Hallo ^^
Ich habe die letzten beiden Überarbeitungsrunden von meinem ersten Werk Doppelgänger vor wenigen Tagen beendet. Nachdem ich es bald an einen Verlag senden will, würde ich mich über ein wenig Feedback freuen, ob ihr ein Buch mit solch einem Einstieg weiterlesen würdet oder ob andere Fehler auffallen.
Über Doppelgänger: Es ist ein Thriller/Romance Buch, in dem es um Tharik geht. Er ist Musiker in Norwegen und wird seit drei Jahren gestalkt - was sich nun immer weiter zuspitzt.
Danke schonmal!
Prolog:
Der Knall, mit dem die Scheibe zerbarst, hallte wie ein Schuss in Traces Ohren wieder. Es war nicht der Erste, den sie hörte. Aber es war der Erste, der so … nah war. Die Dunkelheit um sie herum zersprang in tausend Scherben, die im grellen Licht des Blitzes zu Boden fielen. Draußen brauste der Sturm, der sich die letzten Stunden über aufgebaut hatte. Die Decke über ihrem Körper, schwerer als ihrem Zuhause in Staoa, drückte sie auf die Matratze und versuchte, sie dort festzuhalten.
Trace fuhr hoch, entgegen dem, was sie die ersten 18 Jahre ihres Lebens gelernt hatte. Sie konnte ruhig bleiben, wenn sie einen Schrei hörte, aber nicht bei einem Schuss.
Einen Moment lang war ihr Herzschlag das einzige Geräusch, das ihr in den Ohren widerhallte. Ihre letzte Erinnerung war es, müde von einem Tag an ihrem Laptop eingeschlafen zu sein. Nicht, dass sie die letzten Tage viel andere zu tun gehabt hätte. Es störte sie nicht, solange er sicher war, würde sie weitere Wochen ohne mit der Wimper zu zucken hier verbringen. Er.
Als sie eingenickt war, war sie alleine gewesen.
Das hatte sich geändert.
„Trace!“
Ihre Augen durchforschten die Dunkelheit. Im nächsten Blitz sah sie ihn. Er lag neben dem Tisch, auf dem ihr Laptop stand. Ihr Stuhl war von seinem üblichen Platz weggerutscht. Sie sah ihn einen Wimpernschlag, einen Lichtblitz lang. Zumindest das, was von ihm zu erkennen war, der Rest blieb verborgen unter einer weiteren, dunklen Gestalt. „Trace, hörst du mich?“ Seine panischen Worte waren kaum zu verstehen. Sie wurden verschluckt vom Rauschen des Regens, dem Brüllen des Sturms, der sich in den letzten Stunden zu einem wahren Monster entwickelt hatte. Es machte sie nervös, die Art, wie er sprach. Meistens fiel es ihr einfach, ihn zu lesen, aber sie wusste, wie gut er darin war, seine Angst zu verstecken.
Gänsehaut überzog ihre Arme, die sie nicht bemerkte, ebenso wie den Ursprung der plötzlichen Kälte. Mit zitternden Fingern schob sie die Decke zurück und fuhr zusammen, als der Donner den Himmel über ihr zerriss. Begleitet vom Grollen, gelang es ihr, die bloßen Füße aus dem Bett und auf den kühlen Holzboden zu stellen, der sich klamm und feucht anfühlte. Sie sollte bleiben wo sie war und im Normalfall hätte sie es auch getan, aber sie konnte ihn nicht alleine lassen. Würde ihn niemals alleine lassen.
Als sie sechs Jahre alt gewesen war, hatte sie so lange geschrienen, bis man sie zu ihm zurückgebracht hatte.
„Verdammte Scheiße! Bleib wo du bist!“ Wieder schrie er sie an. Im Schein der immer schneller die Szenerie erhellenden Blitze sah sie das Entsetzen in seinen Augen. Den Blick starr auf ihn gerichtet, öffnete sie den Mund, um … Ein scharfer Gegenstand drang in ihren nackten Fuß ein und der Schmerz ließ sie taumeln. Trace sah hinab, durch die dunkelbraunen Locken, die sie mit ihrem Bruder teilte, über das blütenweiße Nachthemd hinweg, bis zu ihrem Fuß. „Au.“ Die Lippen verzogen balancierte sie auf dem rechten Bein, hob das Linke an und starrte auf die Scherbe, die in ihrer Ferse steckte. Zu tief, um sie mit zittrigen Fingern herauszuziehen. Sie schwankte, sah hilfesuchend zu ihm, zurück zum Bett. Zu der Fensterscheibe, während ihr erwachender Geist die Puzzleteile nach und nach zusammensetzte. Warum war er in dem Zimmer, das man ihr gegeben hatte, als man sie beide drei Wochen hier herverfrachtet hatte?
