Nur ein Prolog (ohne ihn so zu nennen)

Nachfolgend findet ihr den Prolog zu meinem aktuellen Fantasyprojekt. Gerne würde ich wissen, ob er bei euch die Neugier weckt und den Wunsch weiterzulesen und mehr zu erfahren.

Zukunft

Zukunft ist ein Geschenk. Für die wenigsten kommt sie unerwartet doch für die meisten, birgt sie Unerwartetes. Aber es gibt auch jene, auf die weder das eine, noch das andere zutrifft. Wer ins Licht der Wahrheit blickte, wer seine Augen vor dem Licht der Gegenwart verschloss, für den kommt die Zukunft oft unerwartet, doch birgt sie dann nichts Unerwartetes mehr.

Inschrift im Allerheiligsten von Anaschirna

Weltenwacht, Lady Alyras Gemächer, 51. Schöpfermond im Jahr der fallenden Blätter, 401. Sonnenzirkel im Zeitalter des Wachstums

In der Vorstellung der Menschen um sie herum bedeutete ihre Blindheit, dass sie von steter Dunkelheit umgeben war. Sie lagen falsch. Seit Alyra ins Licht der Wahrheit geblickt hatte, sah sie weit mehr, als die Sehenden. Das meiste war eben so belanglos, wie bei allen anderen, doch manchmal, erkannte sie Weltbewegendes und manches davon, konnte sie der Welt auch mitteilen.
Die Bilder der Zukunft sind flüchtig, hinterlassen mehr einen Eindruck, denn eine Erinnerung. Das machte es schwer davon zu berichten und machte die Prophezeiungen vom Licht der Wahrheit zu nebulösen Rätselsprüchen, die ihre Wahrheiten oft erst dann offenbarten, wenn die Zukunft bereits Vergangenheit war.

Flammenwolken hüllen die Himmel in orangefarbenes Licht, durchzogen von aschgrauen Schatten und darunter liegen die Felder von Rilpahjen, die Weinberge von Eibenfels, die Festungen von Fallacon, die Berge von Egat Praa, die große Bibliothek von Norgom. Darunter liegt einfach alles. Dieses Feuer umspannt die Welt. Es ist gewaltig. Sie musste es im Blick behalten, durfte die Bilder nicht loslassen, musste davon berichten.
Ein Gesicht erhebt sich aus den flackenden Schatten, das erste von vielen. Als sie ihn sah, wusste sie, dass er gesegnet ist, gesegnet von den Drachen selbst, wie jene, die ihm folgen.
„Schreib, Kind …“ Ihre Worte waren leise, sie stockte vor Anstrengung. All ihre Hoffnung lag auf Dilela. Eine Kette von Ereignissen zu beobachten war herausfordernd und kräftezehrend.
„Wenn die Himmel brennen, erhebt sich das erste Gesicht, gesegnetes Drachenkind …“
Ihre Augen flackerten, die Lider zuckten, Schweiß rann ihr von der Stirn.
Und er steht vor den Herrschern der Welt, auf dem Kopf eine kupferne Krone. Zögernd fällt einer nach dem anderen vor ihm auf die Knie.
„Mit kupferner Krone …“ Anspannung ließ die Sehnen an ihrem Hals hervortreten, wie in fiebriger Trance starrte sie auf die Bilder der Zukunft, bot all ihre Kraft auf, um mehr zu erfahren.
Ein Mann, in violett schillerndes Schwarz gehüllt, stellt sich ihm entgegen, doch der Erste spricht die Worte der Schöpfung und sein Widersacher vergeht zu Staub.
„… und schwarzer Gabe, …“ Sie sog den Atem ein. Er schmeckte nach Zedernrauch.
Sie erkannte den Pfad, den er nimmt und sie sah, wie tausende in einem Nebel aus rotem Blut vergehen, als sie sich ihm entgegenstellen. Es ist das Blut ganzer Völker, das Blut einzelner Krieger, das Blut elternloser Kinder.
„Mit rotem Blut …“ Ihre Hände krampften sich zu Fäusten zusammen, die Fingernägel gruben sich in ihr eigenes Fleisch.
Seine Füße betreten ein Siegel, größer als ein Dorf und als er es bricht, legt sich ein finsterer Schatten über die Welt, den er nicht zu beherrschen vermag.
„… und silbernem Stolz.“ Ihr Körper zitterte vor Anstrengung, doch ihre Augen blieben auf ihn gerichtet.
Er führt sein Schwert im Namen der Gerechtigkeit, richtet Herrscher und Sklaven gleichermaßen. Ein Mann, in violett schillerndes Schwarz gehüllt, durchstößt sein Herz. Doch etwas anderes stirbt. Sie ahnte, was es ist.
„Goldener Schein liegt auf seinem Schwert.“ Sie spürte den Schmerz nicht, als ihre Knie auf dem Steinboden aufschlugen.
Sie sah Wälder brennen, Mauern stürzen. Armeen marschieren durch das Land, durch jedes Land.
„Er treibt es in die Welt …“
Ihr Blick streifte ziellos über seine Armeen und ihre Augen weiteten sich, so dass ihre weiß-vernarbte Iris einem Abbild von Asdarins voller Pracht glich. Die Worte waren nicht mehr als ein Flüstern.
„… und die Frevel grauer Vorzeit folgen ihm nach.“
Er betritt den Kristallturm von Anaschirna, sucht die Macht die Zukunft zu kennen. Dort wollen sie ihn stoppen, viele Seelen, von vielen Orten, verschieden, wie die Drachen selbst, singen sie doch das gleiche Lied. Wenn sie versagen, gehört ihm die Zukunft.
Ihre Lippen bebten, sie wollte den Mund öffnen, einen letzten Hinweis hauchen, doch sie verlor das Bewusstsein und die Zukunft entglitt ihrem Blick.

