Selbsthinterfragung, Generationenkonflikt, Trauer, Scheitern

Spurensuche!

Was soll das?
Ich sitze auf meinem Bett und sehe ihn an wie einen Feind! Der Feind in meinem Bett.
Wer ist der Typ?
Alles an ihm scheint im Ungefähren zu schweben. Geprägt von Familie, Freunden, sozialem Status. Stets zu Diensten. Ein williger Fick!
Von allem etwas, ohne eigenen Kern. Wie ist er hier her gekommen; was ist passiert? War es nackte Verzweiflung, Gier oder Resignation, die ihn zu mir brachten!

Verrat dachte er, als er sich selbst im Spiegel betrachtete!
Verrat dachte er, als er in sich ging und nichts als Leere fand.
Hätte er sich je der Illusion der Altersweisheit hingegeben, die letzte Lüge würde hier in diesem Gesicht scheitern.

Das Trauma eines Krieges, er kann es für sich nicht geltend machen. Die Trümmer danach, vor seiner Zeit. Nein, er ist ein Schattenkind! Er wuchs im Schatten derer, für die Verleugnung zum Tagesgeschäft gehörte. Und jetzt?
Schweigen, ein Fahrrad statt echter Gefühle. Er versuchte, sich anzupassen. Verbog sich bis zur Selbstverleugnung. Versteckte sich hinter fremder Logik.
Ein letzter in Blick in den Spiegel. Der Feind sitzt immer noch auf seinem Bett.
Scheiße, ich schleudert das Wort in den Spiegel wie einen Sprengsatz, dann verlasse ich den Raum. Wieder auf der Flucht!

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Hallo NoName,
erst mal herzlich willkommen im Forum!
Was ist das? Ist es die Einleitung eines Romans? Ist es eine Kurzgeschichte? Ist es einfach der brutale Abriss einer gescheiterten Existenz und Beziehung? Zeigt es die Lieblosigkeit eines Lebens in seiner sprachlichen Darstellung?
Die Interpunktion ist hart, kompromisslos und wenig feinfühlig. Fragezeichen, Rufezeichen, noch mer Fragezeichen, noch mehr Rufezeichen. Dazwischen Maschinengewehrsätze „Was soll das?“, „Wer ist der Typ?“, „Und jetzt?“

Weshalb heißt es zu Beginn „Der Feind in meinem Bett.“ und am Ende „Der Feind sitzt immer noch auf seinem Bett.“. Wenn du eine Klammerung erreichen wolltest, ist sie durch den Unterschied meinem und seinem deutlich geschwächt

Wenn du magst, gib uns ein paar Hintergrundinformationen zu deinem Text.

Liebe Grüsse
LonesomeWriter

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Zugegeben LongesomeWriter, meine Geschichte lässt viele Fragen offen. Die Sprache unvollkommen wie das Leben. Die Härte des Ausdrucks aber notwendig zur Verdeutlichung der Frustration und des Scheiterns.
Ich sehe mich in der Tradition des Erzählers. In manchen arabischen und afrikanischen Ländern gibt es ihn noch. Den Geschichtenerzähler der auf den Marktplätzen dieser Kulturen seine Zuhörer findet. Diese Kultur des Zuhörens gab es leider aber im Mitteleuropäischen Raum nie.
Wir sind geprägt von Selbst- und Fremdbewertung. In Funktion und Darstellung stets gehetzt.
Der Feind in meinem Bett ist das verleugnete ich! Der Blick in den Spiegel, eine Abrechnung mit sich selbst. die Verbitterung der Enkelgeneration der Nachkriegszeit.
Geprägt von der Verleugnung der Geschichte zweier Generationen.
Geprägt vom Schweigen und den ungelösten Konflikten derer, die Schmerz vererbten ohne eine Geschichte zu hinterlassen.
Zerrissen zwischen dem Wunsch nach Berührung und der Angst vor Nähe. Aufgewachsen im verengten Raum, stets Ausgeliefert.

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Hallo @NoName ,
immerhin lag ich mit meiner Interpretation nicht ganz daneben.
Wenn du dich als Erzähler siehst, kannst du gegebenfalls auch die sprachliche Darstellung etwas anpassen. Ich weiss nicht ob diese harte Sprache in einer gesprochenen Darbietung funktioniert.
Der Text ist im moment sehr konfrontativ und baut sprachlich eine Barriere zum Zuhörer auf.

Liebe Grüsse
LonesomeWriter

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Gefällt mir sehr gut. Hab’s gerne gelesen. Thematisch scheint mir fast Grillparzers „Halbmond“ durch die Zeilen zu schimmern. Das Gedicht mag ich sehr.
Zwei Kleinigkeiten: schmeiß die Ausrufungszeichen raus. Deine Sätze sind stark genug, die brauchen kein einziges.
Vorletzter Satz: das ist ein „t“ zuviel.
Toll geschrieben.

