Personaler Erzähler: Vor- und Nachnamen in Dialogen und Inquits

Hallo ihr Lieben,

beim Schreiben meines sechsten Buches erkenne ich plötzlich Probleme im Zusammenhang mit dem Thema Perspektive, zu dem ich gerne eure hilfreichen Meinungen hören würde. Zuvor hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, weil ich die Konstellationen nicht hatte oder vermutlich ignorierte.

Konkret geht es um die Nutzung der Vor- oder Nachnamen in Dialogen bzw. in Inquits und in anderen Textteilen. Warum auch immer, sehe ich plötzlich Probleme in der Logik, möchte aber Leserinnen und Leser nicht verwirren.

Folgendes Szenario mit 4 Figuren:

Figur 1 und 2 sind ältere Erwachsene, die sich erst kennenlernen (Sie).
Figur 3 und 4 sind Jugendliche, die sich gut kennen (Du).

Die meisten Szenen sind aus der Perspektive der Figur 1 geschrieben, es gibt aber auch Szenen aus der Sicht der Figur 3, in denen nur Figur 4 oder alle Figuren beteiligt sind. Ich nutze jeweils die 3. Person, also kein Ich-Erzähler.

  1. Fall:
    Perspektive: Figur 1
    Dialog: Herr/Frau Figur 2 – 4 (Nachname)
    Inquit: er, sie oder Figur 2 – 4 (Nachname)

Das ist der Standard.

  1. Fall:
    Perspektive: Figur 3
    Dialog: Herr/Frau Figur 1 + 2 (Nachname)
    Dialog: Figur 4 (Vorname)
    Inquit: er, sie oder Figur 1, 2 oder 4 (Nachname)

Hier geht das »Problem« schon los: Wäre es nicht logisch, Figur 4 im Inquit auch mit dem Vornamen zu bezeichnen? Einerseits duzen sie sich im Dialog und außerhalb nicht, obwohl aus Sicht der Figur 3 erzählt wird?

Daraus würde folgen:

  1. Fall:
    Perspektive: Figur 3
    Dialog: Herr/Frau Figur 1 + 2 (Nachname)
    Dialog: Figur 4 (Vorname)
    Inquit: er, sie oder Figur 1 oder 2 (Nachname)
    Inquit: er, sie oder Figur 4 (Vorname)

  2. Fall:
    Perspektive: Figur 3
    Dialog: Figur 4 (Vorname)
    Inquit: er, sie oder Figur 4 Nachname oder Vorname?

In diesem Fall, ähnlich zum zweiten Fall, sind nur Figuren 3 und 4 in der Szene. Sollten dann immer nur die Vornamen verwendet werden?

  1. Fall usw.
    Jetzt kommt es noch schlimmer: Was passiert, wenn Figur 1 und 2 oder alle sich in Dialogen duzen, weil sie sich besser kennenlernen? Ändern sich dann nacheinander für den Rest des Textes die Inquits?

Ich hoffe, ihr versteht meine Überlegungen und Zweifel.

Grüße
Dieter

Lieber Dieter,
spannendes Problem! Allerdings ist mir beim Lesen ein bisschen das Hirn explodiert. :laughing: Hast du vielleicht konkrete Beispiele?

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Konkrete Beispiele würden den Text noch viel länger und unübersichtlicher machen. Daher möchte ich (noch) davon absehen.

Vielleicht hat sich jemand schon dieselben Fragen gestellt, erkennt sich wieder und kann eine Empfehlung geben?

Um es noch komplizierter zu machen: Ich merke gerade, dass ich in den Fällen die Figuren 1 und 3 vergessen habe, deren Namen als Erzähler auch auftauchen müssen. Benennt sich der Erzähler jeweils selbst in den Fällen mit dem Vor- oder Nachnamen?

Wir sollten das häppchenweise aufdröseln, um uns der Gesamtthematik anzunähern.
Sich selbst benennen erinnert mich spontan an Heinz Erhardt: Herr Erhardt, sage ich, ach nee, ich sage Heinz, ich dutze mich ja. Da ist kein Originalzitat, nur rudimentär das, woran ich mich erinnere.

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Zur Vereinfachung benennen wir deine Figuren besser und setzen einfache Sätze dazu.

Figur 1 heißt Erwin Müller.
Figur 2 heißt Anna Huhsmann.
Figur 3 heißt Bernd Störer.
Figur 4 heißt Dagmar Beine.

