Psychologischer Hintergrund einer Figur?

Hallo, zusammen.

Ich möchte eine Figur in meinem Fantasyroman ausarbeiten, die jetzt (unerwartet) eine bedeutendere Rolle spielt. Dazu spreche ich vor allem diejenigen unter Euch an, die Ahnung von Psychologie haben.

Bisher habe ich nur festgelegt, dass die Figur eine Dame Anfang 60 und Witwe ist.

Sie ist sehr gutmütig und harmoniebedürftig, hat einen eindeutig mütterlichen (oder großmütterlichen?) Zug an sich und sieht in jedem Gegenüber erstmal das Gute.
Das geht so weit, dass sie sich von ihrem eigenen Haussklaven komplett ausnutzen lässt. Während er sich in künstlerischen Aktivitäten, für die er gar kein Talent hat, “kreativ auslebt”, ist sie diejenige, die ihm Tee kocht, obwohl es eigentlich andersherum sein sollte.
Auch anderen Sklaven oder Kindern gegenüber ist sie freundlich-mütterlich, lässt sich gleich mit Vornamen anreden (was eigentlich gegen die Etikette verstößt, Sklaven haben ihre Herren zu ihrzen, also mit “Ihr” und “Euch” anzureden) und findet für das Fehlverhalten der sie umgebenden Personen immer schnell eine Entschuldigung.

Habt Ihr ein paar Ideen für mich, wie ihre Kindheit, Jugend und ihr frühes Erwachsenenleben verlaufen sein könnten, dass sie so geworden ist? Ich kann an ihrer Biografie noch einiges ändern, nur ihr Alter und ihre Witwenschaft (siehe oben) stehen fest.

LG und vielen Dank im Voraus

Pamina

Ich zitiere mal aus dem (brillanten!) Buch “Stressbewältigung Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung”(2. Auflage 2010; Springer-Verlag, S. 215) des psychologischen Psychotherapeuten Prof. Dr. Gerd Kaluza:

“Sei beliebt!
Im Hintergrund dieses Stressverstärkers steht das Anerkennungsmotiv, der Wunsch nach Zugehörigkeit, nach Angenommensein und Liebe. Wenn dieses Motiv übermächtig und zur absoluten Forderung erhoben wird, dann verbindet es sich mit einer ausgeprägten Stressanfälligkeit vor allem gegenüber solchen Situationen, in denen Ablehnung, Kritik und Zurückweisung durch andere möglich sind oder drohen. Als besonders belastend wird auch erlebt, wenn man eigene Interessen vertreten und andere enttäuschen muss oder wenn Konflikte, Meinungsverschiedenheiten u. Ä. mit anderen bestehen. Derartige Situationen müssen unter allen Umständen vermieden oder entschärft werden. Dies wird versucht, indem man eigene Interessen zurückstellt und sich bemüht, es buchstäblich allen recht zu machen. Auch eine übergroße Hilfsbereitschaft steht bisweilen im Dienst des “Sei beliebt!”-Verstärkers. Sicher gibt es immer wieder Situationen, in denen es notwendig oder angemessen ist, Kompromisse zu schließen, nachzugeben und anderen zu helfen. Das Problem liegt auch hier wieder in der Übertreibung, in einem “Zuviel des Guten”, das auf längere Sicht in die Selbstüberforderung und ins Burn-out führt.”

(Von Ulli moderiert) → bitte nicht böse sein, aber wir können keine Links darauf überprüfen, ob sie OK sind, daher nehme ich den Link mal raus. Das ist KEINE Wertung, werte Tintenteufelin, sondern nur die leider vom Gesetzgeber vorgegebene Vorsicht. (Ulli Moderation Ende).

Ich gehe also davon aus, dass deine Protagonistin zuhause nur dann Anerkennung, Liebe, Lob und Beachtung fand, wenn sie ein liebes, braves, angepasstes Mädchen war. (Oder sie zumindest glaubte, dass das so sei.) Eins, das stets seine Hausaufgaben machte, gute Schulnoten heimbrachte, sich nicht schmutzig machte, stets Bitte und Danke sagte, hilfsbereit war. Vielleicht hat sie sogar “die andere Wange” hingehalten, wenn man sie schlug. Sie hat wenig Selbstbewusstsein und das merkt ihre Umgebung. (Daher traut sich der Haussklave auch sich seinerseits bedienen zu lassen). Sie hat nie gelernt “NEIN” zu sagen: denn dann rechnete sie (ob das so gewesen wäre, sei mal dahingestellt) mit Liebesentszug / mangelnder Beachtung.

