Provisorische Aufbewahrung von Leichen

Meine jüngste Erfahrung ist aber, dass man sich nicht zu sehr in Details verrennen sollte, was Realismus angeht. Die Erwartungshaltung der Leser und die Realität sind zwei unterschiedliche Dinge :see_no_evil:

In einer Szene bei mir ging es darum, dass jemand bei einer Greifenvorführung von eben einem Greifvogel verletzt wurde. Der halbe Oberschenkel wurde aufgerissen, die Wade gefühlt halb zerfetzt. Man benötigte einen Druckverband. Notarzt. Einsatzhubschrauber. Das volle Programm. Schon da war klar, dass die gute Frau die nächsten Wochen nicht gehen wird können. Die anwesenden Einsatzkräfte haben das dann beim Aufräumen nach dem Abtransport durch den Heli bekräftigt.

War keine wichtige Szene, mehr so ein Nebenschauplatz. Meine Grundlage für diese Idee? Ich selbst. Nur 2-3 Wochen davor war ich Augenzeuge bei genau dem Vorfall. Aber 5 von 6 Testlesern haben die Szene als völlig unrealistisch zerrissen. :sweat_smile:

Wenn es jetzt nicht sonderlich storyrelevant ist, würd ich mich von daher gar nicht auf spezifische Details einlassen. Sondern die Vorstellung „lag da halt einige Zeit“ reicht in den Köpfen vermutlich aus?

Tiere und Menschen sind nicht das Gleiche, aber meinen verstorbenen Kater hab ich nach etwa 48 Stunden gefunden und ich dachte zuerst, er schläft. Erst nachdem er nicht reagiert hat, war mir klar, was passiert sein muss. Allerdings wird natürlich viel von Fell verdeckt etc.

Als Laie find ich es daher plausibel, dass jemanden, der gerade vor 5 Minuten umgefallen ist, nicht von jemanden unterschieden werden kann, der vor ein paar Stunden umfiel. Fliegeneier etc seh ich als Passant ja auch nicht im Vorbeigehen, sondern ist dann eher was für die Obduktion.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich eine Metzgerei. Es entspinnt sich ein Streit, ob man die Leiche dort im Kühlraum lagern könnte.

Der Metzger, auch einer der Schaulustigen, wehrt sich gegen die Idee.
„Ein Toter in meiner Kühlhalle? Nur über meine Leiche!“
„Reg dich nicht so auf, Franz, sonst bist du der Nächste mit einem Herzkasperl“, meint seine Nachbarin.
„Du tust so, als ob du immer für deine Nachbarn da wärst“, ruft die andere. „Aber jetzt, wo es drum geht, Sepp nicht auf der Straße rumliegen zu lassen, sorgst du dich nur um deinen dummen Ruf! Hast du vergessen, dass ihr jeden Donnerstag drüben in Michels Kneipe gewürfelt habt? Und jetzt ists dir egal, dass die Fliegen ihre Eier auf ihn …“
„Na gut, na gut! Hört mir gefälligst jetzt auf damit!“

Und so gehts etwas hin und her, und schließlich knickt der Metzger mürrisch und zerknittert ein.

Hallo Suse,

ich gehe noch einmal auf Deine Eingangsvoraussetzungen ein, ohne nachzufragen, warum das so sein soll.

Die Autolyse des Körpers beginnt wenige Minuten nach dem Tod, d.h. es erfolgt eine Zersetzung der Zellen durch lysosomale Enzyme. Dies betrifft besonders enzymreiche Organe wie Leber und Bauchspeicheldrüse. Dieser Vorgang ist aber äußerlich nach 24 h nicht sichtbar.

