Originaltitel: Jour de silence à Tanger
Autor: Tahar Ben Jelloun
Verlag: Rowohlt
Jahr: 1991
Taschenbuch: 90 Seiten
In jener weißen Stadt, vor der Mittelmeer und Atlantik zusammenfließen, dem marrokanischen Tanger, liegt ein alter, schwerkranker Mann in seinem Schlafzimmer und lauscht dem unaufhörlichen Brausen des Ostwindes. Sein Haus ist kalt, er ist einsam und weiß, dass er im Sterben liegt. Aber er hat sein Leben lang gekämpft, und so tritt er mit der Kraft seiner Erinnerungen und der Macht der Fantasie gegen den Tod an und ringt ihm einen allerletzten Tag ab. Einen Tag, an dem er sein Leben noch einmal Revue passieren lässt. Bilder seiner Jugend tauchen auf, längst verstorbene Freunde fallen ihm ein, er erinnert sich an seine Kinder, alle seit vielen Jahren aus dem Haus, an seine verstorbene Frau, an den Laden, den er einst hatte, solange, bis Realität und Traum miteinander verschmelzen und er, Hand in Hand mit einem jungen Mädchen, eine von Lichtspiegelungen überflutete Wiese durchquert …
Die Geschichte ist in der Gegenwartsform geschrieben, geschickt wechselt der Autor immer wieder von der auktorialen zur Ich-Perspektive des Mannes. Mittels Innenreflexionen zeigt Ben Jelloun die Gefühle dieses alten Menschen, der viel erreicht, aber auch viel verloren hat. Immer wieder bringen seine Erinnerungen Wut und Verbitterung in ihm hervor, selbst am Sterbebett kann er nicht verzeihen. Erst im Moment des Todes findet er Versöhnung mit sich und der Welt.
Stilistisch unverkennbar ist die arabische Herkunft des Autors, der diesen Text seinem verstorbenen Vater gewidmet hat. Bildhafte, blumige Sprache, das Ende so traurig schön, wie eine Träne Scheherazades.
Tahar Ben Jelloun wurde 1944 in Fés (Marroko) geboren. Er schrieb bisher rund zwei Dutzend Romane und mehrere Gedichtbände. 1987 erhielt er den bedeutendsten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt.