Tango Silbrigo – dies war der Tanz, mit dem Elisabeth Antoinette Frederike usw. berühmt wurde. Die Weltöffentlichkeit kennt sie vor allem unter dem Namen „Bisi, die Besessene“. Ihre Karriere begann und endete. Und wir wissen das Folgende:
Bisi tanzte den Tango, seit ihre fünfzehnjährigen Füße mit dem Waschwasser der gefeierten Tangotänzerin Evitata Magatonia in Berührung kamen. Diese weilte zu jener Zeit in demselben Hotel wie Bisi. Allabendlich ließ sich Evitata Magatonia ein speziell für sie aufbereitetes Fußbad bringen: ein schäumendes Gebräu gefüllt mit Silberschaum und Tangomusik.
Die Wanne stand unbeaufsichtigt im Hotelgang, als Bisi nach einer mehrtägigen Bergwanderung mit ihren Eltern müde und erschöpft und mit Blasen an den Füßen daran vorbei schlurfte. Ein paar silbrige Schaumflocken hatten sich gelöst und waren auf einigen ungebändigten Tangorhythmen in den Gang geschwebt, nur um an Bisis stinkigen Socken hängenzubleiben. Die Wirkung setzte sofort ein: Feine elektrisierende Funken stieben durch ihre Waden und Oberschenkel und nisteten sich in ihrem Herzen ein. Alle Müdigkeit war verflogen. Sie schnappte sich den Tangolehrer des Hotels und ließ sich von ihm auf ihren unappetitlichen Wandersocken über das Parkett schleifen. Dies war der Beginn von Bisis Karriere als Tanguera.
Schon bald trat Bisi auf. Und stets hinterließ sie ein funkelndes Feuerwerk aus silbernen Schaumflocken unter ihren altbesockten Füßen. Es sollte nicht lange dauern, bis Evitata Magatonia davon erfuhr und sofort zum Angriff ansetzte. Ein Showdown musste her, sieben Tage - und Nächte - ununterbrochenes Tanzen, an dessen Ende es nur die Eine gab: die Göttin des Tango Silbrigo. Evitata Magatonia verdoppelte ihre Fußbäder auf nunmehr zwei pro Tag, eines am Morgen und eines am Abend. Sie fütterte ihren Tangogeist, bis jede Zelle ihres Körpers sich unter der Last der Rhythmen krümmte. Doch der Aufwand hatte sich gelohnt:
Bisis Herausforderin Evitata verschliss in dieser Woche dreizehneinhalb Tänzer, 25 Paar Schuhe und zwei ihrer Mittelfußknochen - und war erfolgreich.
Mit Bisi nahm es ein anderes Ende:
Bisi leistete sich nur einen Partner, den Hennes. Sie hatte ihn in einem Tattoo-Studio kennengelernt, während sie sich einen Fahrradlenker auf den Rücken tätowieren ließ, zusammen mit einer Kette, die sich um ihren rechten Knöchel wand. Das gefiel Hennes damals, denn so glaubte er, dass er Bisi halten und lenken können würde. Das bisschen Tango lernte er im Fußumdrehen und schon bald wirbelte Bisi auf den Bühnen um ihn herum, dass ihm und dem Publikum schwindelig wurde. Und nicht immer erreichte er den Lenkergriff ihres Tattoos. Wenn Bisi unkontrolliert mal in der Luft, mal auf dem Boden um seine steifen Glieder schwärmte, dann half nur, die Fußkette zu spannen, damit sie ihren Tanz verlangsamte. Auf diese Weise überlebten sie beide ihre Auftritte.
Doch am letzten Abend des siebentägigen Showdowns kam es zu einem spektakulären Abtritt:
Bisi, die ihren Füßen keine Extraportion Tangoschaum hatte zuführen können, schlug sich tapfer – bis zur Milonga mit ihrem rasenden Stakkato-Rhythmus. Bisi übergab sich ihr atemlos und restlos. Ihre Füße trugen sie bereits nicht mehr, als sie mit einer letzten Kraftanstrengung ihren Kiefer in Hennes Angelhakentätowierung seines muskulären Oberarms grub. Hennes Bizepsmuskeln, als hätten sie ihr ganzes Leben auf diesen Moment hingearbeitet, taten, was getan werden musste: Sie schwollen an, und unter einem enormen Nor-Adrenalin-Schub richteten die Bizeps den Angelhaken auf und erfassten ihre zappelnde Beute. Hennes Arm schwenkte hoch, und die Frau, eben noch Tänzerin, zappelte ihren Forellentanz, zuckte ein letztes Mal zu den Wellen der Geigen, bevor ihr Kiefer aus der Schockstarre erwachte und die Tanguera zu Boden gleiten ließ. Ein feiner silbriger Speichelfaden sickerte aus ihrem Mund.
Der Tanz ihres Lebens war vollbracht.