Sollte man mitten im Projekt auf Papyrus umsteigen?

Als ich vor ein paar Monaten die Testleser-Edition meines neuen Buchs fertig hatte, stand ich vor der Frage, ob es sinnvoll sein könnte, jetzt noch auf Papyrus umzusteigen.

Normalerweise hätte die Antwort negativ ausfallen müssen. Ich hatte das ganze Buch mit MS Publisher gesetzt. Optisch sah alles wie geleckt aus. Allerdings würde das nicht von Dauer sein. Denn BOD hat sich in der Testleser-Edition nicht mit Ruhm bekleckert. Ich sage nur 3 mm Toleranz und zusätzlich noch schief geschnitten. Laut BOD kein Grund für eine Reklamation. Mit dem Umstieg zu CreateSpace gab es ein neues Format und damit war mein Layout ohnehin Geschichte.

Wie jeder weiß, hat Papyrus ein paar schone Werkzeuge, um den Schreibstil zu verbessern. Zudem ist der Duden auch nicht zu verachten. Also habe ich den Umstieg gewagt.

Meine Erfahrung: Es war nicht ganz einfach. Ein Buch mit rund 180 Seiten auf 210x210 mm Papier basiert auf einer größeren Anzahl von Absatzformaten als einem vielleicht anfänglich bewusst ist. Hinzu kam das Problem unterschiedlicher Grafikformate. EPS ist in der Publishing-Welt nicht ganz unbekannt. Papyrus kann damit allerdings nichts anfangen. SVG könnte eine Lösung sein. Aber nur dann, wenn keine Transparenzen oder ähnliche Sperenzchen benutzt werden. Mein Buchprojekt war plötzlich spannend. Obwohl Fachbücher dafür normalerweise nicht bekannt sind. Nach jedem Grafikimport war der Nervenkitzel: Wie wird Papyrus das darstellen? In rund 90 Prozent der Fälle einwandfrei. In allen anderen bin ich auf Tiffs ausgewichen.

Nach einigem Hin-und Herprobieren musste ich mich von meinen farbigen Kästen im Text verabschieden. Vielleicht verstand ich Papyrus zu dem Zeitpunkt noch nicht. Aber wenn die Farbe über die gesamte Seitenbreite geht, ist das kein Kasten, sondern nur ein farbig unterlegter Textabschnitt.
Stattdessen habe ich ein Absatzformat mit farbigem Text definiert, ohne Hintergrundfarbe.

Mit der Platzierung von Grafiken war ich mehrmals etwas überfordert. Bei kleinen Grafiken ist alles wunderbar. Aber die Textverdrängung großer Grafiken war mehrmals nicht ganz nachvollziehbar für mich. Damit kann man aber leben. Dann schaltet man die Textverdrängung aus und setzt an der richtigen Stelle einen Seitenumbruch.

Wer dann ein sehr grafikintensives Manuskript hat, wird noch eine andere Herausforderung kennenlernen. In meinem Fall konnte das PDF nur in Etappen ausgegeben werden. Laut Support-Forum ist es ein Hauptspeicherproblem, das mit der 32Bit-Architektur von Papyrus zusammenhängt. Egal, ich habe mir trotzdem 16 weitere Gigabyte Hauptspeicher in den Rechner gesteckt. Siehe da! Das Manuskript kann jetzt wunderbar ausgegeben werden.

Wenn man das so liest, müsste man meinen, ich hätte vielleicht beim MS Publisher bleiben sollen. Das kann allerdings nur jemand denken, der den Publisher nicht kennt :wink: Das Programm ist eine durchgehende Macke, die seit Jahren nicht mehr weiterentwickelt wird.

Insgesamt bin ich mit Papyrus sehr zufrieden, obwohl ich einen Großteil der Möglichkeiten noch nicht einmal genutzt habe.

Meine Erfahrung: Es geht sehr viel mehr als man denkt. Es ist nur so, dass man sich auf die Software einlassen muss. Dann geht Vieles sehr einfach. Wenn etwas nicht geht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man nur noch nicht den richtigen Weg dazu entdeckt hat. Zum Beispiel habe ich mit Hilfe des Forums entdeckt, dass man sehr schön nach dem Vorkommen einzelner Absatzformate suchen lassen kann. Das hat es mir jetzt ganz am Ende ermöglicht, meine farbigen Kasten-Ersatzformate durch echte Grafikkästen zu ersetzen. Der ganze Vorgang hat mich vielleicht eine Stunde gekostet. Nicht schlecht bei inzwischen 228 Seiten. In der Zwischenzeit sind meine farbigen Textformate flüssig bei allen Änderungen mitgeschwommen. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich beim MS Publisher meine Kästen nachformatieren musste, weil eine Änderung im Fließtext das ganze Format zerschossen hatte.

