Die schreckliche Nacht des Alchimisten
Ein unangemeldeter Besucher klopft an die Tür des Alchemisten. Einmal, zweimal, ein drittes Mal. Der Alchemist, der sich versehentlich eine Überdosis seines jüngsten Elixiers verpasst hat, öffnet die Tür.
„Wer stört mich zur der späte Stunde?“ Fragte der Alchemist, als er die Tür öffnete.
Es war niemand an der Tür. Der Alchemist fragte sich, ob er sich das Klopfen nur eingebildet hatte. Er drehte sich um, um schaute auf die fast leere Flasche, dessen Inhalt er vor wenigen Augenblicken ausgetrunken hatte. Er sagte zu sich: „Ist es wirklich schon so weit, dass ich mir klopfende Besucher einbilde, die es gar nicht gibt?“
Er schloss die Tür und ging wieder an sein Tisch, um weiter neue Getränke zu brauen.
Da klopfte es wieder an der Tür. Diesmal lauter uns vehementer als zu vor. Unser von seinem Elixier vernebelter Alchemist erschrak. „Nein, das kann doch nicht sein! Schon wieder!“ Jedes einzelne Klopfen war wie ein Schlag auf sein nun immer mehr unruhiges werdendes Gemüt.
Das Klopfen wurde intensiver uns immer laute. Mit ängstlicher und vorsichtiger Schritte ging er Richtung Tür. Als er ankam und den Türknauf anfasste, blieb er stehen und nahm einen tiefen Atemzug. Er nahm all sein Mut zusammen und riss die Tür auf. In dem Moment hörte das Klopfen auf und wieder sah er, niemanden.
Er steckte sein Kopf aus der Tür und schaute sich um. Auf der Straße war keine Menschenseele zu sehen. Die Lichter wurden schon vor Stunden gelöscht, so dass nur der Vollmond sein Licht auf die Straße warf. „Vollmond!“ Kam es plötzlich in den Kopf des Alchemisten. Plötzlich erinnerte er sich an die Geschichten von mysteriösen Kreaturen, welche nur bei Vollmond nachts ihr Unwesen treiben. Erst kürzlich las er was dazu in der Zeitung, dass Menschen bei Vollmondnächten verschwanden oder man hat sie in einen schrecklichen Zustand gefunden.
Der Gedanke an die gruseligen Geschichten macht ihn mehr und mehr Angst. Er schloss die Tür und riegelte die Tür mit allen vorhanden Schlössern, was er sonst nicht machte, ab.
Leicht zittern ging er wieder an seinem Tisch. An Getränke brauen war nicht mehr zu denken. Er schaute auf die leere Flasche, die er noch vor Minuten ausgetrunken hatte. „Kann es sein, dass mein Elixier mir ein Streich spiel? Das hatte ich doch noch nie?“ Sein Verstand versuchte, die verwendeten Zutaten für sein Elixier durchzugehen, sofern es mit der Angst im Nacken möglich war. Als versuchte in seinem Kopf sich das Rezept manifestierte und er die einzelnen Bestandteile nach ungewöhnlichen Wirkungen absuchte, klopfte es wieder an der Tür. Nein, ein Klopfen war es nicht, es war schon fast wie eine Arme mit Stemmeisen, die ein Schlosstor einnehmen wollten. Die Tür riss fast aus der Verankerung, aber sie hielt gerade noch.
„Nein! Nein!, hör auf, geh weg!“ Er hielt sich die Ohren zu, er konnte es nicht ertragen. Er fasste sich ans Herz und rannte zu Tür. Rechts von Stand ein Schrank voller Bücher und Rezepten. Es brach ihn das Herz, als er mit voller Kraft an den Schrank zehrte. Der Schrank kippte nach links, vor der immer noch von den Stößen, vibrierende Tür. Er schrie weiter: „Hör auf! Hör auf! Hör doch endlich auf!“
Mit dem Rücken setzte er sich vor den gekippten Schrank, als ob er noch zusätzlich Kraft aufwinden würde, um die Tür zu blockieren. Das Stoßen wurde immer heftiger. Unser Alchemist verzweifelte. Angst ließ ihm erstarren. Er hielt seine Ohren zu, als ob das was bringen würde.
Dann nahm er wieder den Gedanken an seinem Elixier auf. „Irgendwas musste in dem Stoff enthalten gewesen sein, was mir diese gruselige Nacht bescherte…“
Er merkte, wie das laute Sprechen ihn von der Panik und Angst stückchenweise zurückholt.
Trotzdem war es für ihn nicht möglich, in diesem Zustand herauszufinden, was er wohl diesmal anders beim Brauen des Getränks gemacht hatte als sonst. Normalerweise wird er nur davon leicht beschwipst und ist danach wie auf Wolke 7. Das Schlagen auf der Tür schien nun zum Höhepunkt zu kommen. Immer mehr ruckte und zuckte es in der Tür und folglich an dem davor liegenden Schrank. In volle Verzweiflung und um seine Angst weiter zu bekämpfen, schrie er:
„Ist das meins? Ist das meine Phantasie, die mir so übel mitspielt? Ja? Ich werde nie mehr so ein Zeug trinken. Ich verspreche mir, dass ich damit sofort aufhöre. Keine aufputschende Getränke, keine stimulierende Kräuter mehr, kein selbstgebrauten Schnaps mehr, nie mehr, nie mehrn niiii mehr!“ Mit aller Kraft schrie er das gegen die unsichtbaren Kräfte auf der anderen Seite seiner Tür.
Das Stoßen hörte in dem Moment auf. Die Augen des Alchimisten fielen zu. Er war weg, in einer andern Welt so schien es. Sein Körper schlafend oder gar schon bewusstlos. Stille, einfach nur Stille und Ruhe erfüllten den Raum.
Und so endete die schreckliche Nacht des Alchemisten. Rückblicken konnte er sich nur schemenhaft daran erinnern. War alles nur eine Einbildung seines Geistes, eine Auswirkung seines Gebräus oder wollte tatsächlich jemand die Tür durchbrechen? Es brauchte lange, den Schrank wieder aufzustellen und alle Bücher und Rezepte ein zu sortieren.
Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er ab sofort mit dem Konsumieren fragwürdiger zusammengemixter Elixiere und das rauchen von Kräutern mit gewissen Effekten unterlassen wird. Seitdem hielt es sich daran und es klopfte niemand mehr spät abends 3 Mal an seiner Tür.