„Tharik.“ Sein Name verließ in einem erschrockenen Keuchen ihren Mund. Nach Halt suchend streckte sie die Hände in seine Richtung. Er bewegte sich nicht. Er kam nicht zu ihr.
„Tharik!“ Trace hatte eine dumpfe Ahnung, was geschehen war und warum, aber der Gedanke war zu schrecklich. Sie musste zu ihm. Sie musste weg vom Fenster. Die nackte Angst kroch ihr die bloßen Beine hinauf, versperrte ihr die Fähigkeit klar zu denken. Sie vergaß, wo sie war, fiel zurück durch die Zeit.
Trace trat auf den Zehen auf, dennoch grub sich die Scherbe des Fensters tiefer. Mit einem leisen Schrei hob sie den Fuß wieder. Einen Schritt hatte ihr der Versuch gebracht. Zentimeter, die sie ihm näher war. Trotz des Risikos, das der feuchte, rutschige Boden barg, wo der Regen in das Zimmer geweht wurde, versuchte sie, auf einem Bein zu hüpfen. Draußen auf dem Gang ging der Bewegungsmelder an, ohne das sie jemanden hören konnte. Hörte und sah nichts, außer ihn im gedämpften, einfallenden Licht, wie er versuchte, sich zu befreien.
Im Wind, der durch das zerbrochene Fenster wehte, flatterte ihr das Nachthemd um den schlanken Körper. „Geh zurück! Trace, geh sofort zurück!“ Flehend, verzweifelt waren seine Worte. Es wäre sicherer, aber sie konnte es nicht. Nicht, wenn er wenige Meter von ihr entfernt auf dem Boden lag, wenn jemand ihn festhielt, wenn er versuchte, sich zu befreien. Er war mehr als einmal mit Splittern in den Füßen für sie gerannt.
Trace kämpfte sich weiter, obwohl der Schmerz ihr die Tränen in die Augen trieb und sie die Szenerie nur verschwommen sah. Sie hinkte weiter. Blitz um Blitz erhellte ihr den Weg. Draußen vor dem Fenster knackten die Äste der alten Eiche. Trace fuhr zusammen, stolperte, ruderte mit den Armen durch die Luft, um nicht zu fallen. Sie kämpfte um ihr Gleichgewicht und schwankte auf einem Fuß stehend.
Trace hörte es nicht, nicht das Pfeifen, mit dem es durch die stürmische Nacht flog. Sie spürte es erst, als es ihr Nachthemd zerriss und dann ihre Haut. Wie es an ihren Rippen entlang schrammte, bis das Projektil knapp unter ihrem Herzen in ihrer Lunge stecken blieb. Der plötzliche Schmerz raubte ihr jeden Gedanken, jede Wahrnehmung, die nicht auf sie gerichtet war. Trace hörte weder den dumpfen Schuss von draußen oder das Krachen vom Baum her. Alle Sinne konzentrierten sich auf das drängende Gefühl, zu Tharik zu gelangen. Ein Ziel, das sich fest in ihren Kopf verankert hatte. Ein Ziel, das sie nie erreichen würde.
Trace zitterte, als die Erkenntnis, der brennende Schmerz, von ihrem Körper Besitz ergriff. Ihre Lunge kämpfte um Atem und je angestrengter sie um Luft rang, umso rascher tropfte ihr das Blut aus den Mundwinkeln, auf das weiße Nachthemd. Dieses Mal gab es keinen Halt mehr. Keine Chance, das Gleichgewicht wieder zu erlangen. Röchelnd sank sie in die Knie, streckte die Hand hilfesuchend nach Tharik aus. Sie durfte ihn nicht im Stich lassen. Ihr Kopf schlug auf dem mit Scherben übersäten Boden auf.
Thariks Schrei war das letzte Geräusch in der eiskalten Dunkelheit.