Hallo zusammen, haben wir hier Poesie fans? Welches Kunstwerk ist dein Favorit? Kannst du es bitte hier teilen?
Mein absoluter Favorit ist “Gruselett” von Christian Morgenstern:
Der Flügelflagel gaustert
durchs Wiruwaruwolz
der rote Fingur plaustert
und grausig gutzt der Golz.
Oh, jetzt weiß ich, wo Christian Enzensberger für sein Gedicht “Der Zipferlake” abgeguckt hat! Das ist eine Übersetzung von “Jabberwocky” von Lewis Carroll.
Ich persönlich mag gerne Limericks oder auch lokale Mundartgedichte. Hab schon mal eine Büttenrede für meinen Sohn geschrieben, als er als Darth Vader am Schul-Fasching aufgetreten ist (Count Dooku saachd zum Greivous: “Heit plan isch ebbes Fieses!”…).
Ich mag auch Haikus oder Sonnette.
Ist für mich aber mehr Spielerei. Manchmal fällt mir ein lustiges Pfälzer Gedicht ein. Das schreib ich dann auf… Zum Beispiel:
Moi Neischlubbschlabbe (von mir :))
Wanns drauße widder kälder werd
de Wind am Fenschderlaade zerrd
unn Rechetonne iwwerschwabbe.
Wanns dungle, digge Wolge zieht
de Hund soi Winderfell grad krieht,
frää ich mich uff moi Neischlubbschlabbe.
Die sinn so kuschlich und begwääm,
beim Traache rischdisch aagenähm!
Mei Fies, die bleiwen immer trogge.
Kenn glenner Stää duut mer do weh.
Ich laaf mit denne ach im Schnee
viel liewer als mit Rumlaafsogge.
Es gebt jo schunn viel schääne Schuh,
Ledderpömps g’hern aa dezuu
unn ach die Laatsche vunn moim Babbe.
Doch wollner lääwe uubeschwerlich,
folgt moim Rot, ich mään’s ganz ehrlich:
Kaafen eich paar Neischlubbschlabbe!
**
@Zauberfrau
das ist ja ein Gedicht zum Reinkuscheln!!! … schon der Neischlubbschlabbe und der Rumlaafsogge wegen … einfach klasse!!!
Ganz lieben Dank!
Das versteht man sogar als Rhoihesse
Für mich ist auch Morgenstern seit frühester Jugend angesagt. Ich hatte schon als Schüler “Das große Lalula” auswendig gelernt, weil ich es abgefahren fand. Bis heute für mich unübertroffen, die Sammlung der “Galgenlieder”.
Über den “Werwolf” aus den Galgenliedern bin ich seinerzeit auf Morgenstern aufmerksam geworden. Seitdem hat er mich nicht mehr losgelassen. Der Band mit seinen gesammelten Werken liegt immer auf meinem Schreibtisch. Eines - von vielen - meiner Lieblingsgedichte aus dem Galgenliedern ist “Bim, Bam, Bum”.
@Max : Hast du das Schachspiel hinter “Lalula” kapiert?
Sorry, seltsamerweise ist es bei mir ein englisches Gedicht. Und wenn ich jetzt den Finger drauflegen müsste,
dann stochert er wie wild rum. Keine Ahnung warum es sich mir so eingebrannt hat. Rein limbisch, denk ich mal…
**
The Tyger - William Blake**, und vor allem dieser Teil, …
…] *In what distant deeps or skies.
Burnt the fire of thine eyes?
On what wings dare he aspire?
What the hand, dare seize the fire?
And what shoulder, & what art,
Could twist the sinews of thy heart?
And when thy heart began to beat,
What dread hand? & what dread feet? *…]
Da gibt es auch eines, das ich sehr mag. Es ist von W. B. Yeats:
I hear the Shadowy Horses, their long manes a-shake,
Their hoofs heavy with tumult, their eyes glimmering white;
The North unfolds above them clinging, creeping night,
The East her hidden joy before the morning break,
The West weeps in pale dew and sighs passing away,
The South is pouring down roses of crimson fire:
O vanity of Sleep, Hope, Dream, endless Desire,
The Horses of Disaster plunge in the heavy clay:
Beloved, let your eyes half close, and your heart beat
Over my heart, and your hair fall over my breast,
Drowning love´s lonely hour in deep twilight of rest,
And hiding their tossing manes and their tumultuous feet.
Neri, hilf mir mal! Zwar kenne ich das Lalula seit vielen Jahren, aber auf ein Schachspiel bin ich dabei noch nie gekommen.
@Max
In meinem Morgenstern-Sammelband folgt auf “Das große Lalula” die umfassende Beschreibung einer Schachparty, auf die sich der Gesang beziehen soll.
Beispiel:
Kroklokwafzi = Ka5 = (weißer) König a5. Das Fragezeichen bedeutet: ob die Stellung des Königs nicht auf einem andern Felde vielleicht noch stärker sein könnte. Aber sehen wir weiter.
Semememi! = Se1 = (schwarzer) Springer e1. Das Ausrufungszeichen bedeutet: starke Position.
Bifzi, bafzi = bf2 und ba2 (weiß). Versteht sich von selbst.
Entepente = Te3 = (weißer) Turm e3.
Leiolente = Le2 = (schwarzer) Läufer e2.
… und so geht das in einer Tour weiter. Ich habs nie kapiert … soll man vielleicht auch nicht
Abgefahren! Morgenstern zum Schachspielen! Vielen Dank.
Gibt es noch mehr Galgenlieder mit verschlüsseltem Code?
Vielleicht “Der Zwölf-Elf” oder “Das Mondschaf”?
Hier noch eine kurze Betrachtung für Grammatik-Fetischisten:
*
Unter Zeiten
Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen aufs Futurum am
(was man wohl gelten lassen kann).
Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.*
Der “Zwölf-Elf” ist der Hit!
Ich lese Morgenstern heute noch mit derselben Ver- und Bewunderung wie vor 30 oder mehr Jahren. Der ist immer wieder für eine Überraschung gut.
… und weils einfach nur genial ist, hier noch mal mein “erster” Morgenstern:
DER WERWOLF
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind, und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
»Der Werwolf«, – sprach der gute Mann,
»des Weswolfs« – Genitiv sodann,
»dem Wemwolf« – Dativ, wie man’s nennt,
»den Wenwolf« – damit hat’s ein End’.
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb’s in großer Schar,
doch „Wer“ gäb’s nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind –
er hatte ja doch Weib und Kind!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
… doch noch eine Erläuterung zum Zwölf-Elf gefunden:
In Zeile 8 heißt es:
*“Der Schneck horcht auf in seinem Haus
Desgleichen die Kartoffelmaus.”
*
Dazu merkt Morgenstern an:
*Zeile 8: In dem ihrigen natürlich. – Kartoffelmaus, vollerer Ausdruck für Feldmaus. Nebenbei ist es eine exorzierte Maus.
*
… und zum Zwöf-Elf selbst:
Der Zwölf-Elf: (Endekus dodekus) ein sogenanter Schwarzelf oder -elb.
Der Zwölf-Elf hat das aber ein Gedicht später entschärft und sich von jemem Tag ab “Dreiundzwanzig” genannt.
… ich sag’s ja: fängt man einmal mit Morgenstern an, hat’s einen