Prequel und der allwissende Erzähler

Hallo liebe Leute, es geht hier und heute um eine Sonderform, die sicher nicht allzu oft vorkommt, es geht um Prequels und wie man in ihnen mit dem Wissen über die Charaktere, den Plot und die Welt umgeht. Mein Prequel ist der vierte Teil einer Serie. Da es einen allwissenden Erzähler gibt, könnte er eigentlich auf Dinge in der Zukunft Bezug nehmen. Er könnte schreiben: »So ging sie ohne jedes Misstrauen mit ihm mit, so wie sie es dereinst mit ihrer großen Liebe tun wird/würde.«
Die meisten Leser kennen die ersten drei Teile, können also mit dem Satz, der auf den ersten Teil Bezug nimmt, durchaus etwas anfangen. Vielleicht gibt es aber irgendwann Leser, die die Serie mit dem Prequel beginnen, für die würde ich dann etwas vorwegnehmen.
Schreibt man das Prequel also so, als würde es Teil eins bis drei überhaupt nicht geben? Oder kann man, da die Leser ja schon alles kennen, auf Sachen aus der ›Zukunft‹ Bezug nehmen? Was mich betrifft, würde ich keine Spannungsbögen aus der Zukunft zerstören, aber kleinere Anspielungen als Guzzier* für meine Fans sollten drin sein. Liege ich da falsch?

*neudeutsch Goodies

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Also, in dem Beispiel, dass du nennst, sehe ich jetzt keinen „Spoiler“. Ich weiß ja nicht, worauf sich das bezieht/ beziehen soll/ beziehen wird. Davon abgesehen gibt es auch das Phänomen, dass Leute eine Geschichte spannend finden, obwohl - oder weil - sie den Ausgang kennen.

Was ich mich eher frage ist: Warum ein Prequel? Prequels sind sehr gemeine kleine Biester, die sehr häufig nach hinten losgehen. Wenn es die direkte Vorgeschichte zu deinem „normalen“ Plot und deinen „normalen“ Figuren ist, kann es sehr schnell sein, dass die Geschichte nur für Leute interessant wird, die die anderen Bände nicht kennen.
Mir persönlich fällt spontan nur eine Serie ein, bei der ich die Prequels wirklich mochte (teilweise sogar besser fand als das Original). Aber die Serie hat ein sehr episodisches Format und die Ereignisse des Prequels und der eigentlichen Handlung haben nicht viel miteinander zu tun, bzw. addressiert das Prequel keine Handlungen im Original.

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Warum ich ein Prequel schreibe? Weil ich es kann. Spaß beiseite, weil das Prequel schon existierte und bereits geschrieben war, da es die Buchserie noch gar nicht gab. Es ist (bei mir) wie ein erster Band, der nicht veröffentlicht wurde. Von daher habe ich die Probleme der normalen Prequel-Erschaffer nicht. sondern viele Dinge aus den ersten drei Bänden finden durch den Anfang von allem im vierten Band erst ihren logischen Schluss, weil man weiß, wo es herkommt.
Das Phänomen, dass es spannend ist, obwohl man das Ende kennt, verstehe ich, das geht meinen Lesern oft so, dabei mache ich es nicht bewusst, es ist meine Art des Erzählens.

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Verstehe. Dann fallen die Fallstricke natürlich weg ^^

Und wie gesagt, wenn deine Andeutungen so gehalten sind wie in dem Beispiel, sehe ich - als jemand, der die Geschichte nicht kennt - eigentlich kein Problem darin. Vorausdeutungen sind ja durchaus auch ein Stilmittel auktorialen Erzählens.

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Ich mag solche Vorausdeutungen grundsätzlich nicht, auch wenn sie sich nicht auf einen Folgeband beziehen. Sätze wie „Er wusste nicht, dass er diesen Schritt bald bitter bereuen würde.“ oder so ähnlich schrecken mich in jedem Fall ab.
Was soll so ein Satz? Normalerweise habe ich schon vor, das ganze Buch zu lesen, dann werde ich ja schon merken, was eine Figur bereut oder nicht. Und wenn der Autor oder Erzähler meint, mir hier eine Andeutung geben zu müssen, das etwas Schreckliches bevorsteht, weiß ich nicht, warum ich noch weiterlesen soll. Ich erwarte in einer Geschichte immer einen Konflikt. Aber ich möchte ihn gezeigt und nicht angesagt bekommen.

Aber vielleicht ist das Geschmackssache.
Ich würde so schreiben, als gäbe es die Fortsetzungen noch gar nicht. Wenn sie in der Zukunft liegen, können die Figuren davon ja jetzt noch nichts wissen. Ich würde höchstens in einer wörtlichen Rede eine Figur sagen lassen, dass die Tochter oder der Sohn sich vorsehen solle, denn die Zeichen stünden auf Krieg. Und in einem der nächsten Bände ist dann tatsächlich Krieg. Aber die Figur konnte das an den Zeichen der Zeit ablesen. Es ist keine Erzählereinmischung.