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Lieber @NoName ,

ich schließe mich dem Statement von @Neri an: Mir gefällt sowohl, was du schreibst als auch der Duktus SEHR gut.
Du bringst es fertig, in wenigen Zeilen eine Charakterlogie zu entwickeln, die „ins Mark schneidet“, die „an die Substanz geht“ … - Und DAS WUNDER dabei: Es bedarf nicht der allerkleinsten „näheren Erläuterung“, also keiner inhaltichen Entfaltung - dies und das Konkrete betreffend -, um die EXISTENTIELLE SITUATION (etwa im Sinne Sartres) des Protagonisten messerscharf auf den Punkt zu bringen.

Ein paar winzige stilistische Retouchen würden dem Text vielleicht noch guttun. Im ersten Moment - ergriffen von diesem Stück - war ich versucht, dafür ein paar Vorschläge dafür zu machen (im Grunde nur Winzigkeiten); aber dann kam mir das furchtbar übergriffig vor und ich glaube, du kriegst das selbst am besten hin …

Nur eines MUSS ich losewerden: In flgd. Passage …

… geht m.E. „Hätte er sich je DER Illusion DER Altersweisheit …“ nicht!

Ich finde, mindestens eins der beiden „der“ gehört raus!

Warum nicht bspw. so etwas wie: „Hätte er sich je der Illusion VON Altersweisheit …“? - Oder so ähnlich?

Ansonsten. WEITERMACHEN! Du bist großartig!

Viele Grüße von Sibyll

Lieber @LonesomeWriter ,

Meine Lektüre des Texts von @NoName evoziert einen VOLLKOMMEN anderen Eindruck als jenen, den du hier beschreibst:

Bei mir existiert da NullKommaKeine sprachliche Barriere, sondern das glatte Gegenteil: Die Verschmelzung. Mir ist der Ich-Erzähler auf eine Weise NAH, dass es mich erschüttert. Das rührt natürlich - methodisch angesehen - v.a. vom STIL eines gewissen Stakkato her und vom bei dir bereits sehr richtig erkannten, damit verschweißten Konfrontativen, das m.E. dazu noch mit hoher Suggestionskraft einhergeht, die jene „inhaltliche Leere“ transzendiert (denn es gibt ja eigentlich keinen konkreten Hinweis darauf, WARUM es um den Ich-Erzähler steht, WIE es um ihn steht).
Das Wunderbare an diesem lit. Stück ist freilich, dass es näherer Erläuterungen dazu gerade NICHT bedarf. Hier „siegt“ die Form über alle inhaltlichen Ansprüche. - Wunderbar!

Just my two cents, natürlich! Wenn du das Stück so ganz anders liest als ich, zeigt das nur, wie polysem - imaginär im wahren Sinn dieses Wortes - Literatur ist. Meine Entgegnung also bitte nicht als Rechthaberei verstehen. Darum geht’s mir nicht mit dieser message.

Viele Grüße von Sibyll

Hallo @Sibyll ,
ich bezog mich lediglich auf die gesprochene Darstellung. Anders als beim Lesen des Textes, lebt das gesprochene Werk vermutlich mehr von der Inklusion denn von der Exklusion. Ich habe solche Stücke schon erlebt und kann sagen, dass für mich derart konfrontative Darbietungen bereits nach wenigen Momenten zum Abschweifen der Gedanken führen. Das Werk vermag mich nicht mitzunehmen. Beim Lesen, kann ich die Barierren überblicken. In der gesprochenen Darbietung funktioniert das für mich nicht.

Liebe Grüsse
LonesomeWriter

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Erst mal Danke, für eure konstruktive Kritik. Tatsächlich ist es so, das jede Geschichte wie ein gutes Gericht ist. Der Koch mag seine Gerichte noch so fein abstimmen, er wird dennoch nie zu 100% den Geschmack aller treffen.
So vermag auch ich, immer nur einen Teil der Leserschaft erreichen. Tatsächlich ist meine Erzählung, eine Generationengeschichte die im Kern vergleichbar ist.
Die offene Wunde dieser Generation verlangt eine Sprache die Schmerz fühlbar macht.
Nichts weniger!

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Realistischer gehts nicht. Aus der Seele gesprochen genau so wie es in vielen Leben ist. Ohne jede Verschönigung.Ich finde es richtig super.

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Liebe / r @NoName,
ich bin etwas verwirrt und bitte um Aufklärung.

… ja, dann aber auch ein „e“ zu wenig, oder beides, oder … ein „er“ gegen ein „ich“ vertauscht? Oder was ganz anderes?

