Safari mit Hindernissen -Fortsetzung-

Wie sollte sie es angehen? Trix war sich bewusst, dass ein taktisch geschickter Einsatz nötig war, sonst würden ihr diese ausgebufften Gauner nicht in die Falle tappen. Um die Herangehensweise auszuklügeln, wollte sie ihren Kollegen Manfred hinzuziehen. Sie beide waren ein Dream-Team: Sie das Gehirn, Manfred ihre kleine Armee. An ihm kam keiner so leicht vorbei. Mit ihm war sie vor dem Hintergrund der knappen Ressourcen an Personal und Material gut gerüstet. Wenn sie weiter aufsteigen würde, wovon sie überzeugt war, würde sie ihn als ihren Nachfolger vorschlagen.
»Fred, hast du mitgekriegt, was die Zeitungen über unseren Fall schreiben?«
Trix hatte sich angewöhnt, seinen Namen abzukürzen. Dass er ein Mann war, brauchte sie ihm nicht ständig unter die Nase zu reiben.
»Ja.«
An seine wortkargen Antworten hatte sie sich schon gewöhnt. Wollte sie mehr, musste sie ihn herausfordern.
»Was schlägst du vor?«
»Wir müssen herausfinden, wer an diesem Kleinkrieg beteiligt war.«
»Wie stellst du dir das vor?«
»Wir müssten Kontakt zur Unterwelt herstellen.«
»Wie willst du das angehen, die freuen sich doch nicht gerade auf unseren Besuch?«
»Trix, red nicht um den heißen Brei herum. Wie ich dich kenne, hast du schon eine Idee im Kopf. Lass mal hören!«
»Das habe ich, die wird bei dir aber nicht auf Gegenliebe Aber das besprechen wir besser an einem Ort, wo uns niemand belauscht.«
Wenig später saßen sie in einem Café, das um diese Zeit wie ausgestorben wirkte.
»Also Trix, wieso dieser Ort, weshalb so geheimnisvoll?«
»Fred, dir ist sicher klar, warum Curd nicht mit dieser Mission betraut wird?«
»Na ja, er will eben Hauptkommissar werden. Da kann er es sich nicht leisten, heikle Einsätze zu vermasseln, also lässt er die Finger davon und konzentriert sich auf Bagatellen«.
»Genau, er setzt darauf, mit risikolosen Aktionen zu glänzen, für die er ganze Bataillone abzieht und Materialschlachten führt, während wir zuschauen müssen, wo wir bleiben. Doch mir geht es um etwas anderes, du hast sicher mitbekommen, wie er versucht, sich in den Vordergrund zu drängen, wenn sich ein erfolgreicher Ausgang einer Operation seiner Kollegen abzeichnet. Ich will nicht, dass er wieder einmal die Lorbeeren erntet, die wir in harter Knochenarbeit verdient hätten. Deshalb darf er von unseren Absichten nichts erfahren.«
»Klar, mir geht seine Rücksichtslosigkeit längst auf den Geist. Seine Leute sind ihm sowas von egal, Verluste nimmt er achselzuckend hin, auch mich hat er schon im Regen stehen lassen.«
»Und wenn du mich fragst, Fred, habe ich ihn sogar im Verdacht, dass ihm ein Blutzoll recht ist und er sogar darauf hinarbeitet. Dann kann er so tun, als würde er vor keiner brandgefährlichen Aktion zurückschrecken. Alles nur pseudo-gefährliches Theater, für das seine Leute den Kopf hinhalten müssen. Dass er mit diesem Egotrip durchkommt, ist mir ein Rätsel.«
»So betrachtet bin ich ja richtig froh, dass das nicht dein Stil ist und du auf Teamwork setzt.«
»Dafür kann ich darauf zählen, dass ihr hinter mir steht, wenn es mal wieder brenzlig wird.«
Kurz lehnte sich Trix in ihrem Stuhl zurück und schloss die Augen. Sie verfolgte immer noch, dass sie in jungen Jahren ihren Bruder verloren hatte, nur weil er in ein Feuergefecht zwischen zwei konkurrierenden Banden geraten war. Seitdem war ihr bewusst, welch kostbares Gut es wäre, sich ohne Angst im Alltag bewegen zu können. Dieser Gedanke hatte sie angetrieben, dafür hatte sie alle Mühen und Strapazen auf sich genommen, um in die Elite der Polizei aufgenommen zu werden, die für die Aufklärung von organisierter Kriminalität, Wirtschaftskriminalität und Korruption zuständig war. Und das wollte was heißen, denn erst seit 2004 waren Frauen im Polizeikorps zugelassen. Dabei ging es ihr nie um Karriere, sondern nur darum, etwas mehr Sicherheit im Alltag zu schaffen.
