Ich finde es wichtig, diesen Gedanken weiterzuführen. In der Regel wird der Leser Belletristik lesen, um in eine andere Welt einzutauchen. Er will doch anderes erfahren, als das, was er in der U-Bahn hört… Das bedeutet nicht, dass Dialoge unrealistisch sein müssen. Aber anders als bei Gesprächen im Alltag, hast Du ja Tage lang Zeit, über Texte nachzudenken. Solche, die dann lustig, überraschend, spannend, hintersinnig, mysteriös u.v.m. sind. Das unterscheidet sie vom spontan geführten U-Bahn-Dialog und sollte der Anspruch sein. Eine Charakterisierung der handelnden/sprechenden Personen schließt es nicht aus, wenn du Dialoge formulierst, die eben mehr bieten sollen, als der Alltag, dem der Leser in deiner Geschichte entkommen will und soll. Ja, so oder ähnlich steht es auch in Schreibratgebern, Sinn macht es, finde ich.
Mann kann halt so schreiben:
Der alte Mann kam summend auf seinem Karren ins Dorf gefahren.
Frodo sah zu ihm herüber. „Hallo! Bist’ spät dran.“
„Hm? Nö!“
„Schön, dass du da bist.“
„Ja, find ich auch.“
„Geht’s gut?“
„Und selbst?“
„Ach geht so.“
„Was gibt’s Neues?“
„Ach, nichts.“
Oder so:
Gandalf sang leise summend vor sich her. " … weg von der Tür, wo wo sie begann … ich folge ihr, so gut ich kann … Die Straße gleitet fort und fort, weg von der Tür, wo sie begann. Weit über Land von Ort zu Ort. Ich folge ihr, so gut ich kann …"
Frodo horcht auf und lief zum Karren herüber, die jetzt in Sicht kam. „Du kommst recht spät!“
„Ein Zauberer kommt nie zu spät, Frodo Beutlin. Ebensowenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wann er es beabsichtigt.“
Beide lachten.
„Was für eine Freude dich zu sehen, Gandalf!“ Bei diesen Worten sprang Frodo auf den Wagen des Zauberers.
„Ich hätte doch niemals Onkel Bilbos Geburtstag vergessen!“
„Was tut sich draußen in der Welt? Du musst mir alles erzählen!“
„Was, alles?! Hm…, du bist viel zu neugierig für einen Hobbit.“
Wenn ich eine Szene aufbaue, habe ich immer folgendes Bild im Hinterkopf: Der Lauscher an der Wand.
Wenn ich der Lauscher an der Wand wäre, was würde ich hoffen zu hören. Welche Ereignisse stehen an, was wurde erlebt und was wird weitergegeben.
Das hilft mir ganz gut, die dünnen Dialoge herauszufiltern.
Aber es gibt durchaus Situationen, die sich mit dem Schreiben entwickeln. Dann ist Banales auch mal die Ruhe vor dem Sturm.