Außerdem:
Einerseits ist die Rede von einem „Feind in meinem Bett“, dritte Zeile von unten heißt es dann: „Der Feind sitzt immer noch auf seinem Bett.“
Eratisch? oder: so gewollt? oder: es gibt mehrere Betten?

mfg Os/<ar (verwirrt)

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Hallo @oskar21, ich sehe flgd. - scheinbar inkonsistente „Doppel-Schreibweise“ …

… so an: Es handelt sich hierbei um eine sehr interessante und m.E. auch literarisch schöne Plastifizierung dessen, was bei Julia Kristeva mit Fremde sind wir uns selbst betitelt wird und kann folglich keinerlei Anstand dran nehmen.
Der Erzähler setzt sich … „sich selbst aus“ - und ergo evoziert er damit ein „fremdes Eigenbild“! Im ersten Moment erscheint ihm das Erschienene als Fremdes und feindlich, wie ein ALTER EGO. Dann wird klar, dass es sich um ein SPIEGELBILD seiner selbst handelt. Das Simulacrum des Ego, aber kein Alter Ego. Feindlich, fremd bleiobt es ihm. Und nun der … „geniale“ Trick (wirklich klasse gemacht m.A.n.): Die Identifikation mit sich selbst findet (spachlich) nicht am Ego selbst statt, sondern VERMITTELST eines Objekts, nämlich des Bettes. Es ist eben SEIN Bett … wodurch die indirekte Aussage zustandekommt (das Erkenntnismoment): „Das bin ja ich selbst!“

Jo! Eben! Fremde … sind wir uns selbst, sofern wir uns ohne (selbstverleugnende) Maske begegnen.

Wo wäre der „Fehler“? @NoName hat m.E. „alles richtig gemacht“ …

Kurze sprachLOGISCHE Reflexion darauf:

Sofern einmal von meinem und andermal von seinem Bett die Rede ist, liegt es natürlich nahe, zwei existierende Betten zu unterstellen, weil ‚mein‘ auf ein Ego referiert, dem ein Alter Ego gegenübersitzt, in dessen, also ‚seinem‘ (Alter Egos) Bett.

SOBALD allerdings klar ist, dass es überhaupt kein Alter Ego gibt, sondern stattdessen ein SICH SELBST reflektierendes Ego (wie fremd und feindlich ihm das Reflektierte [Selbst] auch immer erscheinen mag), kann die Distinktion bzgl. der Betten nicht mehr aufrechterhalten werden, denn DAS wäre ja dann gerade logisch INKONSISTENT. Und folglich IMPLIZIERT die Tatsache (durchaus i.S. einer logischen Implikation) das Vorhandensein (Existieren) nur eines Bettes, womit die Wendung ‚mein Bett‘ auf dasselbe Objekt referiert wie ‚sein Bett‘ .

Vulgo ist die Ausdrucksweise im Text bzgl. der Betten und ihrer jeweiligen „Draufsitzer“ logisch absolut integer.

Ableitung:

WENN

(1) A = B

UND

(2’) A sitzt zum Zeitpunkt t auf einem Bett a

sowie (UND)

(2’') B sitzt zum GLEICHEN Zeitpunkt t auf einem Bett b

SO FOLGT (—>)

(3) Implikation: Bett a = Bett b!

Conclusio: Aus (1) und (2) ergibt sich qua logischer Implikation (3). Logische I werden auch als ‚Konditionale‘ bzw. ‚Subjunktionen‘ (‚Wenn-Dann-Relationen‘) bezeichnet.

Schöne Sonntagsgrüße von Sibyll

Ja, genau so oder zumindest so ähnlich hatte ich den Text wohl initial verstanden, fand das gut so und würde es gerne dabei bewenden lassen. Genau deshalb habe ich den Text auch mit einem „Gefällt mir“ im Sinne der alten Forumsoftware ausgezeichnet. (Der Gebrauch des lächerlichen, roten Herzileins stellt mich da immer noch vor eine gewisse Schwelle.)

Am Einwurf von @Neri komme ich dann aber doch nicht vorbei, der Satz:

… scheint dann doch eratisch und damit der Fehlerteufel als Quell eines gewissen Zweifels im Raum.

Etwas kleingeistig, mag schon sein …

mfg Os/<ar

Ich glaube man sollte zweierlei beachten:
. Kann man Otto Normalverbraucher auf die selbe Art charakterisieren wie Dr. X
. Darf Literatur in der Darstellung dieses auch in seiner Urform darstellen.
Letztlich geht es in meiner Erzählung, um einen Konflikt zwischen dem Ur-Ich und der aufgezwungenen Prägung.
Im Spiegel sieht der Darsteller sich Selbst in Ketten. Und er Hasst was er sieht!