Stilfrage

Ich schreibe an einem historischen Roman.
Der Schauplatz ist meine Heimatstadt.
Ich möchte viel über Lesungen verkaufen, die ich selber machen möchte. Wann immer ich Appetit auf ein Schnitzel habe, ab ins Gasthaus und den Leseonkel gemacht. Danach noch schnell zehn Bücher an den Mann oder die Frau bringen und gut ist.
Nun zur Frage.

Wenn ich den Roman auf alt trimme, entspricht das eigentlich nicht meiner Erzählweise.
Andersrum passt eine moderne Sprache nur bedingt in die Zeit des Barock.
Was würdet ihr machen?

Ich würd erst ein paar Bücher anderer Autoren über diese Zeit lesen. Robert Schneiders „Kristus“ zum Beispiel, „Das Treffen in Telgte“ von Günther Grass, „Baudolino“ von Umberto Eco, „Das Memorial“ von Jose Saramago, den „Cornet“ von R. M. Rilke oder wenigstens „Michael Kohlhaas“ von Kleist. Wenn du die harte Tour willst, dann „Der abenteuerliche Simplicissimus“ von Grimmelshausen, bzw. Margarethe von Navarras „Heptameron“

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Ich habe festgestellt, dass das, was ich nach recherchieren als möglichst „authentisch“ geschrieben habe, bei meinen Lesern als unrealistisch wahrgenommen wurde. Der Spagat zwischen Realismus und der Erwartungshaltung der Leser ist ein schwieriger. Auch wenn der Leser von sich sagt, er möchte sich auf etwas Historisches einlassen, dürfte es schwierig sein, wenn es sich nicht gerade um einen Geschichtskundigen handelt.

Wenn du nun sagst, du möchtest es über Lesungen machen, stellt sich für mich dann auch die Frage, wie gut Zuhörbar ist das auch noch nach 10 Minuten? Ab wann steigen die Leser aus, weil es ihnen zu anstrengend wird, dem Ganzen zu folgen? (Allerdings hab ich da von der Materie Barock usw keinerlei Ahnung). Ich kenne das von einigen Mundart-Lesungen. Vieles das davon ist Alltagssprache, anderes ist tiefster Dialekt. Am Anfang kurzweilig, danach steige ich aus, weil ich nur einen Bruchteil verstehe.

Vielleicht kannst du ja ein Mittelmaß finden, welches beim Leser zu einem „Aha“-Erlebnis führt, ihn aber nicht überfordert?
Ich würde vielleicht einmal eine Szene schreiben, so wie du dir es vorstellst. 5-10 Seiten und diese ein paar Leuten vorsetzen. Die sagen dir dann recht schnell, was sie davon halten :sweat_smile:

Zurück zum Leser: Ich habe mich zum Beispiel da zig Stunden mit Leuten aus Mittelaltervereinen, Sachkundigen aus Fecht- und Schwertkampfvereinen, die ihr halbes Leben diesem Thema gewidmet haben, usw unterhalten, aber die Erwartung meiner Testleser „wie das damals WIRKLICH war“, war eine andere und mir wurde ans Herz gelegt, mich mal ordentlich zu informieren.

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Ich würde es Modern schreiben. Und nur das Gesprochene der Charaktere im alten Stil halten.

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Wäre meine Waffe der Wahl!

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Meister Eco ist nicht annähernd mein Stil.

„In jenen Tagen des Wartens, Kyrios Niketas, war ich von
gegensätzlichen Gefühlen beherrscht. Ich brannte vor Begierde, sie
wiederzusehen, ich fürchtete, sie nie wiederzusehen, ich sah sie
umstellt von tausend Gefahren, mit einem Wort, ich machte alle
Gefühle durch, die zur Liebe gehören, nur nicht die Eifersucht.“
„Hast du nicht daran gedacht, daß die Große Mutter sie gerade jetzt
zu den Befruchtern schicken könnte?“

Und ich glaube nicht, das damit heutzutage nen Blumentopf zu gewinnen ist.

Moderne Sprache und die Dialoge anzupassen klingt für mich auch interessanter.

Mir geht es eher darum, den geneigten Zuhörer zu unterhalten. Mit Humor und wenn er dann das nächste Mal durch die Stadt geht und einen der vielen alten Brunnen mit anderen Augen sieht, dann bin ich glücklich.

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Da würde ich auch mehr Name der Rose, als Baudolino nehmen… :thinking:

… ist in der Originalfassung aufgrund der zeitgemäßen Sprache nicht wirklich einfach zu lesen. Deshalb war ja auch die sehr gelungene Übertragung von Reinhard Kaiser »Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch« ( Band 296 der „Anderen Bibliothek“) so erfolgreich: nah am Original, aber so in den heutigen Sprachgebrauch übertragen, dass das Buch gut lesbar wurde.
Anders herum: Ich bin mir nicht sicher, dass es wirklich gelingt, einen heutigen Text vollumfänglich und fehlerfrei in einen originär barocken Sprachgebrauch zu bringen.

