Stilanalyse Hellsehen/Wertung

Ich bin gerade dabei, mich sehr genau mit den Einstellungen zur Stilanalyse zu beschäftigen. Gleichzeitig beschäftige ich mich mit meinem eigenen Schreibstil bzw. versuche ihn zu verbessern und Fehler oder schlechte Angewohnheiten rauszuwerfen.

Dabei ist mir etwas Unsicherheit bezüglich der Erzählform gekommen. Wenn man auf den Erklärungstext zu Hellsehen / Wertung liest, steht da: „Wenn sie den klassischen neutralen Erzähler in der dritten Person …“

Mit „klassischen neutralen Erzähler“ ist nicht die personale Erzählung gemeint, sondern das, was hier im Wikipedia Artikel als klassisch erwähnt ist?

https://de.wikipedia.org/wiki/Erzählperspektive

Das heißt, man benutzt die Einstellung Hellsehen / Wertung auch nur bei diesem Erzähler und nicht beim personalen?

Wo genau ist beim personalen Erzähler eigentlich Schluss mit seinem Wissen? Soweit ich es verstanden habe, weiß er, was in der Perspektivfigur vor sich geht, was sie denkt und fühlt. Das war’s dann aber auch schon, den Rest beschreibt er aus Sicht dieser Figur und kann nur wiedergeben, was auch sie wahrnimmt. Stimmt das so?

Wenn dein personaler Erzähler XYZ beobachtet und feststellt: “XYZ geht es heute nicht gut, er hat schlecht geschlafen”, sind wir trotz personalem Erzähler wieder beim Hellsehen.
Man muss es schon immer im Auge haben, ob das “Hellsehen” passt oder nicht.

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Da gibt es keinen Schluss. Er weiss, was er sieht und interpretiert und kann darüber sich äussern, wie @NinaW schon erwähnt hat. Über etwas, was er auf Grund des Geschichtsverlaufes noch nichts erfahren hat, kann er sich höchstens mit Vermutungen äussern, die dann aber auch so dem Leser vermittelt werden müssen.

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Danke!

Das heißt, wenn ich es richtig verstehe, ist es nicht (nur) eine Frage des Inhalts, sondern eine Frage der Formulierung.

„Er saß am Computer, konnte sich aber nicht konzentrieren, weil er letzte Nacht schlecht geschlafen hatte“, geht eher in Richtung der Allwissenheit.

Dagegen:
„Er setzte sich an den Computer. Sein Kopf wollte aber nicht arbeiten. Warum musste der blöde Hund vom Nachbarn so laut Bellen mitten in der Nacht?“
Hier sind es seine aktuellen Gedanken, die der Erzähler beschreibt, was mehr in Richtung personal geht?

Wenn du von dir selbst schreibst, aka als Erzähler, kannst du schon schreiben, dass du (in der Erzählung “ich” ) schlecht geschlafen hast. Das zweite ist natürlich dennoch besser (mMn), weil du das Gefühl vermittelst, anstelle Tatsachen zu erzählen. Stichwort “show, don’t tell”

Beispiel ohne Hellsehen:
Sie musterte den Mann auf der anderen Seite des Tresens.
Er rieb sich die Stirn und gähnte hinter vorgehaltener Hand. “Einen doppelten Espresso, bitte.”
Sie lächelte. “Kommt sofort.” Wahrscheinlich hatte er schlecht geschlafen. Neben dem Gähnen sah er wirklich zerknittert aus.

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Wie das hier steht (ohne den Kontext zu kennen), ist es für mich die Stimme des Allwissenden.

Das Zweite ist klar ein Gedankengang mit Schlussfolgerung und hat somit in keiner Weise mit ‘Allwissend’ zu tun.
Genau so, wie in @NinaW’s Beispiel oben.

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Eure Antworten geben mir Zuversicht, die Sache verstanden zu haben. :thumbsup:

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Schönen Ostermontag :wink:

die letzten Wochen habe ich mich weiter mit der Perspektive beschäftigt. Mir ist aufgefallen, dass in meinem ersten Roman, an dem ich gerade arbeite, immer wieder der allwissende Erzähler zum Vorschein kommt. Es stellte sich die Frage, (wie) ändern oder lassen?

Dafür habe ich auch weiter zur Erzählperspektive gelesen und hier und da stand tatsächlich, man kann den personalen Erzähler kurz verlassen und zum Allwissenden übergehen, um Hintergrundinformationen zur Welt zu liefern. Genau so etwas kommt bei mir auch vor. Es handelt sich um einen Science-Fiction Roman, in dem Hintergrundinformationen wichtig sind.

Dazu ein Beispiel:
„Auch jetzt in der Nacht spürte er die Hitze auf der Haut. Die Maßnahmen gegen den Klimawandel hatten immer noch keine Wirkung gezeigt.“

Der erste Satz ist personale Erzählung. Der Zweite dagegen für mich Allwissenheit. Allerdings handelt es sich um Wissen, das die Perspektivfigur auch hat. Das heißt, es könnten auch Gedanken der Perspektivfigur sein. Die Allwissenheit steht sozusagen mit einem Bein in den Gedanken der Perspektivfigur, quasi eine Art passiver Gedanke der Perspektivfigur.

Es bleibt dem Leser überlassen, ob er das der Gedankenwelt bzw. Wahrnehmung der Figur zuschreibt oder nicht.

Mir persönlich gefällt es. Das ganze in wörtliche Rede, Show don’t Tell oder aktive Gedanken umzuwandeln, passt nicht, weil das Thema der Szene und damit auch der Gespräche / Handlung eine ganz andere ist und das ist auch bei den anderen Stellen der Fall. Es sind Hintergrundinformationen, die das Ganze abrunden.

Was meint ihr dazu? Gibt es aus der aktuellen Zeit bekannte Bücher, die das machen und die ihr mir empfehlen könnt? Ich habe gelesen, bei Harry Potter soll dieser eingeworfene allwissende Erzähler auch vorkommen.

Für mich sind beide Sätze klar personale Perspektive aus den Gedanken des Prota. Sollte der Prota das nicht wissen dürfen, kann mit wenig Anpassung eine Vermutung/Einschätzung von ihm gezeigt werden.
"Die Maßnahmen gegen den Klimawandel schienen hatten immer noch keine Wirkung zu zeigen gezeigt.“

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