Die Lesbarkeit hat zugenommen. Das ganze Buch liest sich viel besser, weil meine Sprache aufgrund der Thesaurusfunktion variantenreicher ist. Auch der Duden kann nicht jeden Fehler identifizieren. Aber er fragt zumindest nach, ob meine Kommata richtig stehen.

Obwohl der Umstieg so spät im Projekt viel Arbeit gemacht hat, bereue ich nichts. Es hat sich gelohnt!

Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre das eine noch bessere Unterstützung des SVG-Formats und vielleicht die Möglichkeit, echte Kästen zu bauen.

Mein nächstes Buch werde ich wohl gleich in Papyrus schreiben.

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Freut uns! Danke für die Blumen!

Hier noch ein Tipp - Papyrus ist ungewöhnliche Software und macht etwas Ungewohntes - wir bieten Support! :wink: Das muss man auszunutzen lernen - und sollte dies tun.
Sprich, klar, man soll sicher erst einmal ins Handbuch schauen etc. - aber wenn man sich mehr als 10 Minuten die “Ohren gebrochen hat” - einfach mal eine schnelle Mail schicken (oder wenn man Glück hat und warten kann oder wenn’s gerade Di. / Do. Nachmittag ist, anrufen!). Im Regelfalle bekommt man binnen Stunden eine Antwort, nicht selten auch in Minuten. Oder man kann auch hier ins Forum gehen (sofern wir am Wochenende mal seltener Mails machen - soll vorkommen).

Bei den Formatvorlagen empfehle ich dringend den “Markieren” Button im Dialog, die im ganzen Text einen Block aus allen passenden Textteilen bildet (auch unzusammenhängend).
Damit kann man blitzschnell seine Absätze ins richtige Layout bringen. Auch so eine Sache, die andere Textverarbeitungen schlicht nicht können.

Für stark grafikbeladene Bücher werden wir Anfang 2018 auch mal eine 64-bit-Variante machen, die dann vollen Zugriff auf den gesamten Hauptspeicher hat. Lange Zeit gab es dafür noch keine Notwendigkeit, im Gegenteil hätten wir viele Win-7-er abgehängt, aber die letzten 32-Bitter werden dann mit einer guten, finalen 32-bit-Version leben müssen, wenn wir dann tief in 2018 mal endgültig auf 64-bit umstellen, erst einmal werden wir eine Weile beide Varianten anbieten.
Auf dem Mac ist das ja schon lange auf 64-bit, weil Mac OS X ja konsequent keine 32-Bit-Rechner unterstützt und man da nicht dual entwickeln kann - friss oder stirb, ist die Devise von Apple. Ist ja aber nicht so schlimm, Apples sind ja günstig, da kauft man gern schnell man einen Neuen X-)).

Vektorgrafiken, EPS wie auch SVG … können auch über ein PDF hinweg Probleme machen, daher raten wir immer zu hochwertigen TIFF oder PNG in Druckerauflösung. Vektorgrafiken sind - im Prinzip - eine schöne Sache, aber die Probleme, die man damit hat, wiegen die angebliche Auflösungsunabhängigkeit leider nur zu oft auf. Wie auch immer man das unterstützt, es wird ein anderes Programm oder einen Treiber geben, der da nicht mitspielt, gerade auch bei Transparenzen.

Das nächste Buch wieder mit Papyrus, trotz Umstieg - super! :slight_smile:

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Bei den Grafiken kann man mit einer kleinen Faustregel Erleichterung finden: Vektorgrafik für Entwicklung und elektronische/größenflexible Ausgabe und Pixelgrafik für Printausgabe und festehende/starre Ausgabegröße.

Vektorgrafiken sollen eingesetzt werden, wenn die Ausgabe größenflexibel anpassbar sein muss/sollte: Websites, interaktive Medien mit elektronischer Ausgabe und für Printmedien in der Projektentwicklung in der Gestaltungsvorstufe.
Man soll also die Vektorgrafik als Arbeitsgrundlage verwenden, wenn man die Grafik entwickelt und vorbereitet.
Die Entsprechung in der Fotografie ist das Rohdatenformat (RAW/DNG).

Wenn man dann die Formate und Größen des endgültigen Ausgabeformates kennt (hier: Printmedien, die nach Ausgabe unveränderlich sind), skaliert man seine Vektorgrafik in die gewünschte Zielgröße und exportiert das dann in ein Pixelformat, welches man dann an der gewünschten Stelle einfügt.

Sollte sich nachträglich die Ausgabegröße doch noch einmal ändern (oder wenn man verschiedene Ausgabegrößen herausgeben will), hat man die Vektorgrafik schnell in die neue gewünschte Größe skaliert und die Ausgabegrafik neu exportiert.

Auf diese Weise bleibt man flexibel in den Möglichkeiten und schnell in der Umsetzung und sicher in der Endqualität.
Fast wie Kinder-Überraschung: 3 Sachen auf einmal.

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