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Ein gutes Beispiel für ein Prequel ist „Der kleine Hobbit“ zu „Der Herr der Ringe“
Beide können unabhängig voneinander gelesen werden und ergänzen sich perfekt.
Macht es nicht weniger spannend.

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Meiner Meinung nach ist Foreshadowing bei einem allwissenden Erzähler kein Problem.
Ob es aber eine Lösung ist, kannst Du nur selbst entscheiden. Früher war es sogar
ein Stilmittel, aber da war der allwissende Erzähler auch noch weit verbreitet.
Welches Problem löst Du damit?

Stammleser brauchen es nicht. Neue Leser finden Dein Buch entweder gut oder schlecht.
Wenn sie es mögen, werden sie auch die folgenden kaufen. Wenn sie es nicht mögen,
wird keine Menge an Andeutungen groß genug sein, sie von Folgekäufen zu überzeugen.

Bleibt nur die Frage, ob eine Andeutung für den aktuellen Plot nützlich ist.
In Jugenbüchern sehe ich sowas oft, wenn den Autoren die Ideen für Cliffhanger
ausgegangen sind. Das ist eine Schublade in der Du nicht stecken möchtest.
Umso mehr will ein Einsatz solcher Andeutungen wohlüberlegt sein.

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Muss ein allwissender Erzähler alles erzählen?

Ich weiß nicht, ob ich vielleicht etwas nicht richtig verstanden habe. Von meinem Standpunkt aus würde ich in der Zeit bleiben. Es gibt ja kein Gesetzt, das einen Erzähler dazu verpflichtet, Andeutungen auf die Zukunft zu machen, nur weil er die Informationen dazu hat.

Grüße

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Ich mag Forshadowing sehr und finde es ein tolles Stilmittel, solange es subtil bleibt und nicht so explizit formuliert wird wie in deinem (vermutlich ad hoc erfundenen) Beispiel. Am liebsten mag ich Symbole fürs Forshadowing, also ganz platt eine aufgehende Sonne für die Hoffnung, oder wenn ich bei deinem Beispiel bleibe, ein Schwan, der einem anderen Schwan folgt und dann schnäbeln sie miteinander (oder was Vögel so tun). Meiner Erfahrung nach ist ein Prequel eher etwas für richtige Hardcore-Fans, die keine Zeile verpassen möchten. Wenn das Prequel auch für neue Leser geeignet ist, könntest du es auch als Lockmittel für die Newsletter-Anmeldung nehmen. Ich habe z.B. ein Prequel als TB herausgebracht, das Ebook gibt es aber nur für Newsletter-Anmelder.

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Du nimmst mir jedes Wort aus dem Mund, sei es das „Ansagen“ von Bedrohungen, anstatt sie als dräuende Schatten zu erzählen, sei es der eher geringe Nutzen solcher meist plumpen Prophezeiungen oder einfach der persönliche Geschmack.

Allein aus Geschmacksgründen verzichte ich selbst sehr gern auf einen allzu allwissenden Erzähler, mag es sogar, wenn der Erzähler das Geschehen im selben Augenblick entdeckt wie der Leser. Schon deshalb würde ich das Prequel schreiben, als wüsste der Erzähler nichts von den kommenden Ereignissen.
Um auf die Ausgangsfrage zu kommen: Aus meiner Sicht helfen solche Vorausblicke niemandem – dem neuen Leser würden Dinge vorweggenommen, die er in den anderen Bänden noch entdecken könnte; ein Leser, der die zukünftigen Ereignisse kennt, benötigt die Verweise derweil nicht, allenfalls, um der müden Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ein Prequel geeignet ist, einem Leser mit Zukunftskenntnis ein paar Leckerlis hinzuwerfen. Wenn nach drei Bänden ein Prequel folgt, das die gesamte Erzählung sinnvoll ergänzt, dann doch nur, weil im Erzählverlauf auf eine (womöglich nicht näher ausgemalte) Vergangenheit verwiesen wurde, die es wert ist, ausgestaltet zu sein. So gesehen wurden in den ersten Bänden die Goodies ausgeworfen, und es ist die Aufgabe des Prequels, die Goodies aufzunehmen, zu essen, nein durchzukauen. Das Prequel sollte - und das ist nur meine Meinung - die Vergangenheit fertigerzählen und dem Leser den Moment der Erleuchtung verschaffen, sobald sich der Kreis schließt, anstatt die Zukunft anzuteasern.

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