Science Fiction Kurzgeschichte

Guten Abend,
ich nutze diese Woche zum Überarbeiten meiner Geschichten, da ich Urlaub habe und würde mich sehr freuen, wenn ihr diese Kurzgeschichte mal anschaut.
Viele Grüße Mia

Die Frau in Rot
Die Jalousien sperrten schon seit Stunden das Sonnenlicht aus, in diesem Vakuum dehnten sich Minuten zu Stunden. Nur das gelegentliche Tippen der Tasten und ein leises Surren, wenn der Lüfter am Rechner ansprang, durchbrachen die Stille. Pia runzelte die Stirn und bemerkte gar nicht, dass sie wieder auf der Lippe kaute. Zum hundertsten Mal las sie Zeile um Zeile die programmierten Codes. Wo lag der Fehler? War ein Patch am falschen Platz eingefügt? Endlich bei Zeile 73 hatte sie fehlerhafte Strings entdeckt. Beim erneuten Start leuchtete rot das verhasste Wort „error“ auf. Sie steckte in einer Sackgasse. Ein Rumoren erinnerte sie daran, dass sie heute außer den Chips noch nichts gegessen hatte.

Missmutig schnappte sie sich die leere Coke Flasche und verließ ihr Zimmer. Sie lief die Treppen nach unten. Aus der Küche strömte ihr Essensgeruch entgegen und sofort reagierte ihr Magen mit lautem Knurren.
„Perfektes Timing. Ich habe den Auflauf eben aus dem Ofen geholt“, sagte Pias Mutter Vera erfreut, als Pia in die Küche trat.
„Menno! Schon wieder nur so ein Gemüsezeug."
„Das Gemüse lässt sich in der Mikrowelle aufwärmen, wenn ich beim Arbeiten bin. Kommst du mit in die Stadt zum Einkaufen?“
„Nee geht nicht. Bei der Programmierung für den Chatroom ist ein Fehler drin. Ich komme nicht darauf, was nicht stimmt und mir läuft die Zeit davon. Das Programm muss perfekt sein, damit erhöht sich meine Chance, Werksstudentin bei Sortex zu werden“, erklärte Pia
„Sind das nicht die, mit dem Slogan, die Zukunft beginnt mit Sor und endet nicht bei Tex? Was für eine Firma ist das?“
„Sie entwickeln Webportale für verschiedene Lebensbereiche. Bildung, Entspannung und für Games. Sie sind Marktführer der aktuellen Cloud Architektur. Wenn ich einen Fuß in diese Firma bekomme, habe ich ein Winner Ticket für meine Zukunft.“ Pias Wangen färbten sich rosa, so euphorisch hatte sie sich in Rage geredet.
„Im Internet bin ich vor Kurzem auf einen Artikel gestoßen, dort wurde ein neues Spiel von Sortex vorgestellt. Testpersonen wurde dafür vor Beginn ein Serum verabreicht, das die Sinneswahrnehmung schärft. Das weckt in mir den Verdacht, dass hier eine neue Art von Droge entwickelt wird“, erzählte Vera.
„Quatsch, du darfst nicht alles glauben, was im Netz verbreitet wird. Vermutlich war es nur ein Placeboeffekt. Die Spieler nehmen an, durch das Serum wären ihre Sinne geschärft, dann gamen sie halt besser.“ Pia nahm sich das Ketchup aus dem Kühlschrank und knallte die Tür entrüstet zu.

Pia überarbeitete nach dem Essen verbissen ihr Programm. Stunde um Stunde fügte sie weitere Codes ein, um dann bei der Prüfung erneut Fehlerquellen zu finden. Unzählige Versuche später verlief am Ende der Nacht ein Test erfolgreich. Sie hatte alle Fehler eliminiert. Jetzt war sie bereit für das Vorstellungsgespräch, bei dem sie mit dem selbst geschriebenen Programm überzeugen musste.

Einige Wochen später hatte sie es geschafft. Aufgeregt und stolz trat sie in Jeans und weißem Shirt mit dem Logo von Sortex zu den anderen jungen Leuten in die Aula des Hauptgebäudes. Leise huschte sie auf einen Stuhl in der hintersten Reihe, kurz bevor der hagere Mann im silbergrauen Anzug die Neulinge begrüßte.
„Mein Name ist James T. Stuart, ich bin ein Mitbegründer von Sortex und heiße Sie heute herzlich willkommen. Sie wurden ausgewählt aus einer Vielzahl an Bewerbern, weil Sie die Elite sind. Die besten Programmierer, Security Spezialisten, Cloud Architekten und Spiele Designer. Wir werden eine neue Welt erschaffen. Aus Möglichkeiten werden Visionen. Wir haben das Know-how und Sie die Intelligenz. Zusammen sind wir unschlagbar!“ Er streckte die Hände nach oben und schon brach sich ein ohrenbetäubender Applaus bahn. Pia wurde von der euphorischen Stimmung mitgerissen und jubelte wie die anderen Neulinge.