»Fred, ich bin gar nicht so unglücklich darüber, dass wir mit diesem vertrackten Fall betraut werden. Ich habe diese Bande schon lange auf dem Radar. Leicht wird das aber nicht werden. Die extreme Gewinnspanne auf dem Weg vom Schürfer bis zum Exporteur zieht alle möglichen zwielichtigen Elemente an. Die sind nicht zu unterschätzen.«
»Mach mal halb lang, denen wirst du längst Meister. Spann mich nicht auf die Folter, jetzt will ich wissen, was du ausgeheckt hast. Ich habe kein Problem damit, mich mit dir in waghalsige Manöver zu stürzen.«
»Wen du meinst! Was mir vorschwebt, ist ein gewagtes Unterfangen, das du allein bewältigen musst. Ich habe mir überlegt, wo man am ehesten etwas über diese Verbindungen erfährt. Du spürst es: Genau – im Gefängnishof.«
»Oje, da willst du mich hinschicken, warum ausgerechnet mich?«
»Ich will dir ja nicht zu nahe treten«, – insgeheim musste Trix bei diesem Ausdruck schmunzeln, näher würde ihr Manfred noch so gerne kommen, doch eine derartige Liaison war bei ihrem Job nicht drin, da hielt sie sich strikt an die Regeln, es gab zu viel Konfliktpotenzial, wenn es hart auf hart kam und das Leben des Geliebten auf dem Spiel stand – »aber du mit deiner gebrochenen Nase und der Narbe im Gesicht bist wie geschaffen dafür, dich undercover unter die Gefängnisinsassen zu mischen.«
Manfred schluckte, so einsortiert zu werden, gab ihm sichtlich zu denken. »Wie muss ich das verstehen? Soll ich da einfach rumstehen und warten, bis die auf mich zukommen und mir ihre Geschichten erzählen?«
»Nein, du musst ihnen schon etwas bieten. Wie wäre es mit einschlägigen Erfahrungen aus Polizeieinsätzen? Gib dich als ehemaliger Cop aus, der wegen Korruption im Gefängnis sitzt. Du hättest unschätzbares Wissen darüber, wie man sich in brenzligen Situationen verhält und wie man sich aus der Schlinge zieht.«
»Das könnte funktionieren. Aber im Knast herrscht eine konfliktgeladene Atmosphäre, da gibt es Schläger, die einiges auf dem Kerbholz haben«.
Trix winkte ab. »Vor denen musst du sicher keine Bange haben. Mit deiner Statur und Größe von gut einem Meter neunzig wirst du dich sicher behaupten können. Du bist ein nicht zu unterschätzender Gegner, man sieht dir an, dass du schon so manchen Strauß ausgefochten hast.«
Manfred runzelte die Stirn: »Meine Einlieferung dort muss aber glaubhaft sein, sonst könnte es mir an den Kragen gehen.«
»Keine Sorge, wir liefern dich in Handschellen ein. Dass das richterliche Urteil nicht vorliegt, wird niemandem auffallen. Es ist eine gängige Praktik, dass es nachgeliefert wird.«
»Wie verkaufst du das nach außen, ich habe keinen Bock darauf, als Straftäter dazustehen.«
Trix nickte bestätigend. »Da hast du den Finger auf einen wunden Punkt gelegt. Im Moment darf nur unser engstes Team von deinem Undercover-Einsatz erfahren. Wir tun so, als hättest du Urlaub bekommen, um deine kranken Großeltern zu besuchen.«
»Die dürfen davon aber nichts mitkriegen, sonst liegen sie mir in den Ohren, ich soll öfter vorbeikommen.« Einen Moment lang zögerte er. »Und wie erreiche ich dich aus dem Gefängnis?«
»Wir sorgen dafür, dass du in eine Einzelzelle kommst und dein Handy behalten kannst.«
Bald war alles zu Trix’ Zufriedenheit geregelt und Manfred sicher im Gefängnis untergebracht. Trix war gespannt darauf, wie er sich eingelebt hatte. In der zweiten Nacht rief sie ihn an.
»Fred, wie steht‘s, hast du die Vorstellungsrunde bereits hinter dir?«
»So in etwa.«
»Red schon, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!«
»Na ja, kaum war ich angekommen und hatte meine Zelle bezogen, stand der erste Hofgang an. Ich schlenderte umher und versuchte, mich zurechtzufinden.
›Na, suchste was?‹ Mit diesen Worten kam ein Hitzkopf auf mich zu. Mir war sofort klar, dass er auf Streit aus war. Die Rangordnung musste geklärt werden. Und schon ging es los: ›Glaub ja nicht, dass dir hier etwas geschenkt wird. Im Gegenteil, leer mal deine Taschen aus, ich will sehen, ob da was für mich drin ist.‹
Ich blieb ruhig, schaute meinen Gegner herausfordernd an und antwortete: ›Vergiss es!‹
Das ließ sich der nicht gefallen. ›Wie du willst, dann hau ich dir gleich eine in die Fresse!‹
