Titel: Cutter und Bone
Autor: Newton Thornburg
Herausgeber : Polar Verlag; 2. Edition (1. Juni 2015)
Sprache : Deutsch
Taschenbuch : 350 Seiten
Zu Unrecht wird dieses Buch, erschienen 1976, als Krimi bezeichnet. Vielmehr ist es eine hardboiled Milieustudie, noch mehr eine Psychostudie exzellenter Art, hinter der als Handlungshintergrund eine, vorerst mutmaßliche, kriminelle Tat steht.
Im literarischen Sinn ist diese Tat - frei nach Hitchcock - ein McGuffin, ohne den die Geschichte nicht funktionieren würde, der aber selbst nicht von besonderem Nutzen für die Aussage des Werks ist.
Drei, teils hochgebildete Charaktere, allesamt Aussteiger der frühen 70er Jahre, bilden die Hauptfiguren dieses Romans. Da ist Bone, der seine Frau und die beiden Kinder verlassen hat, um sich als Herumtreiber ohne jede Verpflichtung, auf Kosten wohlhabender, sexhungriger Frauen durchzuschlagen. Dann sein Busenfreund Cutter, ein verbitterter, zutiefst zynischer, sarkastischer Vietnamveteran, der im Dschungel ein Bein, eine Hand und ein Auge verloren hat und zwischen hochgeistigen Dialogen Gift und Galle gegen alles und jeden spuckt. Dazu seine Partnerin Mo, depressiv und tablettenabhängig, abgehauen aus dem höchst bequemen Leben mit ihren reichen Eltern, Mutter eines knapp einjährigen Kindes, das sie von Cutter empfangen hat.
Sie alle sind Looser und bewegen sich auf der Schattenseite des Lebens. Gemeinsam bilden sie eine WG, in einer vergammelten Bude, mit Traumblick über das Meer von Santa Barbara. Das Trio lebt von der Hand im Mund, viel Alkohol und Zigaretten, und von einem Tag zum nächsten.
Eines Abends beobachtet Bone, wie eine Gestalt, deren Gesicht er nicht erkennt, etwas in eine Mülltonne stopft, das er zunächst für Golfschläger hält. Am nächsten Tag erfährt die Gemeinschaft aus der Zeitung, dass es sich um ein Teenager-Girl handelt. Obwohl niemand das Mädchen kennt, heckt Cutter einen rachsüchtigen Plan aus, in den er sich fanatisch verbeißt und von dem er nicht mehr abzubringen ist. Ab da beginnt eine wahnwitzige Irrfahrt, die ihr brutales Finale rund dreihundert Seiten später in den Ozarks des amerikanischen Südens findet.
Thornburg war nicht nur ein exzellenter Beobachter, er war auch ein herausragender Schreiber, dem es gelang, die feinsten Facetten seiner Figuren zu profilieren, ihre tiefsten Gefühle nachempfindbar darzustellen. Deren Interaktion wird dominiert von knappen, sarkastisch/zynischen Dialogen und ihrer verzweifelten, resignativen Sicht auf das Leben und seine unbeugsamen Spielregeln. Thornburg hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, beschönigt nichts, obwohl der Plot als Thriller angelegt ist, erscheint er auch als Kritik an Politik und Gesellschaft der amerikanischen Post-Vietnam-Ära.
Das Werk ist m.A.n. zeitlos, ein literarisches Masterpiece, das mich tief beeindruckt hat. Ich werde dieses Buch und seine Figuren lange in Erinnerung behalten.
Newton Thornburg erhielt zahlreiche Literaturpreise. Er wurde zudem als „the only living American still looking for The Lost Generation“ bezeichnet. Eine Ehre, die außer ihm Scott F. Fitzgerald, Hemingway oder Dos Passos erhielten.