Plattschriebers söcht

Unvergessen dieser schöne Sketch mit Peter Frankenfeld - heute würde es allerdings (zu Recht!) Proteste hageln, dass er da Ostpreußen zu Deutschland zählt.
Aber Anfang der 70er hat man das nicht nur noch toleriert, sondern lief sogar Sturm (sic!) gegen Brandts Ostverträge und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, die für uns heute selbstverständlich ist.

https://www.youtube.com/watch?v=jZiLwyXXKEw

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Unvergessen. Für die Alten hier im Forum. Übrigens auch so ein Dialekt - Ostpreußisch.
Für mich auch ganz wichtig: Siegfried Lenz, “So zärtlich war Suleyken”. In dieser Kurzgeschichtensammlung von 1955, wird sehr genau skizziert, wie die ländliche Bevölkerung Masurens so drauf war. In einer Geschichte kommt ein Zirkus ins Dorf und ein Zauberer zieht einem Zuschauer eine Taube aus dem Hut, woraufhin dieser Zuschauer - vollkommen logisch - die Taube für sich beansprucht. Sie war ja schliesslich in seinem Hut. Anschliessend zieht sich der naive Tropf vollkommen nackt aus, in der Hoffnung “… dass ihm vielleicht ein fetter Truthahn aus der Unterhose flattern mechte.” Mechte, nicht möchte.
Einfach grandios.

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Do wo isch her kum, babble´die Laid awa a ganz annascht. Ich wees des noch, her. Da alte Chef en Iwasetza hot kumme losse misse, aweil der die Schwobe schunscht näd vaschdanne hot. Vaschtehsch? Wahs was ich mähn? Soh, jetz kumsch Duh!

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Ruft einen RTW! Schlaganfall!!!

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Aber so klingt es. In meinem Ort werden “a” “e” und “o” in einer Mischung aus “eä” "oä"und "eö"noch eine halbe Sekunde lang gezogen, mit Übergang in die Kopfstimme.
Das am Ende angesetzte: “Soh, jetz kumsch Duh!” ist die Aufforderung an den Gegenüber, darauf zu antworten oder irgendwas anderes zu erzählen. Meist hören die Leute sich gegenseitig gar nicht zu.

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Wenn man sich die Kommentare zu diesem Thema so durchliest, bringt einen das unweigerlich auf ein wichtiges Thema in der Literatur, nämlich:

Wie stellt man in einem Text (Roman, Kurzgeschichte, Theaterstück… egal) einen Dialekt so dar, dass der zwar authentisch wirkt, aber trotzdem den Lesefluss nicht behindert?

Darüber gibt es sehr verschiedene Meinungen… die Diskussion ist eröffnet.
(Lesetipp dazu: Irgendwas von Thomas Mann - der konnte das meisterhaft, nicht nur in den Buddenbrooks)

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Kein leichtes Thema. In meinem zweiten Roman - coronatechnisch leider verschoben - reden die Protagonisten so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Teilweise kommen meine Helden aus dem kriminellen Milieu bzw. aus der Szene. Im Roman wird weitgehend klar, dass “die Stadt” wohl Hamburg sein muss. Es sagt allerdings niemand “Moin!”, die Sprache bewegt sich eher im Bereich von “Ey, Alder”, “Mach kein Scheiss” etc… Ab und zu tauchen Worte auf wie “in die Plünnen”, usw… Wenn man mal Jan Fedder in “Großstadtrevier” gehört hat, weiss, wovon ich spreche. Das scheint bei meinen Testlesern zu funktionieren.
Einer meiner Helden ist Russe und der sagt dann so Sachen wie “Ich fahren!”, etc., einmal ist von “alte Cheimat” die Rede.
Mich ärgert eher ein anderes Problem: Das seltsame Verschwinden des Genitiv. Selbst in Filmen und sog. anspruchsvollen Reportagen heisst es: “Ich musste bremsen wegen dem Hund!”, kein Schwein sagt “wegen des Hundes”. Es wäre also unrealistisch, wenn meine halb- bis gar nicht gebildeten Helden den Genitiv beherrschen. Mir dreht sich nur dabei der Magen um.
In einem Roman von Raymond Chandler trifft Phillip Marlowe auf einen Texaner, dessen wörtliche Rede im Kölner Dialekt dargestellt wird. Der Mann sagt doch tatsächlich “Da hannisch mer jedacht…” Für mich ein linguistisches Deasaster!
Komplizierter wirds wohl, wenn die Handlung in Leipzisch oder Wean (Wien) spielt. Da gehts dann wohl nur mit dem Einstreuen von einzelnen “Slangausdrücken”, das könnte wohl helfen.