Ich ging unerschrocken auf diesen Großkotz zu, immer näher, bis wir praktisch Nasenspitze an Nasenspitze standen. Ein mentales Kräftemessen fand statt. Dieses Verhalten überzeugte mehr als ein Fausteinsatz. Klein beigeben wollte keiner. Am Ende nickten wir uns zu und gingen in gegenseitigem Respekt auseinander. Das alles blieb nicht unbeobachtet. Ich war in der Szene angekommen und wurde ab sofort respektiert. Bald sprach sich herum, was ich zu bieten hatte. Derartige Informationen waren in diesen Kreisen hoch begehrt. Ich wurde um Tipps angegangen. Ich gab mich zurückhaltend und ließ mir nicht gleich alles Wissenswerte entlocken. Meistens lief es etwa so ab: Ich lehnte an der Hofmauer, Sonnenbrille und Käppi gaben mir ein verwegenes Aussehen. Ich brauchte nicht lange zu warten, schon kam einer angelatscht.
›Hey, du hast doch sicher einen Tipp für mich.‹
›Kann schon sein‹, war meine Antwort, ›was ist es dir wert?‹
Meine Konsultationen mussten verdient werden, Information gegen Information. So konnte ich die Mitgefangenen gezielt und unauffällig aushorchen.«
Trix hatte bisher geschwiegen und Freds Geschichte gelauscht, aber jetzt wurde sie ungeduldig. »Du machst das hervorragend, genau so habe ich es mir vorgestellt. Doch sag schon, was ist die Ausbeute?«
»Unter den Insassen herrscht große Aufregung, eine Assoziation Gemmologie ist in aller Munde. Sie mischt den Gold- und Diamantenschmuggel auf und schreckt vor nichts zurück. Wer nicht spurt, verschwindet von der Bildfläche. Einige Clans haben versucht, sich zu wehren, aber das ist weder ihnen noch den unbeteiligten Passanten gut bekommen. Erwartest du, dass ich herausfinde, welche Männer am Fiasko beteiligt waren?«
Trix war mehr als zufrieden. »Nein, es geht mir nicht um die Fußsoldaten, ich will die Bosse zur Verantwortung ziehen! Aber die wissen, wie man sich bedeckt hält, über die kleinen Fische kommt man nicht an sie heran.«
»Kann ich wieder raus?«
»Bleib vorerst noch dort, mir kommt da eine Idee, wie wir eingreifen können. Ich melde mich wieder.«
Trix legte auf und überdachte alles, was Fred ihr erzählt hatte. Gold und Diamantenschmuggel – da konnte man sich noch so in den Fall verbeißen, die Drahtzieher kamen meist ungeschoren davon. Bisher hatten sie so geschickt agiert, dass ihnen die Polizei nichts nachweisen konnte. Dabei musste die Menge, die sie an dreckigem Gold und Blutdiamanten verschob, beachtlich sein. Sie hatten überall hin Verbindungen. Skrupel hatten sie nicht, wer im Weg stand oder nicht kooperierte, überlebte nicht lange. Todesfälle gehörten zur Tagesordnung. Wie könnte sie gegen dieses Mafia-Syndikat vorgehen? Mit den üblichen Mitteln würde sie nichts erreichen, ein Gamechanger war gefragt. Wo lag die Schwachstelle in diesem undurchsichtigen kriminellen Netzwerk? Nach langem Brüten blieb sie an der Kette der Zwischenhändler und Hehler hängen. Unverkennbar, sie waren der Dreh- und Angelpunkt, über sie lief der Großteil des Diebes- und Schmuggelgutes. Sie hatten Kontaktzu beiden Seiten, sowohl zu den kleinen Leuten als auch zu den Strippenziehern. Bei ihnen musste sie ansetzen, wenn sie an die eigentlichen Schlüsselfiguren herankommen wollte.
Sie überlegte, wie sie die Hehler dazu bringen könnte, ihre Abnehmer zu verraten. Sie kam zu dem Schluss, dass dies ein aussichtsloses Unterfangen war. Es musste einen anderen Weg geben. Wo könnte sie ansetzen? Wie wäre es mit einer Falle, der sie nicht widerstehen konnten?
Während sie sich darüber den Kopf zerbrach, kam ihr Chef auf sie zu. »Was hast du herausgefunden? Die Presse belagert mich und will Informationen.«
Die Presse, nein, die konnte sie nicht gebrauchen, die würde alles ruinieren, was sie auf die Beine stellen wollte.
»Äh, Chef, mir schwebt da etwas vor, aber ich will mich noch nicht outen. Wie wäre es mit nebulösen Andeutungen, dass wir einer großen Sache auf der Spur sind?«
»Höchst ungern. Was hast du vor?«