Gut, dann werde ich mal. Bitte beachte, dass meine Kritiken oft sehr hart klingen, sie sind aber niemals böse gemeint und beziehen sich immer nur auf den Text.
Bereit? Dann here we go:

Die Inschrift würde ich schonmal weglassen, das ist für meinen Geschmack zu viel auf bedeutungsschwanger getrimmtes Geschwurbel. Auch den folgenden Absatz würde ich rausschmeißen, man weiß weder, um wen es geht, noch interessiert man sich an dieser Stelle auch nur im Mindesten für diese Person und ihre völlig nebulösen Belange.

Fang stattdessen mit einer spannenden, konfliktgeladenen Szene an:

So zum Beispiel würde ich beginnen und das Tempo zumindest die erste Seite lang durchhalten.

Alles, was danach kommt, finde ich so auch eher sub-optimal. Offenbar wird da irgendein Ritual oder ein Zauber durchgeführt, es klingt nach viel Brimborium, ist recht umständlich formuliert und auch viel zu unpersönlich gehalten.
Im Klartext: Das alles kommt viel zu früh, weil es an dieser Stelle noch keinen Menschen interessiert.

Solche Einlage sind später in der Story besser aufgehoben, wenn sich der Leser schon etwas zurechtfindet und vor allem, auch wissen will, was da eigentlich los ist.

Ich würde an deiner Stelle auf den Prolog verzichten und gleich an einer spannenden Stelle mit der Story durchstarten. Wirf einen Protagonisten mit einem Haufen von handfesten Problemen ins Rennen, so dass der Leser Interesse an ihm und den ganzen Umständen entwickeln und zu ihm eine Beziehung aufbauen kann.

So, wie es jetzt ist, wäre ich nach drei Absätzen weg, weil ich mit alledem noch nichts anfangen kann und es mir ehrlich gesagt auch noch völlig egal ist, wer da wie und warum irgendwelche Rituale durchführt.

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Mh, ich fand die Prophezeiung an sich ganz interessant. Mein Problem war eher, wann sie „sah“ ,sprach und vermutlich diktierte, ich konnte das nur schlecht unterscheiden. Dilara ist wohl die Schreiberin, das kommt schlecht raus. Kursiv würde vielleicht an manchen Stellen helfen. Taucht die Seherin noch einmal auf? Oder wird nur die Prophezeiung für die Geschichte gebraucht? Ich denke, für mich als Leserin wäre jetzt entscheidend, wie die eigentliche Geschichte beginnt.

Zu viel Input. Am Ende weiß ich nicht mehr, was am Anfang steht. Der Text verwirrt mich mehr, als er mir Informationen liefert.
Sorry, nur meine persönliche Meinung.

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Mich verwirrt der Zeitenwechsel in jedem zweiten Satz. Das hat mich total rausgebracht und damit jedwedes Interesse nach dem zweiten Absatz gekillt.

Und zu viel Drumherum, was es noch schwerer macht, den Text zu verstehen.

Entscheide dich für eine Zeitform und bleib dabei. Wechsel müssen gezielt gesetzt sein und es muss für den Leser ersichtlich sein, warum jetzt an der Stelle ein Wechsel erfolgt.

Die Tempuswechsel sind Absicht. Die Gegenwartsform beschreibt die Vision, während die Vergangenheitsform die Ebene der Seherin beschreibt.

Kommt offensichtlich nicht klar genug rüber. :thinking:

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Ja, auch ich würde vermutlich nach diesem Einstieg aussteigen aus dem Buch. Das liegt allerdings mit daran, dass ich kein bedingungsloser Fan von High Fantasy bin. Ich habe soeben den dritten Band der „Shadowmarch“-Reihe von Tad Williams (an diesen Stil erinnert mich der Text hier etwas) abgebrochen (etwas, was ich schon nach Band 1 tun wollte), weil mir viele Sequenzen zu verschwurbelt und überfrachtet, ja , auch ‚verlabert‘ sind. Erzählen, um des Erzählens Willen, ist nicht meins – ich will eine gute Geschichte hören mit gerade so vielen Wörtern wie nötig sind, um sie interessant, anrührend, spannend, packend oder mitreißend zu machen. Aber ich weiß, dass Hardcore-Fantasyfans gerade diese (Pseudo-) Mystik lieben, sogar wenn sie sie nicht verstehen.

Dennoch, so sehe ich das, sollte man Lesern zunächst die Chance geben, sich allmählich in den, für sie neuen, Weltenbau ein- und in ihm zurecht zu finden. Subtil, aber schnurgerade und wie von einem Magneten gezogen, sollte ein Prolog Leser in das Geschehen locken. Und weil er so wichtig ist, muss er nicht einmal als erstes geschrieben werden. :upside_down_face: Ähnlich wie @Silla würde ich es hilfreich finden, die Seherinnen-Passagen kursiv zu setzen. Auf das Zitat der Inschrift am Anfang könnte ich verzichten, es ergibt für mich keinen Sinn. Ein Prolog stimmt zugleich auf die Sprache des Romans ein – man hat den Klappentext gelesen, steht gerade im Buchhandel und wirft den ersten Blick ins Buch. Bämm, jetzt entscheidet es sich …

Ich schließe mich an. Mich stört auch die etwas verwirrende Komma-Setzung, zum Beispiel:

Auch tue ich mir mit den Zeitenwechseln schwer, etwa:

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