Nehme den Gedanken auf und schreibe so verdichtet wie möglich direkt weiter. Es gibt sonst keine Limits. Das erste Bild lautet wie folgt:
Im blühenden Kirschbaum vor seinem Fenster hing immer noch ein Flitzebogen - Modell ‚Glückliche Kindheit‘.
Nehme den Gedanken auf und schreibe so verdichtet wie möglich direkt weiter. Es gibt sonst keine Limits. Das erste Bild lautet wie folgt:
Im blühenden Kirschbaum vor seinem Fenster hing immer noch ein Flitzebogen - Modell ‚Glückliche Kindheit‘.
Doch so wie er, war der Baum über viele trübe Winter gewachsen. Der Flitzebogen schien nun unerreichbar.
Kurz dachte er daran, in die Stadt zu fahren, um dasselbe Modell neu zu kaufen; doch tief in seinem Inneren fühlte er, dass es nicht dasselbe sein würde. Wieso half ihm sein Geld nicht?
Die Leiter, die im Schuppen stand, hatte er seit Jahren nicht herausgeholt, doch schien sie ihm nun zu kurz und allemal war sie von zu vielen Kisten umstellt - den Aufwand sie herauszuholen wollte er nicht betreiben.
Am nächsten Tag räumte er die Kisten beiseite, holte die Leiter heraus und stellte sie an den Baum. Er reckte und streckte sich und bekam den Bogen gerade so zu fassen.
Doch bevor er ihn aus dem Geäst ziehen konnte, splitterte die Leitersprosse, auf der er stand, mit einem hässlichen Knacken unter ihm weg und er landete unsanft auf dem Boden.
Doch was war das? Er verfehlte den Boden! Statt unsanft aufzukommen schwebte er eine knappe Handbreit über der Grasnarbe.
Verwundert darüber stand er auf. Noch während er sich irritiert umsah, hörte er hinter sich vom Zaun eine Stimme, alt und rissig. „Was machen Sie denn da?“ Eine Stimme, die er niemanden zuordnen konnte.
Er drehte sich um. An den Zaun gelehnt stand ein betagter Herr. Der wiederholte seine Frage: „Was machen sie denn da?“ „Ich habe meinen Flitzebogen holen wollen“, antwortete er und zeigte in die Baumkrone über sich.
„Aha“, analysierte Professor Froid in gewohnter Schärfe, „ein Rückfall in kindliche Copingmuster!“
„Papa, bitte!“, stöhnte Anna auf, „misch dich nicht schon wieder in fremde Angelegenheiten ein!“
" Sie müssen meinen Vater entschuldigen", Anna machte eine kreisende Handbewegung neben ihrer Schläfe. „Berufskrankheit.“
„Schon gut“. Er nahm die Rechtfertigung mürrisch an. „Und nein, ich bin nicht … ist schon okay. Ich wollte nur …“, brach er ab, als er in den Kirschbaum hochschaute. Überrascht wandte er sich den beiden am Zaun zu.
Eine Kindheit, schnell vergangen wie der Pfeil, den damals der Bogen schoss – aber so herb, dass selbst die Schönheit der Kirschblüten ihn nicht trösten konnte. Das Einzige, was ihn an eine glückliche Kindheit erinnerte, war der Name des Modell jenes Bogens, den sein Vater im Zorn über ihn aus dem Fenster warf.
Warum nur hatte er all die Jahre gewartet und seinen Schatz nicht auf der Stelle zurückgeholt?
„Es war ein Opfer“, sagte die Kinderstimme in seinem Kopf, „erinnerst du dich nicht mehr? Wenn dir der Geist des Baumes helfen würde, nur dieses eine Mal, dann würdest du ihm das schenken, was dir am liebsten, nein am zweitliebsten war, auf der Welt…“
Er wusste plötzlich, was das zweitliebste war. Es war der Moment, in dem er das erste Mal allein gelacht hatte – richtig gelacht, mit Erde unter den Fingernägeln und Sonne auf der Haut. Und dieser Moment war jetzt – in dieser Form – verloren.
„Ich kann es nicht geben“, flüsterte er.
„Dann wirst du auch nichts erhalten“, antwortete der Baum. Nicht laut, aber mit einer Präsenz, die nicht zu leugnen war.
Die Kirschblüten begannen zu rieseln, langsam, wie Schnee, der etwas zudecken wollte. Der Bogen wippte sanft im Wind, ein letzter Gruß aus der Höhe. Unerreichbar – wie ein Lied, dessen Melodie man nie ganz behalten konnte.
„Komm schon“, sagte Anna, „das ist nur ein Baum.“
Er drehte sich nicht um. Die Luft roch plötzlich nach Kindheit – gemischt mit Regen, den es damals nie gab.
„Nur ein Baum“, murmelte er. „Vielleicht. Oder ein Denkmal. Oder ein Wächter.“
Und in diesem Moment wusste er: Wenn er sich jetzt abwandte, würde der Baum verschwinden. Und mit ihm etwas, das kein Geld, keine Worte, kein erneuter Frühling zurückholen konnte.
Er tat es trotzdem. Sein Blick glitt weg und streifte die Haut der Kindheit von sich, wie eine Schlange die Ihre. Es war vergangen und so sollte es bleiben.
Ein gelungenes Ende, wie ich finde.