»Nur so viel: Wir haben herausgefunden, wer hinter der Schießerei steckt. Beweise haben wir nicht, alles ist uns nur aus zwielichtigen Quellen zugetragen worden. Um die wahren Täter zu überführen, müssen wir ihnen eine Falle stellen. Ich habe da eine unorthodoxe Durchführung im Sinn. Lässt du mich machen?«
»Ich muss dir wohl vertrauen, aber es behagt mir nicht. Wenn es schief geht, steht dein Kopf auf dem Spiel. Dann muss ich dich fallen lassen, das würde mir in der Seele wehtun.«
»Meinen Kopf riskiere ich so oder so, mit dieser Bande ist nicht zu spaßen. Ich muss mir gut überlegen, wie ich sie überlisten kann.«
»Na dann viel Glück, melde dich so bald wie möglich!«
Trix atmete erleichtert auf, als ihr Chef das Büro verlassen hatte. Sie hatte befürchtet, dass sie mehr preisgeben müsste. Das hätte ihr alles verderben können. Curd würde nichts unversucht lassen, um zu hintertreiben, was ihr zum Erfolg verhelfen könnte. Ihr ausgezeichneter Ruf war ihm ein Dorn im Auge, zumal ihr Name ebenfalls für eine Beförderung im Gespräch war.
Aber wenn sie sich verrechnet hatte, was würde dann aus ihrem Ruf? Für einen Moment zweifelte sie an ihrem Plan. Nein, in dieses Fahrwasser wollte sie nicht geraten, sie musste nur Mittel und Wege finden, diesen Schmugglern Paroli zu bieten. Wie könnte sie das nur auf die Reihe kriegen? Sie drehte und wendete die Fakten, plötzlich kam ihr eine Eingebung. Auf der Stelle setzte sie sich mit Manfred in Verbindung.
»Fred, ich habe noch eine delikate Aufgabe für dich. Ich habe lange darüber gebrütet, wie ich an die Drahtzieher herankomme. Endlich ist mir etwas eingefallen, wir müssen sie aufschrecken, sie aus dem Bau locken. Aber wie, fragte ich mich. Auf einmal lag die Lösung vor mir. Wir müssen ihnen nur vorgaukeln, dass ihr lukratives Geschäft gefährdet ist.«
»Hm, interessanter Ansatz, aber wie willst du ihnen diesen Floh ins Ohr setzen?«
Sie weihte ihn in ihren Plan ein.
»Was meinst du, darf ich dir diese Aufgabe zumuten?«
»Heh, du kennst mich ja, du musst dich bei mir nicht einschmeicheln.«
Würde ihre Strategie funktionieren? Sich mit Gangsterbossen anzulegen, war kein Zuckerschlecken. Umso wichtiger war es, den Coup gut vorzubereiten. Sie durfte nichts überstürzen, sondern musste sich gedulden, bis ihre Taktik aufging.
Tage später erlöste sie Manfred aus ihrer Hochspannung.
»Du glaubst es nicht, es funktioniert.«
»Wie bist du vorgegangen? Ich muss alles detailgenau wissen. Dieser Einsatz ist hochgradig riskant, ich will nicht, dass man mich auf dem linken Fuß erwischt.«
»Du musst dir das so vorstellen. Ich galt mit der Zeit als erstklassige Informationsquelle, wo und wie man sein Diebes- oder Schmuggelgut gefahrlos an den Mann bringen konnte. Das war der Moment, um deine Idee umzusetzen. Bald einmal kam wieder einer auf mich zu und fragte: ›Wen empfiehlst du, wenn ich Diamanten loswerden möchte?‹
›Keine Ahnung‹, gab ich zurück.
‚Komm schon, du kennst doch alle Kanäle.‹
Ich schaute mich um, als ob ich sichergehen wollte, dass uns niemand belauschte. Dann verneinte ich wieder: ›Trotzdem, vorläufig ist mir das zu delikat.‹
Wie erwartet, ließ er sich nicht abwimmeln: ›Hast du noch nie von mir gehört, ich bin Brillanten-Joe, auf mich kannst du dich verlassen, ich habe das im Griff‹.
Brillanten-Joe, von dem hatte ich gehört, seinen Namen hatte er nicht bekommen, weil er mit Brillanten dealte, sondern weil er überall herumposaunte, wie brillant er sei. Wer sich aber auf ihn einließ, hatte meist das Nachsehen. Ich sagte mir, dass es gar nicht so dumm wäre, ihn hinzuzuziehen. Ein Gerücht würde bei diesem Großmaul im Handumdrehen die Runde machen.
Ich senkte meine Stimme auf ein Flüstern: ›Sorry, ich kann dir immer noch nicht dienen. Du magst ja ein Wunderknabe sein, aber deine Hausaufgaben hast du nicht gemacht. Ich will es nicht an die große Glocke hängen, aber es geht das Gerücht um, dass sich in letzter Zeit diverse Hehler und Zwischenhändler bei der Polizei die Klinke in die Hand geben. Diese Entwicklung wäre dir nicht entgangen, wenn du dich umgehört hättest. Ich will mir gar nicht vorstellen, was da abgeht, wenn die Polente an Informationen über die Herkunft und die Absatzkanäle von Diebes- und Schmuggelgut kommt. Da bleibe ich lieber im Hintergrund und warte ab, ich will nicht in der Kriminalakte landen.‹