20 Jahre später…
In der Orion-Bar wurden an diesem Abend den Gästen fluoreszierende Cocktails von androgynen Körpern serviert. Aus den Ecken erklangen sphärische Töne, die das futuristische Interieur in Weiß und Schwarz untermalten. Niemand der anwesenden Frauen trug Rot. Keine außer Pixa. Anmutig wie eine Raubkatze näherte sie sich der Bar. Bei jedem Schritt zeigte sich einen Augenblick lang der muskulöse, wohlgeformte Oberschenkel durch den Schlitz des Rocks, bevor er wieder vom roten Satin verdeckt wurde. Ein tiefes Dekolleté bot Ausblick auf verführerische Rundungen. Die manikürten Nägel perfekt geformt, kirschrot lackiert passend zum Kleid. Zielsicher suchte sie sich einen Barhocker in der Mitte aus, setzte sich in Pose, wissend, dass sie Blicke anzog wie das Licht die Motten.
„Bitte einen Red Driver für mich“, bestellte sie beim Barkeeper mit laszivem Augenaufschlag. Der gewünschte Drink wurde eisgekühlt serviert, garniert mit einem Fruchtspieß. Sie knabberte zuerst genüsslich das Obst, dann schlossen sich die roten Lippen um das Röhrchen und absorbierten den fruchtigen Alkohol. Aus der Tasche entnahm sie eine parfümierte Zigarette und steckte sie in den Zigarettenhalter. Auf ihrer Linken sah sie aus den Augenwinkeln eine Flamme aufglimmen. Das Streichholz hielt ein muskulöser Mann mit grauen Koteletten in der gebräunten Hand.
„Besten Dank.“
„Ich bin mir sicher, dass ich sie noch nie in dieser Bar gesehen habe. Mein Name ist Maurice Godet.“
„Hin und wieder schaue ich schon hier vorbei.“
„Verraten Sie mir ihren Namen?“
„Sie können mich Pixa nennen.“
Beim Small Talk taxierte Pixa ihr Gegenüber. Er ließ ebenfalls seine Augen abwärts wandern und verweilte am Ausschnitt ihres Kleides. Sie stellte ihren Drink auf die Seite und zog Maurice auf die winzige Tanzfläche. Zur langsamen Melodie flossen ihre Bewegungen wie Sirup ineinander. Unter dem Hemd erspürte sie die muskulösen Oberarme, umnebelt vom herben Aftershave legte sie ihre Wange an seine Schulter. Hände erforschten fremde Körperteile. Pixas Nägel fuhren spielerisch an seiner zarten Haut im Nacken entlang. Er revanchierte sich, indem seine Finger unter den tiefen Rückenausschnitt ihres Kleides glitten und an der Spitze des Slips entlangstrichen. Durch den dünnen Satin nahm sie die Hitze seines Körpers wahr und ihre Lippen trafen sich zum vibrierenden Stakkato.


Pia hörte kein Klingeln und nicht das Klopfen an der Tür, in den Ohrmuscheln steckten Kopfhörer. Die Jalousien sperrten das Tageslicht und die Außenwelt aus. Ausgestreckt auf der roten Lederliege, der Schädel totenbleich, mit Schatten unter den geschlossenen Augenlidern. Verdrahtet durch den Anschlussknopf direkt am Nacken verbunden mit Pixas Welt, mit der Frau in Rot. Neuronen ausgereizt, stimuliert von der Software. Schlaffe Arme, teigig weiße Finger mit nikotingelben Nägeln, lagen auf der Armlehne positioniert. Im schwarzen XXL-Shirt, das nur knapp die Körperfülle der Taille verbarg. Die Beine in grauen, ausgebeulten Jogginghosen starr auf der Liege fixiert. Auf dem 85-Zoll-Bildschirm zog in endlosem Banner das Logo von Sortex seine Bahnen. Time-out in 3 Stunden, 47 Minuten und 58 Sekunden. Neben der Tastatur lag achtlos eine Injektionspistole mit einem Rest türkisen Serums. Nach 7 Minuten wirkte es, Pias Gesichtsmuskeln entspannten sich, die gespitzten Lippen öffneten sich und eine Zungenspitze wand sich heraus. Nach weiteren 11 Minuten erbebte ihr Unterleib in ekstatischen Zuckungen und die Nägel krallten sich ins Leder.

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Erinnert mich an den Film Surrogates mit Bruce Willis.

3 „Gefällt mir“

Ich mag Deinen Schreibstil, Mia A.

Können denn Lippen etwas absorbieren?

Das ist mehr Film Noir als SF.

Mir fehlt auch ein ein Hinweis, in welcher Zeit die Geschichte spielt. Ansonsten: weiter so und viel Spaß!

Grüße aus Itlalien

4 „Gefällt mir“

Guten Abend,
vielen Dank fürs Lesen meiner Geschichte und eure Gedanken dazu.

@Milar
Genau dieser Film hat mich auf die Idee gebracht :wink:

@Renator
Freut mich, dass dir mein Schreibstil gefällt.
Mit dem absorbieren, hast du recht, das werde ich ändern.

Vielleicht ist ein Mix aus Film Noir und SF gerade ein besonderer Reiz? Diese Szene ist ja Pias Fantasie geschuldet, ihre spezielle Traumwelt. Damit bricht sie aus ihrem Alltag aus und der Text aus dem gewohnten Genre.

Viele Grüße
Mia

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Yepp, dachte ich in der Mitte dann auch. Am Anfang klang es für mich stark nach “Circle”.

Fast ein wenig dystopisch, bedenkt man die anfängliche Ignoranz von Pia bei diesem Thema. Und am Ende ist sie selbst gefangen in der neuen Welt.

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@ChrisJ
ja, wenn ich SF schreibe wird es meistens dystopisch.
„Circle“ muss ich mal anschauen, kenne ich noch nicht.
Viele Grüße Mia

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Ist sogar recht gut verfilmt worden (mit der Darstellerin von Hermine aus Harry Potter).

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