Eine Kühldecke, zusammen mit Regen und dem Asphalt (alles kühlende Umstände) würden den Körper kühl halten und damit den Verwesungsprozess deutlich verlangsamen. Der Leichnam würde also nach 10-24 h unter diesen Bedingungen noch „frisch“ aussehen. Man dürfte ihn nur nicht umdrehen, da das Blut in die abhängigen Körperregionen absacken würde und hier zur Ausbildung von Totenflecken (Livores) führt. Dieser Prozess startet schon nach ca. 30 Minuten nach Todeseintritt. (Unter den hier genannten Bedingungen langsamer). Diese bläulich-violetten Flecken würden den Toten dann nicht mehr „frisch“ aussehen lassen. Das heißt, wenn die Leiche auf dem Rücken lag, sieht sie noch „frisch“ aus, dreht man ihn auf den Bauch kann man auf der Rückenpartie und seitlich Totenflecke erkennen, aber natürlich nur bei einer unbekleideten Leiche.

Alle weiteren Veränderungen (Zersetzung durch Maden, bakterielle Zersetzung mit Durchschlagen der Venennetze, Aufblähung der Leiche, etc.) würde später (Tage) stattfinden.

Zusammenfassen kann man sagen, dass unter den von Dir beschriebenen Bedingungen der Leichnam bestimmt noch nach 10 h „frisch“ aussehen würde, wahrscheinlich auch noch nach 24. Danach wird es unschön.

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Das ist keine Unterstellung. Es gibt einen Grund, warum in der Patho die Leichname in Kühlfächern, die sich dicht abschliessen lassen, lagern. Nicht nur der irgendwann einsetzende Geruch. Wenn dazu technische Daten gewünscht sind kann ich die gerne nachreichen. Ich sitze da an der Quelle, wenn auch in zweiter Reihe.

Wobei eine Kühldecke ja keine aktive Kühlung bietet. Sie soll im üblichen Verwendungsfall dafür sorgen, dass Wärme aus dem Körper abgeleitet wird, um eine kühlende Wirkung zu erzielen. Wobei hier keine Decken mit Gel- oder Wasserfüllung gemeint sind, denn es soll ja laut @Suse ein Teil sein, was jemand zufällig dabei hat.

Nicht zufällig. Eine bestimmte Personengruppe hat sie immer dann dabei, wenn …

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Echt? Doof. Danke.

Bei Fakten kommt es nie aufs Genre an. Ich wollte gern die Fakten wissen, um dann etwas daraus zu machen, was möglicherweise nicht der Realität entspricht. Aber, um von der Realität abzuweichen, muss ich sie ja erst Mal kennen.

Eine Freundin von mir hat sich mal einen Vortrag von ihm live angehört. Sie war beeindruckt.

Ich möchte gar keine Details liefern. Ich schreibe kein Sachbuch, sondern meinen nächsten Roman. Der Leser soll sich nicht durch medizinisches Wissen quälen müssen, sondern ich brauche die Informationen, um in meiner Geschichte darauf Bezug nehmen zu können.

Banales Beispiel, nur um mal zu verdeutlichen, worauf ich hinaus will:

Ich möchte einen Thriller schreiben, in dem Vögel die Menschen angreifen. Bleiben wir einfach mal bei Hitchcock. Der musste sich nicht in Ornothologie fortbilden, aber er musste wissen, dass Vögel fliegen können und um sie darzustellen, idealerweise auch noch, dass sie Federn und Schnäbel haben. Die Schnäbel waren wohl das Ausschlaggebende, ohne dass er den Zuschauer mit Schnabeldetails genervt hätte.
Und so muss ich das eben mit den Leichen wissen.

Das ist sehr schön inszeniert, jedoch eine völlig andere Geschichte als ich sie schreiben möchte. Metzger habe ich abgeschafft. Und nein, ich schreibe nicht an einer veganen Story. :smile:

Super. Dann kann ich es ja doch noch so machen, wie ich es vorhatte.

Das ist lieb von dir. Technische Daten sind jedoch nicht notwendig für meine Geschichte.

Zusammenfassung an euch alle:

Ich weiß nun, was geht und was nicht geht und wie sehr ich an der Oberfläche bleiben muss, damit niemandem auffällt, was nicht geht.

Danke! Jetzt komme ich weiter mit meiner Geschichte.

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