfasst, in einem sogenannten “Manuskripteingangsbuch” (heutzutage sicher eine Datenbank).

Ja, das ist es auch. Wenn man einer Agentur sagen muss, “ich war schon bei allen großen Verlagen damit”, dann winken die ab.

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Die Lektorate, die ich kenne, beteuern, dass sie wirklich in jede Sendung hineinschauen - damit begründen sie auch die teils sehr langen Reaktionszeiten. “Heineinschauen” heißt natürlich nicht “komplett lesen” - oft ist wohl schon recht schnell klar, dass der Text nicht ins Programm passt.

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Ganz so schwarz würde ich es nicht sehen. Es kommt auf den Ablehnungsgrund an. Wenn das Manuskript thematisch nicht ins aktuelle Programm passt, kann sich das durchaus ändern, wenn sich ein Trend dreht oder gerade Mangelware an einem bewährten Handlungsmuster besteht. So etwas kann der Agent erfahren, wenn er mit den Verlagen spricht - und dann auch ein altes Manuskript neu vorlegen.

Es ist sicherlich ein Sonderfall, aber ich habe 2008 zwei Manuskripte geschrieben, die in der Hintergrundwelt von BattleTech spielen. Der deutsche Verlag hat sich entschlossen, die Lizenz für das Franchise zurückzugeben, also wurde es nichts mit der Vröffentlichung. Als 2012 ein anderer Verlag die Verwertungsrechte für den deutschen Sprachraum erwarb, wurden die Manuskripte wieder “heiß” und als Andurienkriege 1: Präludium und Andurienkriege 2: Zorn veröffentlicht.

Aw: Taktik bei der Verlagssuche

Vielen Dank Martin, Andreas und Bernd für euer Insiderwissen. Aller Anfang ist schwer. Ich versuche mich nicht entmutigen zu lassen. :wink:

Übrigens Bernd, wir sind uns theoretisch schon auf dem BuCon in Dreieich begegnet und auf dem DortCon letztens habe ich auch gelesen. Ich war nur nirgends angekündigt, da ich kurzfristig bei der Lesung des EXODUS-Magazins eingesprungen bin. Vielleicht kann man sich beim nächsten mal “Hallo” sagen. Vielleicht fahr ich zum WetzKon. Mal sehen, ob das klappt.

Danke nochmal an alle.