Brillanten-Joe wurde bleich. Ich sah ihm an, wie sich die Rädchen in seinem Kopf drehten. Postwendend kam die Frage: ›Sind denn Hehler schon aktenkundig?‹
›Das ist ja das Problem‹, war meine Antwort, ›man weiß nie, mit wem man es zu tun hat.‹
›Okay, für diesen Tipp bin ich dir was schuldig, aber nun hab ich etwas zu erledigen.‹
Mit diesen Worten verabschiedete er sich. Mir ist klar, was jetzt abgeht. Brillanten-Joe wird seine Kontakte durchgehen und sich mit seinen Kumpanen absprechen.«
»Super, Fred, genau darum geht es mir. Jetzt warten wir ab.«
Bald darauf ging es bei den Mittelsmännern drunter und drüber. Misstrauen griff um sich, Geschäfte wurden heimgesucht, Scheiben eingeschlagen, Hehler malträtiert. Wer da alles behelligt wurde, gab Einblick in das Who is Who der Verbrecherwelt. Trix war begeistert, die Zeit war reif, jetzt konnte sie die Strippenzieher an den Hörnern packen. Als Nächstes sorgte sie dafür, dass Mittelsmänner von der Polizei aufgesucht wurden, vordergründig, um den Sachbeschädigungen nachzugehen, gleichzeitig erhärtete sie damit den Verdacht, dass diese mit der Polizei gemeinsame Sache machten. Sie war überzeugt, dass dies die Hintermänner aufschrecken würde. Sie standen nun vor dem Dilemma, dass sie die konspirativen Mittelsmänner sofort meiden mussten, gleichzeitig waren sie aber für ihr Geschäft auf Mittelsmänner angewiesen. Unter dieser Prämisse würden sie sicher alles tun, um herauszufinden, wem sie noch vertrauen konnten.
Nun war ihr zweiter Streich an der Reihe, und sie meldete sich wieder bei Manfred: »Ich glaube, wir haben sie soweit. Du hast deine Rolle bisher hervorragend gespielt, aber jetzt gehen wir aufs Ganze, und da musst du überzeugend sein. Sobald du den Köder ausgelegt hast, holen wir dich aus dem Gefängnis.«
»Du verlangst viel von mir, ich bin schliesslich kein Bühnenkünstler.«
»Gib dein Bestes, du schaffst es!«
Sie lehnte sich zurück, jetzt konnte sie nur noch abwarten und hoffen, dass alles glatt lief. Sie riskierte viel mit ihrem nicht ganz astreinen Einsatz. Aber wie hieß es so schön: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Als Manfred unversehrt wieder vor ihr stand, war sie erleichtert.
»Lief alles nach Plan?«
»Kann nicht klagen.«
»Erzähl schon, lass nichts aus, ich will ein Gefühl für die weiteren Entwicklungen bekommen!«
»Wie ausgemacht, habe ich mich wieder mit Brillanten-Joe in Verbindung gesetzt und ihm gesagt, dass ich bald entlassen werde. Damit kein Misstrauen aufkommt, habe ich ihm zu verstehen gegeben, dass meine Chefin sich für mich eingesetzt hat. Unter uns, habe ich ihm gesagt, sie sei mir etwas schuldig, ich wüsste zu viel, aber ich hätte dichtgehalten. Sie sei alles andere als ein Unschuldslamm, sie habe es faustdick hinter den Ohren und sei einem lukrativen Geschäft nicht abgeneigt. Und wenn wir schon dabei seien, ob er schon gehört habe, dass sie eine Liste der übergelaufenen Mittelsmänner erstellt habe. Sie sei bereit, diese zu verschachern. Allerdings verlange sie dafür eine stattliche Summe. Was er dazu meint, ob wir da mitmischen wollen? Diese Assoziation Gemmologie müsste doch heilfroh sein, wenn sie diese Liste in die Finger bekäme. Die würden sicher was springen lassen. Ob er dabei sei. Wie erwartet leuchteten da seine Augen auf, er hörte wohl schon die Kasse klingeln. Klar doch, das würde er perfekt deichseln, antwortete er glattzüngig. Gut, antwortete ich ihm, du übernimmst diesen Schmugglerring, ich die Kommissarin spielen, die Provision teilen wir uns, Hand drauf. So haben wir den Pakt besiegelt. Bevor wir uns verabschiedeten, gab ich ihm meine Handynummer.«
»Na, na, du Fuchs, du stellst mich ja in ein ganz schiefes Licht. Aber so wie es aussieht, hast du den richtigen Ton getroffen, der Köder ist ausgeworfen, jetzt heisst es abwarten, ob der Fisch anbeißt.«