Vielleicht ist sie ein sogenanntes “Sandwich-Kind”? Das mittlere in einer Familie? Das älteste war lange der Prinz / die Prinzessin, bevor es vom mittleren vom Thron gestoßen wurde. Das älteste Kind muss Kämpfe ausfechten, um das was es darf, die Eltern sind ja noch unerfahren. Das jüngste Kind ist oft das Nesthäkchen: es darf viel mehr als die älteren, denn die Eltern sind ja inzwischen schon erfahren und wissen, was geht. Es muss nicht mehr kämpfen. Ja und das mittlere Kind geht oft ein bisschen unter: es wird von oben gedeckelt, vom älteren Geschwisterteil, muss aber seinerseits als das größere Geschwisterkind auf das jüngste Rücksicht nehmen. Es ist daher oft unauffällig und lernt dann auch, dass es so am besten durchs Leben kommt: wer lieb und brav ist, bekommt Anerkennung, entlastet das doch die Eltern, die mit dem ältesten Kind (vielleicht schon im Teenager-Alter) alle möglichen Sträuße ausfechten müssen und bei denen das Kleinste noch so viel Aufmerksamkeit verlangt, so dass sie dankbar sind, wenn ein Kind wenigstens pflegeleicht ist.

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Entschuldigung, ich wollte nichts Unerlaubtes tun und bin nicht böse. Also dann liebe Pamina22: google einfach mal unter der Kombination „Harmoniebedürftig“ und „EFA“.
Ich hoffe, das ist jetzt so ok? :slight_smile:

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Ist halt einfach die lästige Pflicht, die der Gesetzgeber den Forenbetreibern auferlegt - jeder Link muss geprüft werden. Ich gucke immer kurz auf eine Seite, und wenn die komplex ist und viele Seiten und eigene Links enthält, kann ich das nicht gewährleisten, egal, wie OK eine Seite auch auf den ersten Anschein aussieht. Ergo muss ich sowas leider rausnehmen.
Das ist schon alles, so schade, wie das oft ist.

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Es kann noch andere, mögliche Gründe für ihr Verhalten geben.
Vielleicht ist die Dame ja nur ein unverbesserlicher Idealist, der die Menschen so annimmt, wie sie sind. Und auch einmal dabei zurücksteckt. In einer Gesellschaft, in der es “Herren” und “Sklaven” gibt und die gesellschaftlichen Parameter einen dazu zwingen, andere Menschen als minderwertiger zu betrachten, deutet eher auf eine kranke *Gesellschaft *hin, als auf die kranke Psyche einer alten Dame. Insofern ist sie eher ein Rebell, ein kommunistischer Anarchist und eine gute Seele. Was krank und gesund ist, bestimmen die jeweilige Epoche, die passende Moral dazu und keinerlei Toleranz. Es sind im Dritten Reich viele Verfolgte von eben solchen Menschen gerettet worden, die ein grosses Risiko eingegangen sind. Und nicht, weil sie psychisch krank sind, sondern eher deutlich gesünder als die Umwelt. Vielleicht hat die Mutter dieser Dame ein ähnliches, verborgenes, menschliches Leben geführt, und das hat sie die Menschlichkeit gelehrt.
Wenn man anderen Menschen hilft, muss man oft zurückstecken. Wir können nicht alle alles haben und Verzicht ist ja nun auch nicht immer die Hölle. Als König George in der Mitte des 20ten Jahrhunderts auf seine Thronfolge verzichtet hat, um mit einer bürgerlichen, geschiedenen (Achottachottachott!) Frau zusammenleben zu können, war das natürlich ein gesellschaftlicher Bruch. So ähnlich wie jetzt bei Harry und Meg fanden und finden die meisten Briten das absolut Scheisse.
Stellt sich jetzt die Frage, ob Georgibaby eine belastende Kindheit hatte - und davon bin ich überzeugt -, aber die Lösung war genial und sehr, sehr mutig.
Überhaupt: Niemand hat das Recht zu gehorchen!!!

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Danke, @Tintenteufelin,
ich werde mich mit Deinen Ratschlägen befassen.
Vielen Dank auch, @narratöör, für Deine Ideen. In meinem Fantasyroman wird die Gesellschaftsordnung mit Herren und Sklaven jedoch bisher nicht infrage gestellt. Zumindest nicht von den Herren. Es gilt sogar als gesund, Sklaven zu besitzen, obwohl noch niemand die Ursache dafür kennt. Die müssen die Beteiligten erst herausfinden. Das hängt mit einer Art “energetischer Symbiose” zusammen. (Allerdings würde ein "normales Zusammenleben ohne Hierarchie dafür auch ausreichen. Das weiß nur keiner.)
Das System wird natürlich umgeworfen werden, allerdings von einem Sklaven, meinem Protagonisten, nicht von der oben erwähnten Dame. Ich denke, sie ist so geworden, weil sie immer ein Haus voller Kinder haben wollte, aber nur eines bekommen hat, das auch noch früh verstorben ist. Idealistin ist sie nicht. Eher in der traditionellen Frauenrolle verhaftet. Und in ihrem Alter wird sie da wohl auch nicht mehr rauskommen. Das bleibt einer jüngeren Protagonisten der “Herrenklasse” vorbehalten. Die kämpft sich nach und nach ihren Weg aus einer traditionelle Frauenrolle frei.
Die oben genannte Dame wird auch keine Protagonistin werden. Ursprünglich sollte sie nur einmal in Band 1 auftreten. Aber jetzt hat sich der Plot weiterentwickelt und sie bekommt eine etwas wichtigere Rolle, aber zu Protagonistin reicht es noch lange nicht. Aber wer weiß, was noch kommt … Bis Band 4 will ich gehen. Das ist noch ein langer Weg …

