Lieber Duane,
ich bin der Ansicht, es sollte genau andersherum laufen: Sieht man, daß sich ein Autor zu etablieren versucht, ist Unterstützung angesagt, sofern Interesse an seinem Buch besteht. Man könnte sich folglich auch dazu entscheiden, zwei Exemplare zu kaufen und dann eines davon weiterzugeben, als Geschenk bspw., womit man ja dem Autoren neben dem monetären Aspekt auch noch anderweitig etwas Gutes tut …
Leider funktioniert unsere Welt aber nicht so – und gleich gar nicht heutzutage! Das liegt, neben anderem, an der inzwischen sehr weit – wahrscheinlich mindestens in der ganzen „westlichen Welt“ verbreiteten – Lüge, ständig bekomme man „etwas geschenkt“ oder „fast umsonst“. Die Reklame-Maschine in diesem Sektor läuft unablässig auf Hochtouren: Überall und ständig Sale und Scheiß und Give Away bis zum Abwinken!
Dabei würde doch auch nur minimale Hirnkapazität ausreichen, sich zu überlegen, daß das großteils nur Lügen und Vorspiegelungen falscher Tatsachen sind, weil ja das System, in dem wir existieren, nun mal primär auf Profit und nicht Herschenkerei ausgerichtet ist. Und folglich kann nicht jeder herausposaunte Sale einer sein, weil dann die Maschine zwangsläufig kollabieren müßte.
Aber die Suggestion wirkt offenbar … was auf die monströse Dämlichkeit des Publikums solcher Narreteien schließen läßt, denn sonst könnte es ja nicht sein, daß inzwischen der irrationale Glaube vorherrscht, man müsse ständig irgendwas geschenkt kriegen. Ich nenne es Chuzpe, gepaart mit kaum glaublicher Dummheit, ggf. auch maßloser Ignoranz – oder andersherum gewendet: pathologischem Narzißmus. Denn wer auch nur irgendwie zu denken in der Lage ist, müßte doch wenigstens ahnen, daß ein nicht-arrivierter Schriftsteller nichts herzuschenken hat, sondern eigentlich Unterstützung braucht.
Wer das ausgeblendet oder ggf. nicht mal mehr „auf dem Schirm hat“, ist in meinem Verständnis 'ne ziemlich arme Sau, weil nachhaltig beschädigt von der gesellschaftlichen Gesamtveranstaltung, ohne daß sich sagen ließe, nur „die Gesellschaft“ sei schuld daran. Ein Stück weit muß eben auch jede/r für sein eigenes Handeln einstehen können. Und wenn das vollkommen fremdgeleitet ist, liegt „Arme-Sau-Sein“ vor, weil solche Leute ja offenbar zu verblödet oder emotional verkrüppelt sind, um sich auch nur einen Moment mal in Alter Ego hineinzuversetzen, hier also jenes des Schriftstellers …
Und dann gibt es noch die gewissenlose, gier-induzierte Chuzpe nach der Devise: Versuchen kann ich’s ja mal. wenn’s klappt, hab ich wieder einen Vorteil kassiert und meinem Raffgier-Affen Zucker gegeben, ohne ihn bezahlt zu haben. Das sind für mich freilich keine „armen Säue“, sondern amoralisch agierende Stinkstiefel. Da aber gerade die „Heroes“ unsere Zeit zumeist ausgerechnet solche (Abzocker-)Typen sind, kann man mit entsprechender Verachtung auch nicht viel Staat machen, weil die Verblödeten zu ihnen aufschauen wie zu neuen Messias-Inkarnationen. – Vertrackte Situation also …
Vielleicht könnte gute Literatur – die davon lebenkönnende Autoren schreiben – u.a. darüber aufklären und so ein kleines Stück Verbesserung erwarten lassen. Wenigstens* in the long run.* – Immerhin: Gelegentlich hat (u.a. synchronen Phänomenen) Literatur das schon vermocht! Setzte aber womöglich voraus, daß es nicht ganz ohne wenigstens ein bißchen hirnschmalzfordernde Partien darin abginge. – Und nun, lieber Duane?
Es grüßt Palinurus