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O je! In diesem Text hast du eine Todsünde begannen. Wieso wird das, was Manfred im Gefängnis erlebt, nur als Dialog wiedergegeben? Geh mit Manfred ins Gefangnis und zeige mir, was er darin erlebt.
Handlung ist bisher immer noch Mangelware. Dialog ersetzt nicht Handlung, Dialog unterstützt Handlung. Versuch doch mal, möglichst viel von deinem Text in Handlungen umzuschreiben.
Immer noch zuviele Erklärungen. Du musst nicht jedes Detail erklären. Nicht alles ist wichtig. Ich als Leser kann mir vieles dazudenken.

Unnötige Erklärung. Das Fred die Abkürzung von Manfred ist, merke ich selber.

Ehemalige Polizisten haben im Gefängnis einen schweren Stand. Es wird schwierig, dass die Ganoven ihm vertrauen.

Er sollte besser sie anrufen.

Du wirst lachen, ursprünglich hatte ich Manfred auch als Protagonist einbezogen, die Lektorin hat mir dann empfohlen, mich auf zwei zu beschränken. Deshalb versuchte ich seine Geschichte im Dialog wiederzugeben.

Ich finde Deine Tipps wertvoll, könnte ich Dich nicht als Testleser gewinnen?

Hallo.
Ich finde auch in diesem Abschnitt liegt viel erzählerischer Wert, der vielleicht etwas zu sehr in Gänsefüßchen eingesperrt wird und dadurch zu viele Gehege auf einem Hof bildet.
Es stecken so viele Details in den Dialogen, welche als Handlung, Aktion oder Emotionsflüße heraus wollen. Der Wunsch nach einem weiten Land der Erzählung schränkt sich dadurch manchmal selbst ein. Aber diese Phase der Entwicklung hat im Moment auch einiges Gutes zu erwarten, zumal die Weiterentwicklung sicherlich kommen wird.

Deine Geschichte sieht zur Zeit wie ein kräftiger Marmorblock aus, der bereits planvoll in den ersten Schichten bearbeitet wurde - doch darunter liegen garantiert kräftige Formen, die uns noch positiver überraschen werden. Weiter so, ich freue mich darauf.

Ich selbst bin nicht wirklich erfahren, was das Schreiben anbelangt, aber was gerne lese weiß ich genau. :slightly_smiling_face:

