Rückblenden und Erinnerungen

Wie ich gelesen habe, sind Rückblenden verpönt. Erinnerungen sind eigentlich auch Rückblenden, aber besser akzeptiert. Ich habe bisher vier Bücher von Andreas Eschbach gelesen und da sind mir die vielen Erinnerungen an frühere Geschehnisse aufgefallen.
Ich überlege, wie ich Vergangenes am Besten in den Text einbauen kann. In einem Dialog ist wahrscheinlich die eleganteste Lösung, aber nicht immer möglich. Wie baut Ihr Vergangenes in die Geschichte ein?

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Ich versuche es meistens häppchenweise, um keinen langen und langweiligen Info-Dump zu produzieren.
In direkter Rede ist manchmal auch nicht so einfach, wenn die Person, die gerade angesprochen wird, den Sachverhalt eigentlich schon kennt - dann muss man ihr ja nicht alles nochmal erklären:roll_eyes:, also auch eher in Häppchen und ggfs. mit Andeutungen.
Manchmal hilft hier ein innerer Monolog.

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Es gibt auch heute noch zahlreiche Menschen, die daran glauben das die Erde eine flache Scheibe ist.

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Vorab: Ich schreibe in der Ich-Perspektive im Präteritum. Abwechselnd aus der Sicht meines Hauptprotagonisten und meiner Haupstprotagonisin.
Sie macht ihm gegenüber eine Bemerkung, die ihn an den schlimmsten Tag seines Lebens erinnert. Er antwortet ausweichend und reagiert abweisend. Sie traut sich nicht, weiter nachzufragen. Die Stimmung ist gedrückt und er erinnert sich an jenen Tag zurück.
Die Erinnerung habe ich so geschrieben, als würde er diesen Tag gerade erleben. Es ist eine eigene Geschichte in der Geschichte.

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@Alex:
Ich dachte beim Dialog eher daran, dass zum Beispiel eine neue Person Fragen stellt oder dass man jemanden den Grund für eine Handlung erklärt. Wenn alle den gleichen Kenntnisstand haben, ist natürlich eine Erklärung unnötig. Eine Idee wäre auch, dass man über die Beschreibung von Gegenständen, Kleidung oder sichtbaren Verletzungen einer Figur etwas über die Vergangenheit einfließen lässt. Das wären dann die kleinen Häppchen, die Du erwähnst.

@ mathies:
Das kommt daher, weil ich im Flachland lebe.

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@Pferdefrau:
Das ist eine interessante Idee. Die Vergangenheit als Flashback in die Geschichte einbauen.
Ist das in Deiner Geschichte ein einmaliges Erlebnis oder taucht der Flashback immer wieder auf? Einige Filme nutzen einen wiederkehrenden Flashback auch als Gestaltungsmittel.

Hallo Milar, es gibt noch einen Flashback.
Da ist es umgekehrt. Er fragt sie nach etwas aus ihrer Vergangenheit.

Die Rückblende an sich ist nicht verpönt, sondern ein Mittel, das mit Bedacht eingesetzt werden muss. Falsch eingesetzt reisst sie den Leser aus der Geschichte – das will niemand. Richtig eingesetzt unterfüttert es die laufende Geschichte mit Hintergrund und verleiht ihr dadurch mehr Tiefe.

Eine Faustregel, an die man sich im Zweifelsfall halten kann, ist: Keine Rückblenden in den ersten 3 Kapiteln.

Wie kein Buch anfangen sollte, ist nämlich so: Figur steht an der Bushaltestelle, wartet im strömenden Regen und fragt sich, “wie bin ich hierher gekommen?” Und dann – so auf der zweiten Seite Mitte – blendet es zurück, wie damals der Großvater … und später der Vater … jadda jadda jadda … und was weiter geschieht, weiß niemand, weil niemand so weit gelesen hat.

Die Bushaltestelle ist in so einem Fall völlig entbehrlich; besser, man fängt gleich beim Großvater an. Oder wo auch immer, Hauptsache so, dass man weiterlesen will. Im Gegenteil, die Bushaltestellensequenz schadet, denn sie verspricht dem Leser: “Wenn Du all diese Erinnerungen durchhältst, dann … dann … dann wirst du erfahren, wieso dieser trübselige Typ an einer Bushaltestelle steht!” Nur interessiert das halt niemanden.