Fall 1: Erwin Müller erzählt.
Dialog:

Wir trafen uns im Hausflur. Ich sagte: “Guten Morgen, Frau Huhsmann.”
Sie entgegnete: “Oh, Herr Müller. Nett sie zu treffen.”
“Morgen, meinte Bernd Störer, der Sohn von den neuen Nachbarn.
Zufällig betrat noch die freche Dagmar Beine aus dem Souterrain den Flur. “Hi, ich lauf eben zum Bäcker und komm dann auf einen Kaffee, okay Bernie-Schatz?”
“Also, wenn das meine Tochter wäre”, sagte ich zu Frau Huhsmann.”
“Ja”, unterbrach mich Frau Huhsmann. “Sie haben so Recht, Herr Müller.”

Nun nimmst du immer dieses Konstrukt und spielst alle Fälle durch. Dann müsste sich finden lassen, ob es irgendwo hakt.

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Sich selbst benennen, bezieht sich natürlich nur auf die Inquits. Im Dialog steht “Ich …”

Wenn der Erzähler sich mit dem Nachnamen bezeichnet und die zweite Person auch, funktioniert dann ein Dialog, in dem der Erzähler und eine andere Person sich duzen? Irgendwie ist das komisch, wenn ich darüber nachdenke.

Verkürztes Beispiel: Anton Mustermann und Beate Musterfrau:

Mustermann ging zu ihr. “Hallo Frau Musterfrau.”
“Guten Tag, Herr Mustermann”, sagte Musterfrau.
“Wollen wir uns nicht duzen?”

“Aber gerne, ich bin Beate”, sagte Musterfrau.
Mustermann antwortete: “Ich heiße Anton.”
“Anton, wollen wir zu mir gehen?”, fragte Musterfrau.
Mustermann kratzte sich am Ohr. “Aber gerne, Beate.”

Abgesehen davon, dass der Text wegen der Namensdoppelungen schwachsinnig ist, verdeutlicht er vielleicht das “Problem”.
Was ist, wenn sie sich erst später duzen, wechselt der Name des Erzählers im Text zum eigenen Vornamen?
Wäre dann nicht Folgendes besser?

“Aber gerne, ich bin Beate”, sagte Beate.
Anton antwortete: “Ich heiße Anton.”
“Anton, wollen wir zu mir gehen?”, fragte Beate.
Anton kratzte sich am Ohr. “Aber gerne, Beate.”

Die Frage mag sich trivial anhören, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto merkwürdiger wird es.

Nein oder ja. Da ist völlig egal, solange der Leser vorab sowohl den Nachnamen als auch den Vornamen kennt. Es wird erst dann kompliziert, wenn es zwei gleiche Vornamen mit unterschiedlichen Nachnamen gibt. Das solltest du in jedem Fall vermeiden.

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Wahrscheinlich sehe ich Probleme, die es gar nicht gibt.

Wenn ein Wechsel beim Lesen nicht auffällt, kann es nicht ganz falsch sein.

Ich würde die Inquits einfach und konsequent der jeweiligen Erzählperspektive anpassen. Wenn derjenige, aus dessen Sicht gerade erzählt wird, eine Figur siezt, sollten die Inquits entsprechend ausfallen. Genauso, wenn er sie duzt.
Lernt er die Figur besser kennen und kommt vom Sie zum du, wird aus Frau Müller logischerweise Monika-Helene.
Es muss nur immer und vollständig klar sein, aus wessen Sicht gerade erzählt wird, dann gibts da keine Probleme.

Der Erzähler benennt sich selbst eigentlich fast immer mit dem Vornamen. Geht natürlich auch anders, aber die einmal gewählte Benennung würde ich dann den ganzen Roman über beibehalten.

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Dann wären wir schon zu zweit.

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Zu dritt :wink:

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Jetzt verstehe ich auch, was du meinst!