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Besten Dank Tasp, es ist wohltuend für mich, dass Du inhaltlich Bezug nimmst und der Entwicklungsphase des Romans einiges abgewinnen kannst. Die Hauptkritik bezog sich ja auf die „Erkläreritis“. Deshalb stellt sich mir die Frage, wieviel Raum darf die Einführung der Personen einnehmen? Muss der Leser wirklich gleich von der ersten Seite an mit Verfolgungsjagden etc. in Beschlag genommen werden. Inflationiert sich das nicht? Entsteht so nicht mit der Zeit ein Abwehrreflex?
Es würde mich interessieren, wie das andere sehen. Zu diesem Zweck habe ich die ersten 20 Seiten meines Fantasieromans „Mogusch“ in den Schreibzirkel gestellt. Auch hier nimmt die Vorstellung der Protagonisten größeren Raum ein.
Doch zurück zu Deinem Interesse am Rest der Geschichte. Ob die alles halten kann, was Du Dir versprichst? Etwas mehr verrät in dieser Hinsicht meine Zusammenfassung (Kurztext), die ich für das Exposé vorbereitet habe:
„Pitt, erschöpft vom endlosen Studium der Wirtschaftswissenschaften, wird von seinem Freund ermutigt, sich eine Auszeit zu gönnen und auf Safari zu gehen. In Liebesdingen unerfahren, stolpert er gleich zu Beginn der Reise in eine Affäre mit ungeahnten Folgen. Er flieht vor dem Familienclan in die Wildnis, wo er nicht nur einen wertvollen Fund macht, sondern auch einem Löwen gegenübersteht.
Kommissarin Trix will einer Schmugglerbande auf die Spur kommen und schmiedet zu diesem Zweck einen heiklen Plan: Sie gibt sich als korrupte Polizistin aus, die für eine Million Dollar bereit ist, den Verbrechern wichtige Informationen zu liefern. Treffpunkt für die Übergabe ist das gleiche Hotel, in dem auch Pitt mit seiner Reisegruppe untergebracht ist.
Zwei Mitglieder der Führungsriege der Schmugglerbande treffen ebenfalls im Resort ein. Sie haben die von der Kommissarin geforderte Belohnung in einer Tasche bei sich. Eine grüne Meerkatze will sich an den Müsliriegeln in der Tasche gütlich tun. Als sie beim Fressen gestört wird, flieht sie mitsamt der Tasche in den Dschungel. Die Suche nach der gestohlenen Beute bekommt den beiden Gangstern nicht. Deshalb müssen sich die Hintermänner des Schmugglerrings nach einer neuen Geschäftsleitung umsehen. Sie kommen auf die geniale Idee, einen Wettbewerb auszuschreiben: Wer ihnen das meiste Geld zurückbringt, wird Geschäftsführer.
Trix nimmt Pitt fest, als er mit einem Rucksack voller Geld aus dem Dschungel kommt. Sie glaubt, dass er auch zu der Schmugglerbande gehört. Später muss sie ihn wieder freilassen, folgt ihm aber heimlich, weil sie hofft, durch ihn an die Verbrecherorganisation heranzukommen.
Pitt gönnt sich mit seinem Fund eine private Safari. Dabei trifft er nicht nur auf wilde Tiere, sondern muss sich auch mit Gangstern herumschlagen.
Trix und Pitt kommen sich langsam näher.
Curd, Trix’ Konkurrent bei der Polizei, entpuppt sich als Maulwurf, der für den Schmugglerring arbeitet. Trix inszeniert eine Minenauktion, bei der sie Curd überführen kann. Curd rächt sich und entführt Trix. Bei ihrer Befreiung wird eine wertvolle Kunstsammlung des Schmugglerrings beschlagnahmt. Das bringt die Hintermänner erst recht in Rage. Sie setzen ein Kopfgeld auf Trix aus.
Pitt taucht mit Trix in der Schweiz unter, um in Ruhe eine Strategie zu entwickeln, die den Schmugglerring ein für alle Mal aus dem Verkehr ziehen soll. Diesem Zweck soll eine Kryptowährung dienen, die auf Gold und Diamanten basiert. Eine Mining and Sharing Company wird gegründet, die direkt bei den Minen das Schürfgut von den Bergleuten übernimmt und so dem Schmuggel die Grundlage entzieht. Pitt’s Plan geht auf, die Firma floriert und weckt die Begehrlichkeit der Hintermänner des Schmugglerrings. Sie erwerben das Unternehmen. Ein Zeitungsbericht über künstliche Diamanten löst einen Börsencrash aus, bei dem die Hintermänner ihr gesamtes Vermögen und noch mehr verlieren.“

Wenn Du immer noch Appetit auf mehr hast, stelle ich Dir gerne den gesamten Roman zu. Im Gegenzug würde ich mich auf ein feedback freuen. Gegebenenfalls brauche ich allerdings Deine e-mail-adresse.

Eine Figur wird nicht zum Protagonist, nur weil man zeigt, was sie so treibt. Manfred ist eine Nebenfigur. Auch diese kann man als handelnde Figuren zeigen.

Und ich dachte, ich gehe dir auf den Sack mit meiner Kritik.

Da bin ich noch unentschlossen. Das Exposé gefällt mir, es verspricht Action. Ich bin mir nicht sicher, ob das im Text auch rüberkommt.

Die grüne Meerkatze gehört zu den kleineren Meerkatzen. Der Körper ohne Schwanz misst 40 - 60 cm, das Gewicht liegt zwischen 3 - 7 kg. Eine Million Dollar (100er Noten) wiegt 10 kg, das Volumen ist 10.35 l. Dazu kommt noch die Tasche und die Müsliriegel. Ich glaube nicht, dass sie die Tasche weit schleppt.
Eine Million Euro (200er Noten) wiegt 5.35 kg, Volumen 6.27 l.
Eine Million Franken (1000er Noten) wiegt 1.14 kg, Volumen 1.34 l. Deshalb sind Franken bei Schmugglern beliebt.