Klingt jetzt witzig, aber ich hatte tatsächlich mal einen Roman in Händen, der so anfing. Ich hab nur gnädig verdrängt, wie er hieß und von wem er war …

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Danke. Das relativiert das Ganze. Ich würde noch weiter gehen. Es gibt Romane, die im Wesentlichen aus Rückblenden bestehen. Warum soll das verpönt sein?
Ich liebe Rückblenden gerade im erzählerischen Ich-Format, weil sie die Möglichkeiten geben, ins Präteritum zu wechseln (und damit in den üblichen Erzählmodus) und zudem die Möglichkeit geben, ein Ereignis aus persönlicher Sicht zu reflektieren. Zudem kann ich dabei nach Belieben das Erzählte aus Sicht meiner Figur raffen, hervorheben und beurteilen. Dann lasse ich wieder gegenwärtige Handlung ablaufen. Passt doch gut zusammen. Man muss nur aufpassen, dass der Rückblick kompakt bleibt und die eigentliche Handlung unterstützt, aber nicht verwässert.

Diese Regel kannte ich noch nicht. Bei mir setzt der Rückblick ab dem zweiten Kapitel ein.
Verdammt! Damit habe ich die Faustregel verletzt (Schulterzucken…).

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Eine durch das Gesprochene aufkommende Erinnerung während eines Dialoges einzuschieben, ist gut und ja auch eine logische Abfolge. Allerdings sollte dieser ‘Ausflug’ in Vergangenes nur kurz, mit wenigen Sätzen, erfolgen. Zu lange Blöcke, ich habe da schon erlebt, dass gleich eine halbe Seite oder mehr in Vergangenem verbracht wurde, ist meiner Meinung nach schädlich für einen ungestörten Lesefluss. Nach so langer Rückerinnerung erschrickt man dann beinahe, wenn eigentlich anknüpfender Dialog aufkommt und man sich erst kurz orientieren muss, wo denn der letzte Dilaog stattfand.
Grössere Blöcke Rückerinnerungen verpacke ich gerne in Gedankenmonologen, in denen der Handelnde Gedankenversunken z.B. bei einem Kaffee/Bier sitzt und über das zuvor erlebte nachdenkt.
Wenn es viel ist, das zu informieren ist, könnte man dies auch als Prolog oder schlicht in einem zeitlich zurückliegenden Kapitel vermitteln.
Aber auch hier bin ich nicht der Freund von jenen Büchern, die andauernd zeitlich wild herumspringen. Das turnt mich ab.
Diese Art von Büchern, um es ähnlich mild wie @AndreasE zu schreiben, spende ich sehr schnell einem Händler für den Altwarenmarkt.

bei mir das Gleiche, ich hab eine (kleine) Rückblende im 2. Kapitel und ich werde sie wohl auch drinne lassen.

ich schaue schon, ob ich eine Rückblende nicht irgendwie anders unterbringen kann, manchmal geht das aber nicht, bzw. das Drumherumformulieren würde den Lesefluss wesentlich mehr stören.
Vermutlich ist das auch so eine Frage, die sich mit ‘Kommt drauf an’ beantworten lässt. Wenn es passt mit der Rückblende, würde ich sie guten Gewissens verwenden (mache ich auch), solche Sachen wie die von Andreas geschilderte Bushaltestelle dürfen halt nicht passieren.

Sehr wichtig finde ich noch, dass man dann von der Rückblende zurück in die ‘Jetztzeit’ mit ein oder zwei kurzen Sätzen überleitet. Dann empfindet man es beim Lesen insgesamt auch nicht so sehr als Bruch.

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Das Schöne beim Schreiben ist, dass man alles machen kann, wenn es funktioniert. :wink:

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Das meinte ich damit. Wenn es einem gelingt, die Geschichte glaubhaft zu machen.

Vielen Dank für die verschiedenen Beiträge. Jetzt habe ich ein differenzierteres Bild zum Thema. Damit kann ich was anfangen.

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Ich bin Asandra Bruggs. Ich schreibe auch gerade einen Fantasyroman und hatte eine Idee, was Rückblenden/ Erinnerungen betrifft. In meinen Roman *träumen *die Charaktere sowohl ihre Vergangenheit, als auch die Zukunft. Fand die Idee kreativer, als sie einfach nur so in die Bücher einzubinden.