Also mein Roman spielt 1924 in Wien. Ich streue ab und zu Wiener Begriffe ein, lasse meine Helden aber nicht durchgehend im Dialekt sprechen. Eine Begrüßung darf aber durchaus “Meine Verehrung, Herr Hofrat” lauten. Ich denke, so spricht (bis auf mich, manchmal) kein Mensch mehr und außerhalb unserer Stadt dürfte solch eine Begrüßung auch eher selten zu finden gewesen sein.

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Aber genau sowas charakterisiert ja eine Figur und eine Zeit besser als alles andere - “Meine Verehrung, Herr Hofrat” sagt heute bestimmt niemand oder kaum noch einer in Wien (außer Ältere vielleicht), aber 1924 war das geläufige Anrede.

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Ja, aber wenn Du Deinen Helden charakterisieren willst, ist das ja genau richtig. Das ist ja das Schöne am Schreiben, dass man sich auch mal in so einen Halunken versetzen und so richtig schön „falsch“ schreiben darf. Wichtig ist dass man als Leser merkt, dass nicht DU als Autor nicht weißt wie man den Genitiv korrekt benutzt, sondern „nur“ Deine Figur (die Du allerdings auch nicht denunzieren oder lächerlich machen darfst).
Das kannst Du dann klarstellen, indem eine andere Figur versucht, ihn sprachlich zu korrigieren - und dafür vielleicht Prügel bekommt. Sowas. :slight_smile:
Mir fällt da spontan Thomas Manns „Zauberberg“ ein, darin gibt es „die ungebildete Frau Stöhr“, die ständig Fremdwörter falsch gebraucht und dummes Zeug redet. Mit welcher Lust Thomas Mann die beschreibt! Da ist z.B. die Rede von der Eroica - „sie sagte Erotica, die Fürchterliche!“… Absolut grandios.
Das mit dem Dativ zieht mir auch immer die Socken aus. Aber Sprache ändert sich. Als ich vor über 25 Jahren als Journalist angefangen habe, war die Formulierung „In XY wurde heute DEN OpferN des Anschlags von … gedacht“ schon fast ein Kündigungsgrund. Heute hört und liest man das überall.

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Ja, das stimmt.
Ich habe eine zwar kluge, aber ungebildete Protagonistin in einer meiner Geschichten. Das macht auch Spaß.

»Ja. Die Fenster sind aus Panzerglas, aber veraltet. Ich dachte, mit einem guten Scharfschützengewehr könnte ich da durch kommen.«
»Hängt von der Entfernung ab. Wie ist deine geplante Schussbahn?«
Ihr Finger glitt auf dem Datapad bis zu einem Hotelgebäude.
»Hm. Topologie?«
»Was?«
Richard warf ihr einen durchbohrenden Blick zu, doch was sollte sie mit diesem Wort anfangen?
Ganz langsam stellte er eine neue Frage. »Hast du ein 3D-Modell?«
»Ah. Ja.« Sie schob einen Holoprojektor auf den Tisch und spielte die Grafik ab.

oder

Er zog den Datenchip aus seiner Chipbuchse und hielt ihn ihr entgegen.
Sam griff ins Leere und atmete gefrustet aus. Natürlich wäre sie schnell genug, um ihn den Chip aus der Hand zu reißen, aber sie gewährte ihm den kleinen Sieg. Vorerst.
»Sag, dass es wirklich erstaunlich durchdacht war.«
Sam spießte ihn mit den Augen auf. Sie konnte ihm den Chip immer noch einfach wegnehmen. Doch er war gut in dem, was er tat und ihr Ziehvater hatte ihr eingebläut, sie sollte es sich nicht mit ihm verscherzen. Er war für ihre SIN zuständig. Er wusste Dinge. Sie seufzte. »Das war erstaunlich durchdacht. Wie der Algorithmus, den du für das Re-dings benutzt hast, um die Teufelsratten im Labor letzten Monat von Dämmerschlaf auf Rebellion zu schalten.« Zum Glück hatte er vorhin Algorithmus gesagt. Wer merkte sich so ein Zeug?
»Rekalibrierung.« Tony formulierte das Wort sorgfältig und hielt ihr den Chip hin.
Sam schnappte ihn aus seiner Hand, bevor er die Bewegung zu Ende führte. Er konnte ruhig wissen, dass sie den Chip jederzeit hätte nehmen können. »Ja, genau. Wir müssen los. Müssen wir dasselbe Getanze auf dem Rückweg machen?« Sam tippte auf den Timer. Ihnen blieben sieben Minuten.
»Das gleiche, nicht dasselbe.« Er verzog den Mund. »Ja, müssen wir.«
Sie rieb sich über die Nasenwurzel.