Ich glaube, es kommt darauf an, wie deine Figur für den Leser heißt. Nehmen wir an, es ist Antons Perspektive. Da liegt es an dir, ob du ihn Anton nennst, oder Herrn Mustermann. Das würde ich aber durch den Text auch konsequent durchziehen.
Habe zum Beispiel eine Figur, die heißt immer nur “Müller”. Alle anderen nennen sie im Dialog beim Vornamen, aber ihre Sicht heißt “Müller”.
Normalerweise nennt man seine Figuren ja aber eher beim Vornamen. In deinem Fall würde ich es also so machen:

Anton ging zu ihr. “Hallo Frau Musterfrau.”
“Guten Tag, Herr Mustermann”, sagte Frau Musterfrau.
“Wollen wir uns nicht duzen?”
“Aber gerne, ich bin Beate”, sagte Frau Musterfrau.
Anton antwortete: “Ich heiße Anton.”
“Anton, wollen wir zu mir gehen?”, fragte Frau Musterfrau.
Anton kratzte sich am Ohr. “Aber gerne, Beate.”

Und dann kannst du sie von da an im Text Beate nennen. Also: Beate empfing ihn in ihrer Wohnung… usw.

EDIT: Hat sich mit den anderen Posts überschnitten, aber ich lass es jetzt trotzdem so. Yoro hat vollkommen Recht.

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Dazu tendiere ich. So steht es auch in meinem Text.

Allerdings ist der zweite Hinweis interessant. Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. Für mich fühlt es sich nicht richtig an, wenn in einer Szene sich alle mit “Sie” ansprechen und der Erzähler benennt sich mit dem Vornamen. Beispiel: Tagung von Ärzten, die sich nicht persönlich kennen. Da finde ich eingestreute Vornamen des Erzählers merkwürdig.

Trotzdem hast du ja eine Figur, aus deren Sicht erzählt wird. Wenn z.B. Dr. Skalpellus auf eine Tagung fährt, kommts jetzt drauf an, wie du ihn vorher bei der Leserschaft eingeführt hast.
Wenn man ihn bisher nur als Dr. Skalpellus kennt, musst du das natürlich beibehalten:
Dr. Skalpellus rührte genervt in seiner Kaffetasse. “Ja, verehrter Herr Kollege, da bin ich ganz Ihrer Meinung”, sagte er und hoffte, die kleine, bebrillte Nervensäge aus dem Lager der Naturmediziner endlich loszuwerden.

Wenn er in dieser Szene neu auftritt, kannst du es dir aussuchen.

Hast du ihn aber bereits als Robert eingeführt, sollte er jetzt auch Robert bleiben:
“Natürlich nehme ich nur Privatpatienten, so wie Sie auch, Herr Doktor Müller”, versicherte Robert. “Meine Praxis muss sich schließlich amortisieren.”

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Huch! Woher weißt du, dass mein Prota momentan Robert heißt? :thinking: Ich muss mal schnell meine Firewall checken … :slight_smile:

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:smiley:

Interessantes Problem @Der Autor – und ich hatte genau dasselbe. Bei meinem neuen historischen Roman (erscheint Ende August bei Fischer TB) verwende ich verschiedene personale Perspektiven – und ich habe zu Beginn irgendwie aus dem Bauch heraus den Antagonisten, „Julius Mertens“ meistens „Mertens“ genannt. XY sagt Mertens, denkt Mertens, tut Mertens. Manchmal aber auch Julius – wenn er im Gespräch mit einem Freund war, zum Beispiel. Bei den anderen Figuren (es ist eine Familiengeschichte) habe ich jedoch meistens die Vornamen verwendet – und manchmal den Vor- und Nachnamen. Bis mich meine Lektorin darauf hinwies, dass es das intuitive Wahrnehmen der Erzählperspektive durch die LeserInnen behindert (und die Identifikation mit der jeweiligen Hauptfigur) wenn ich da so inkonsequent bin. Ich habe mich dann entschieden und bin auch beim Antagonisten vom ersten Auftritt an auf den Vornamen gewechselt und bin dann dabei geblieben. Den Vornamen finde ich dann doch besser, niemand denkt ja von sich als „Frau Meier“ oder „Herr Müller“. Das schafft Distanz und ich will ja, dass meine LeserInnen auch mit dem Antagonisten mitgehen können. Meinem Roman hat es jedenfalls gut getan. Was ich nämlich überhaupt nicht mag, ist, wenn in einem Roman der Name der Perspektive in der Kapitelüberschrift steht, weil man es anders nicht gebacken bekommen hat :thinking:

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Glückwunsch zur Veröffentlichung! Zum Glück bin ich mit dem Problem nicht ganz allein.

Mein aktuelles Projekt besteht derzeit aus 420 zweifach überarbeiteten Seiten. Mal sehen, wie mein Lektor nächsten Monat mit dem Thema umgeht - wenn es überhaupt von ihm angesprochen wird.

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