Genau diese Ausgabe des Simplicissimus meinte ich auch (sorry für die fehlende ISBN). Ich hab ihn iÜ in der Originalfassung gelesen. Die ersten 50 Seiten sind in der Tat mühsam, aber man gewöhnt sich bald daran.
Und ja, heutige Romane über diese Zeit in der damaligen Sprache zu verfassen ist Unsinn. Aber wenn man wissen will, wie die damals miteinander kommuniziert haben, sind solche Schmöker durchaus horizonterweiternd.

Dankeschön, sehr erhellend Grade beide Ausgaben vom Simplicissimus. Das hilft tatsächlich.
Ich denke, ich werde komplett modern schreiben und nur ein paar alte Wörter einbringen. Natürlich Werd ich aber darauf achten keine Wörter zu verwenden, die damals nicht vorhanden waren. Ala der Schmied sah sich um und meinte dann;„alda, das geht viellleicht steil!"

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Das finde, ich ist die beste Variante. Ich habe einen Roman-der ist noch nicht fertig-da halte ich es genauso. Ein paar alte Begrifflichkeiten und sonst die moderne Sprache, aber nicht zu modern. Funktioniert ganz gut

Aber je nach Klientel sorgt das für einen ordentlichen Lacher :rofl: oder ein entsetztes Kopfschütteln…

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Hängt davon ab, wer erreicht werden soll und was diese Zielgruppe an Nutzen aus dem Buch oder dem Vortrag ziehen soll.
Z. B.: Die kleine Zielgruppe der engagiert Geschichtsinteressierten. Diese erwartet eine möglichst authentische Sprache, die ihr so nebenbei bestätigt, dass sie ein elitäres Sprachwissen besitzt.
Oder die große Zielgruppe der Liebhaber von historischen Romanen mit nur wenig Geschichtskenntnissen, der es in erster Linie um die romantische Story geht. Die wird in der Regel mit einer authentischen Sprache aus dem Barock wenig anfangen können. Sie würde nur das Lesevergnügen trüben. Hier würde ich eine weitgehend moderne Sprache wählen, versetzt mit eingestreuten Ausdrücken aus jener Zeit, die aber so gewählt sind, dass man ihre Bedeutung auch ohne Kenntnis der alten Sprachform erraten kann, also trotz Authentizität „vertraut“ erscheinen.

Kurz zum Verständnis
Ich möchte ein Buch schreiben, an dem jeder Ort, der darin auftaucht auch begehbar ist. Mehre sehr alte Gasthäuser zum Beispiel. Oder tolle barocke Brunnen und Häuser. Dazu noch etwas Zittauer Gebirge. Alles in einer fließenden Geschichte

Schöne Gegend. Hab ich vor 3-4 Jahren besucht, hab mich aber überwiegend auf der polnischen und tschechischen Seite aufgehalten. Ist das etwas günstiger drüben :see_no_evil: :sweat_smile:

Meine Empfehlung lautet, sich einen Erfolgsroman gründlich durchzulesen, dessen Handlung zur Zeit deiner Geschichte spielt. Zumindest drei, vier Kapitel, die du für gelungen hältst. Die liest du mehrmals, und dann fängst du im Anschluss direkt an, deinen Story zu schreiben. Das klappt!

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Für mich, als absoluter Fan von historischen Romanen, ist es eindeutig:
Möglichst viele Fakten und Schauplätze aus der Stadt verwenden.
Bekannte Namen aus der Stadt verwenden. (Gasthäuser usw, wo du lesen willst).
Die normale deutsche Sprache verwenden, aber darauf achten, dass keine neumodischen Begriffe vorkommen.
„Alte“ Begriffe einfließen lassen, die lokal verstanden werden.

Und damit guten Appetit und viel Erfolg bei deinem Vorhaben^^

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wie verstehe ich das? Du gehst ins Gasthaus, klappst nach dem Essen Dein Buch auf und fängst an, daraus vorzulesen?

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Ganz genau das würde ich auch empfehlen. In die Dialoge (je nachdem, welcher Schicht die Sprechenden angehören) kann man wunderbar zeitgenössische Ausdrücke und Formulierungen einbauen, oder auch Bezeichnungen für irgendwelche Objekte etc. Das bleibt dann trotzdem lesetauglich für ein modernes Publikum.

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So ähnlichich .
Ich veranstaltet eine Lesung . Hoffendlich kommen ein paar Leute, die es interessiert. Hören eine Weile zu und kaufen dann hoffendlich auch ein paar Bücher. Und der Wirt bringt mir zum Dank für ein paar neue Gäste ein schönes Schnitzel. So dachte ich mir das. Ich will ja keinen Hummer und Champagner.