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Seit ich Bastian Sicks Buch “Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod” gelesen (und genossen) habe, war mir klar, was mich an manchem Gerede und Geschreibe stört. Ich kann Dir das körperlich nachfühlen, wenn Du wegen dem Hund bremsen musstest. Inzwischen genieße ich es, auch mal falsch zu schreiben, um eine Figur unaufdringlich und sozusagen nebenbei zu charakterisieren “Ich muss Sie mal was sagen. Ich hab Ihnen nämlich gestään gesehen”. Man braucht schon mindestens drei Sätze, um so etwas mit anderen Worten auszudrücken.
Herzliche Grüße
Berti

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Wie gesagt - ich kann nur Thomas Mann empfehlen, wenn man sich abgucken will, wie man das richtig macht (womit wir nach diesem kleinen Exkurs wieder beim Eingangsthema wären).
Es gibt eine Szene in den “Buddenbrooks”, wo die Revolution von 1848 auch nach Lübeck überschwappt. Der Firmenchef und Konsul Buddenbrook, der natürlich eigentlich Hochdeutsch spricht, redet mit seinen streikenden Arbeitern - und das selbstverständlich auf Platt. Ich hab die Szene, weil sie so schön ist, mal nachgeschlagen:

Besser kann man eine Situation mit wenigen charakteristischen Mitteln nicht beschreiben.

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Aber ja, mach ich doch schon. In meiner Story gibt es einen Doktor, einen Betrüger, einen Killer, und einige suspekte Gestalten mehr. Und jeder spricht anders, nicht nur seinem Bildungsstand entsprechend sondern auch aus charakterlichen Gründen. Eine Heldin ist mir dabei besonders ans Herz gewachsen und eigentlich war die gute Silke von Anfang an von mir zum Tode verurteilt worden, entwickelte sich jedoch so stark, dass das irgendwie nicht mehr ging. Silke ist ein - hm - flatterhaftes Mädchen mit “unklaren Beischlafgewohnheiten” und ist vollkommen ungebildet. Sie sagt dann so Sachen wie “Wir teilen dann also fifty-fifty-fifty?”. Durch eine sehr einfache Art haut sie aber auch sehr tiefsinniges Zeug heraus. Und das natürlich in einer ganz rudimentären, kindlichen Sprache.

Ich liebe diesen Wandel zwischen den Welten, zwischen Charakteren und Philosophien, die meist allesamt nicht meine sind. Einer der Gründe, warum ich schreibe.
Unvergessen für mich: “Deutschstunde” von Siegfried Lenz, wenn der Herr Dorfpolizist sich jedesmal mit “Tschüss, nech”! verabschiedet.

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Klingt spannend. :thumbsup: Ist beim Schreiben sicher eine ziemliche Herausforderung, die sehr viel Fingerspitzengefühl erfordert. Grade wenn sie eine Heldin ist, muss man aufpassen, dass sie nicht ZU doof wird, sonst kann man sich nicht mehr mit ihr identifizieren. Und es ist die große Gefahr, dass man als Autor die Figur lächerlich macht und denunziert, das darf natürlich auch nicht passieren.
Wenn sie zu wenig doof ist, wirkt sie hingegen möglicherweise nicht konturiert genug.
Gutes Beispiel ist die Eliza Doolittle in „My Fair Lady“ - obwohl sie so fürchterlich spricht (jedenfalls nach Ansicht von Prof. Higgins), ist sie ultra-sympathisch, warmherzig, liebenswert und weil sie ebenfalls „sehr tiefsinniges Zeug“ raushaut, wie Du sehr richtig schreibst.

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Erinnert mich an “Better Call Saul”
Zitat: “50% Rabatt? Das ist ja beinahe die Hälfte!”

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Ich bin schon gnadenlos in meinem Urteil. Der Erzähler weiss in diesem Roman alles - warum und wie auch immer - und läßt dem auch freien Lauf.
Ich habe bei Silke das Gefühl, dass jeder so eine Frau kennt. Und sie ist auch nicht pottenblöd, sondern eher kindlich naiv und erklärt sich die Welt auf ihre mal kindliche, mal drastische Weise. Und in dieser Art haut sie auch die Dinger raus. Nicht ganz leicht zu erklären. Und - um zum Thema zurückzukommen - sie spricht natürlich auch ihre sehr eigene Sprache. Allerdings keinen Dialekt, außer vielleicht dem der Strasse. Und ich werde die gute Silke - sie hat ja glücklicherweise No. 2 überlebt - gerne wieder verwenden.

Mannomann, Du haust hier ja die Bildung raus… Bitte gerne mehr.

Klar, die Sorte ist universell. :slight_smile:

Doch doch, es kommt schon ziemlich klar rüber, was Du meinst.

Ach alles nur Wikipedia-Wissen… :laughing: Mein Mathelehrer sagte immer. „Doof darf man sein, man muss nur wissen wo’s steht.“

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