Hallo, vollkommen unschlüssig, stelle ich hier mal einen Prolog zur Diskussion rein. Dabei würden mich folgendes interessieren:
- Wie steht ihr generell zu Prologen/ Epilogen bei Krimis?
- Würde nachfolgender Prolog euch zum Weiterlesen animieren?
- Welche Erwartungen an die Geschichte weckt der Prolog in euch?
Noch ein paar Infos: Nach dem Prolog erfolgt ein Zeitsprung in die Gegenwart. Auch die Erzählperspektive wechselt in die personale. Im Laufe der eigentlichen Geschichte entpuppt sich der Zusammenhang mit der Person (dem Erzähler) aus dem Prolog. Der Krimi hat Lokalkolorit zur Stadt München, konkret zum Stadtteil Sendling. Das Denkmal des Schmieds von Kochel existiert dort real, genauso wie das Fresko und die Lindwurmstraße (Szenerie findet sich im Verlauf der Geschichte wieder). Die Auflösung zur Frage, mit welcher der Prolog endet, werde ich im Epilog liefern.
Vorab schonmal herzlichen Dank fürs Lesen und eure Tipps! Hier der Text:
München, September 1972.
Die Zeitung schlaff in meinen Händen überfliege ich die Überschriften und Bilder zu den Berichten über die Spiele. »Deutschland feiert - Gold im Hochsprung der Frauen.«
Die ganze Welt scheint sich darum zu drehen, wie Olympioniken um Medaillen kämpfen. Gisela Prodinger belegte in ihrer Disziplin nur den zweiten Platz. Tragischer Sieger war der Tod. Sie starb bei der Niederkunft ihres ersten Kindes.
Eine Geburt und zeitgleich ein Abschied vom Leben. Wie ein ungeduldiges Pferd mit seinen Vorderhufen, scharrt diese Ironie des Schicksals an meinen verborgenen Gelüsten. Der Neugeborene hatte seine eigene Mutter auf dem Gewissen. Nur wird er dafür kaum zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt werden. Gemächlich erhebe ich mich von der Parkbank, werfe die Zeitung zurück in den öffentlichen Mülleimer, aus dem ich sie hatte, und gehe weiter.
Der Säugling in den Armen der riesigen Holzschnitzfigur zieht meinen Blick an, wie ein Magnet. Nach den Lehren der katholischen Kirche hatte sie ihn unbefleckt empfangen. Gedanklich weile ich bei Frau Prodinger und ihrem Sohn, dem die Geborgenheit der leiblichen Mutter auf ewig verwehrt blieb. Niederknieend spreche ich ein Gebet für ihn. Sein Lebensweg solle besser verlaufen, wie meiner. Vorm Verlassen des Gotteshauses entzünde ich eine Kerze und stelle sie zu Füßen der Himmelskönigin ab.
Verweilend vor dem Fresko, das die nördliche Außenwand der alten Pfarrkirche ziert, huldige ich dem Mann im Zentrum der Wandmalerei. Barfuß, mit schlohweißem Haar und nur leicht bewaffnet, verteidigte er sich gegen berittene Soldaten der Besatzer. Der Schmied von Kochel, Inbegriff für Mut und Gerechtigkeit. Ihm zu Ehren wacht bis heute sein aus Bronze gegossene Ebenbild über das südliche Ende der Lindwurmstraße. Seine Hände waren mit dem Blut vieler Seelen befleckt. Nur er kämpfte für das Gute – ich brachte Mutter und Vater um. Weil sie mir unbequem waren, weil mir die dunkle Seite meines Wesens keine andere Wahl ließ.
Er wehrte sich gegen die Unterdrückung und Ungerechtigkeit – ich zog in den Krieg, um einen Wahnsinnigen zu dienen und im Sinne seiner schändlichen Ideologien zu töten. Selbst nach der Heimkehr aus dem Lager in Nowosibirsk waren Hass und Rache meine engsten Begleiter. Mit einem Ziegelstein erschlug ich den Mann, der mir die Frau nahm und sie zu seiner Liebsten erkor, während ich ein Leben als Kriegsgefangener und voller Entbehrungen führte.
Ob nicht doch ein Funken des Volkshelden in meinem Innersten glimme – die schlummernde Kraft des Guten? Selbst wenn, dann frage ich mich, ob es nicht zu spät ist, sie zu erwecken.