LG

Pamina

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Liebe Pamina22;
ich wollte Deinen Thread nicht schreddern.
Bei Themen wie Sklaverei gehen mir nur manchmal die Maultiere durch. Sklaverei ist ein sehr aktuelles, sehr, sehr krankes Problem. Ich habe gerade einen Bericht gesehen, in dem von Sklavenhaltung in England und Schottland die Rede war. Man staune: Der übelste Hort dieser “Geschäftsidee” findet man in schottischen Nagelstudios, in denen kleine, oft minderjährige Asiatinnen den blöden Kühen der oberen Gesellschaft die Hufen pinseln. Die sich einen Scheiss darum scheren, wer die Damen verschönert.
Mitten in Europa.
Ich wünsche Dir und Deiner Heldin alles nur erdenklich Gute.

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Lieber @narratöör,
Du hast nichts geschreddert. Im Gegenteil! Vielen Dank für Deine Meinung zur Sklaverei. Genau das dachte ich nämlich auch, als ich einmal eine Reportage über Frauen gesehen habe, die von den Philippinen aus als “Haussklaven” in alle Welt geschickt werden. Diese moderne Form der Sklaverei (bei der die Sklaven durchaus bezahlt werden, nur eben miserabel) wollte ich auch in meiner Fantasyserie unterbringen. Da es eine Entwicklung geben sollte, habe ich bei einer noch ursprünglicheren Form der Sklaverei angefangen: so, wie sie im Römischen Reich gang und gäbe war mit vielleicht einer kleinen Zumischung der Verhältnisse der Plantagenbesitzer in den Südstaaten der USA.
Dein Beitrag hat mir gezeigt, dass ich möglicherweise auf dem richtigen Weg bin! Aber bei der modernen Sklavenform bin ich noch nicht angelangt. Das dauert noch zwei Bände …
Danke dafür!

LG
Pamina

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Liebe Pamina22;
da bin ich ganz sicher. Aktuelle Themen sind wichtig.
Man will ja auch gelesen werden und da ist die Auswahl der jeweiligen Thematik oft entscheidend. Mein Roman No. 2 - soll dieses Jahr noch raus - behandelt das Thema Schule. Das war mir auch ein echtes Anliegen.
Viel Erfolg, Du hast ja noch viel vor, kannst Dich dann aber wohl die nächsten, hm, zehn Jahre ausruhen…

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Lieber @narratöör,

Ha! Da kenne ich mich aus. (Ist sozusagen mein tägliches Brot …) Falls Du Recherchehilfe brauchst … Aber fang hier keinen Thread an über das deutsche Schulsystem. Das würde eindeutig Ullis Server-Kapazitäten sprengen.

Und was das Ausruhen angeht: Ich werde bestimmt schreiben, solange ich einen Stift halten oder eine Tastatur bedienen kann. (Beim Diktieren bin ich mir nicht so sicher. Irgendwie hemmt das meine Kreativität. Ist aber wohl Übungssache.)

LG
Pamina

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Nein, natürlich nicht, Du Lehrerin, Du.
Nur soviel: Mein Sportlehrer war Ex-Kampftaucher und dementsprechend schwer pädagogisch gestaltete sich auch sein Unterricht. Teile dieser unvergleichlichen Erfahrung hab ich natürlich verwurstet. Ich denke auch, dass ein Text glaubwürdiger rüberkommt, wenn er einem am Herzen liegt. So wie Sänger bei echt traurigen Songs an eine echt traurige Situation denken sollten, das macht sich wohl im Schmelz der Stimme bemerkbar. Ich habe auch schon immer geschrieben und das wird sich auch nicht ändern. Wir machen das schon.

Hallo,
hier eine Idee von mir:

Sie war kein Wunschkind, und das haben ihre Eltern sie immer spüren lassen. Als sie alt genug war, haben sie sie in ein Internat abgeschoben. Dort herrschte ein strenges Regiment. Nur wer fleißig war und sich benahm, erfuhr Anerkennung. Ansonsten drohten schwere Strafen.
Sie hat ihren Eltern die Zurückweisung nie verzeihen und sich geschworen, wenn sie jemals eigene Kinder haben sollte, ihnen die Liebe zu geben, die ihr versagt blieb.

Danke, @Pferdefrau, ich werde sehen, was ich davon einbauen kann, was in meine Fantasywelt passt.

LG
Pamina