Hallo Asandra. Das ist eine gute Idee mit den Träumen. Ich habe im letzten Roman beides eingebaut. Zuerst hat mein Held einen Traum, der ihm, ohne dass er es weiß, die Richtung zeigt, in die es gehen wird, dann kommen die Rückblenden und Erinnerungen, die das dann konkret machen. Bei mir wurde er ins Koma geprügelt, wacht im Krankenhaus auf und hat Erinnerungslücken, die sich nach und nach schließen und sich mit der Gegenwart verbinden.

Mit (Alb-)Träumen arbeite ich auch gern, gerade, wenn es um traumatische Ereignisse in der Vergangenheit geht. Ansonsten finde ich eine Hein-Blöd-Figur, die von nichts eine Ahnung hat, immer recht hilfreich. Die kann dem Prota dann Löcher in den Bauch fragen, so es denn passt.
Reine Rückblicke, die nur in den Gedanken der Protagonisten stattfinden, oder gar ein Zeitsprung à la “Fünf Jahre zuvor:”, der dann ganze Kapitel füllt, finde ich persönlich immer abschreckend und lese sie oftmals nicht einmal, muss ich gestehen. Daher versuche ich wirklich relevante Infos etwas geschickt und vor allem kurz irgendwo einzustreuen. Nie mehr als eine halbe Seite. Denn mal ehrlich: Die wenigstens Rückblicke enthalten so viel relevante Infos, dass sie für den roten Faden der Geschichte essentiell sind. Meist reicht doch ein Absatz mit aussagekräftigen Worten, um dem Leser klarzumachen, was da passiert ist. Der ist ja auch nicht so ganz phantasielos und kann sich vieles vorstellen. Von daher spiele ich auch gern mit Andeutungen und Gefühlen.
Wenn ich meinem Leser ein Bild zeigen kann, wie mein Protagonist vor Angst zittert, als er einen roten Ball auf die Straße rollen sieht und er einige Seiten später bei dem Anblick eines Kindes oder dem Geräusch eines Krankenwagens Herzrasen bekommt, ist es spannender als stur die Erinnerung in den Gedanken auftauchen zu lassen, in der erklärt wird, dass sein Kind überfahren wurde. Durch geschickt eingestreute Gefühle und Bilder kann sich der Leser seinen Teil denken, ohne dass ich es ihm erzählen müsste. Und wenn ich meine Leser genug gequält habe, lasse ich meinen Prota den Rest der Vergangenheit meiner Hein-Blöd-Figur erzählen - allerdings auch nicht unendlich lange. Es soll ja vorangehen und nicht zurück.

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Hallo zusammen,

ich sehe es wie AndreasE.

Auch wenn Rückblenden verpönt sind, nutze ich sie in gewissen Bereichen auch.
Die Sache ist nur immer, wie packe ich sie an und wie füge ich sie ein, damit sie zur Gesamtheit der Story beitragen ohne Überflüssig zu sein.
Das ist mitunter nicht ganz einfach.

In einem meiner Buchreihen wird während der Handlung in den ersten Teilen von einer Schlacht auf einem Feld gesprochen.
Irgendwann schwelgt der Protagonist in Erinnerung an seinen Kameraden, da er eine schwere Entscheidung treffen muss. An diesem Punkt habe ich dann Teile dieser Schlacht eingebaut, da sie sich gegenseitig beschützt haben.
Es geht also um die Bindung der beiden. Verluste, mit denen sie klar kommen mussten. Die Beziehung wird also in dem Moment intensiviert und die Entscheidung wird dadurch noch schwerer für ihn, als ohnehin schon. Abgesehen von den grausamen Erlebnissen, die sie miteinander verbinden.
Außerdem wird dieses Feld noch eine gewichtige Rolle spielen, aber mehr sage ich dazu noch nicht.

Teilweise sind Rückblenden auch gut um zu zeigen warum ein Protagonist so geworden ist, wie er jetzt ist.
Erlebnisse prägen einen, das sollte man nicht vergessen.
Und im wahren Leben ist es doch auch so, wenn wir von unserer Vergangenheit erzählen, oder?
In unserem Kopf spielen sich doch dann auch Rückblenden ab, wenn wir darüber berichten.

Wichtig ist einfach nur, dass man den roten Faden nicht verliert und man nicht zu viele Rückblenden einbaut, damit es mit der Story voran geht.
Richtig eingesetzt können sie die Story sogar vorantreiben.

LG Tessley

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