Wieso beschlagnahmt sie das Geld nicht?

Bist du sicher, dass eine Kryptowährung auf realen Werten basiert? Die Kryptowährungen orientieren sich am Bitcoin.

Ich hoffe, du hast zu den Abläufen im Exposé recherchiert. So, dass das Ganze glaubhaft ist.

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Ich finde eigentlich, dass Manfred’s Rolle im ganzen Roman durchaus eine eigene Erzählstimme verdient hätte. Auf Deine Anregung hin überlege ich mir das noch mal.

Ich habe mir das mit dem Gewicht auch überlegt, deshalb wird die Entschädigung auch in Diamanten bezahlt. Ist so in der Geschichte integriert. Uebrigens, die Meerkatze haben wir in Aktion erlebt, sie ist in unser Zimmer „eingebrochen“ und hat uns Biskuits geklaut.

Auch das mit dem Geld habe ich abgehandelt, hier ein Textauszug:
»Dir ist sicher klar, dass ich nicht so schnell aufgebe. Ich sehe eine Möglichkeit, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Ich gehe davon aus, dass die Schmugglerlobby diesen Misserfolg nicht auf sich sitzen lassen wird. Sie haben viel verloren, nicht nur monetär, auch ihr Ansehen dürfte unter unserer Aktion gelitten haben. Das wollen sie sicher wieder in Ordnung bringen. Wie wäre es, wenn wir dem Touristen seinen Fund überlassen würden, er hat ja nichts gestohlen? Selbst wenn eine kriminelle Handlung im Hintergrund steht, war er nicht daran beteiligt. Sein Anspruch geht also vor und wir haben keine Handhabe für eine Beschlagnahmung. Ganz abgesehen davon, dass wir unseren Anteil an der unglückseligen Geschichte ohnehin nicht öffentlich machen wollen.«
Manfred blickte sie irritiert an. »Müsste man nicht eine Frist abwarten, bevor der Fund dem Finder überlassen werden kann?«
»Diese Frist können wir getrost ignorieren, die Gauner werden es wie die Pest meiden, sich bei uns als rechtmäßige Besitzer zu melden. Dann kämen sie ja in Teufels Küche. Umso mehr wird es sie ärgern, wenn ihr ganzes Geld flöten geht. Sie werden sich an die Fersen des Touristen heften, um ihm seinen Fund wieder abzunehmen. Wir müssen nur an ihm dranbleiben und ihn überwachen. Sobald sie ihn ausrauben wollen, greifen wir zu. So kommen wir den Drahtziehern immer noch auf die Spur.«

Und auch das mit der Kryptowährung habe ich recherchiert und mit einem Freund, der im Finanzplatz tätig war (Six) intensiv besprochen:
Marc hatte den zündenden Einfall: »Vergessen wir doch die ganze Token-Geschichte und gehen einen Schritt weiter! Wir heben eine neue Kryptowährung aus der Taufe! Eine, die auf Gold- und Diamantenstandard beruht. Schaffen wir ein virtuelles stabiles Geldinstrument, eines, das der Inflation ein Schnippchen schlägt. Angesichts wirtschaftlicher Turbulenzen, instabiler Landeswährungen und unzureichendem Zugang zu Bankgeschäften dürften viele in Afrika diesen Währungsersatz zu schätzen wissen. Und nicht nur dort, denn die Inflation grassiert inzwischen überall. Für diese Anleger steht der Vermögenserhalt im Vordergrund, alles andere ist Beiwerk. Und was für unsere Zielkunden besonders wichtig ist, ist die Ideologie dahinter, die Abkehr von der von Bürokraten kontrollierten Zentralbankengemeinschaft hin zu etwas, bei dem Freiheit, Einfachheit, Zugänglichkeit und Anonymität sowie niedrige Transaktionsgebühren die entscheidende Rolle spielen.«
Pitt war hellauf begeistert, es war die Lösung, nach der er gesucht hatte. Aber er hatte keine Ahnung von der Blockchain-Technologie. Marc beruhigte ihn.
»Eine Kryptowährung ist relativ flexibel, sie nutzt ihre eigene Plattform und arbeitet unabhängig mit Coins. In unserem Fall sollten es sichere Stablecoins sein, also Coins, die durch Vermögenswerte stabilisiert werden. Diese preisstabile Kryptowährung zu schaffen, ist gar nicht so schwierig. Aufwendiger ist es, das Projekt am Laufen zu halten. Aber dafür gibt es spezialisierte Unternehmen, sogenannte BaaS, Blockchain-as-a-Service.«

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