3. Rückblick: Schreib, was du siehst
Das war das Schreibthema der dritten Woche: Schreib, was du siehst
Rückblick
Menschen. Sie drängen sich in die Straßenbahn, ohne vorher die Leute rauszulassen, die aussteigen wollen. Sie trinken die Milch aus und stellen den leeren Karton zurück in den Kühlschrank. Sie reden im Kino! Aber sind sie nicht wahnsinnig interessant?
In der dritten Woche von Seitenwind haben wir Leute beobachtet und von der Straße weg in unsere Texte geholt. Entstanden ist eine beeindruckende Sammlung fein gezeichneter Porträts.
Ein wohnungsloser alter Herr in der Straßenbahn, mit Löchern in seinen Plastiktüten „wie kleine Vulkankrater“. Käthe vonne Bude, von zierlicher Gestalt und mit einer Stimme „wie ein altes, ungeöltes Scharnier“. Wie genau in dieser Woche hingesehen wurde, merkt man an vielen einzigartigen und evokativen Formulierungen. Noch nie zuvor habe ich von einer Figur mit „hechtgrünen Augen“ gelesen, aber ich kann mir diese Augen unmittelbar vorstellen.
Es ist fast unmöglich, einen Menschen zu beschreiben, ohne zumindest anzudeuten, in welcher Beziehung man selbst (oder der Erzähler) zu ihm steht. Und damit hat man dann schon fast einen Plot! Wir lasen in der dritten Woche von flüchtigen Begegnungen, ersten Dates, mindestens einer Trennung und vielleicht vom Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Manche Texte zeigten in wenigen Zeilen tiefe, komplexe Beziehungen:
Ist das ein zaghaftes Lächeln, das du mir schenkst? (…) Diese Hand, die einst so kraftvoll den Teppichklopfer umfasste, bevor er auf mich herniedersauste, diese Stahlarbeiterhand, die stahlharte Schläge austeilte. Weißt du noch? Wie kraftlos sie doch heute ist.
Wir haben viele Menschen erlebt und vielleicht ein bisschen besser verstanden: die gestresste Mutter, den Mann mit dem Rucksack voller Walnüsse, das geflüchtete Kind auf Klassenfahrt, das von einer Fliegerübung aus dem Spiel gerissen wird. Aber wir wissen auch: Was wir gesehen haben, ist immer nur ein Ausschnitt. „Während ich das schreibe“, schließt ein Beitrag,
fällt mir auf, wie eindimensional unser Äußeres ist. Du könntest ein guter Freund, liebevoller Familienvater oder erfolgreicher Unternehmer eines Start-ups sein. Nichts davon lässt mein Text vermuten. Ich urteile über dich, anhand eines Augenblickes. Wie würde man mich beschreiben, wenn ich an deiner Stelle wäre?
Der Thread für die dritte Seitenwind-Woche ist jetzt geschlossen. Beiträge kann man dort nicht mehr posten. Aber Likes verteilen, das geht noch eine ganze Woche lang. So lange habt ihr Zeit, eure liebsten Beiträge auszuzeichnen.
Den Text mit den meisten Likes feiern wir mit einer Vollversion von Papyrus Autor, eine weitere verlosen wir unter allen, die teilgenommen haben. Am Dienstag, dem 8. November, erfahrt ihr, wer gewonnen hat.
Heute beginnt die vierte Woche unserer herbstlichen Schreibsaison. Und diesmal … müssen wir reden.
Wie hat euch das Thema der dritten Woche gefallen?
Ist es euch leicht gefallen, andere, vielleicht fremde Menschen so genau zu beobachten? Was waren die bedeutendsten Details, die ihr eingefangen habt? War euer Schreibprozess anders als sonst? Konntet ihr aus diesem Thema etwas für andere Projekte ziehen, an denen ihr arbeitet?