Regelmäßig sitte ich Haus und fünf Katzen meiner Freundinnen. Eines Tages konnte ich dieses Foto schießen. Eine Maus hatte sich in der Küche des Hauses eingerichtet und kroch immer dann aus ihrem Versteck, um aus dem Wassernapf der Katzen zu trinken, wenn selbige im Freigang weilten.
Diese kleine Brandmaus inspirierte mich zur folgenden Geschichte für meinen Jüngsten - vielleicht habt ihr auch ein wenig Spaß daran:
Guten Tag. Ich darf mich vorstellen: Murina Mus, Feldmaus von Gottes Gnaden und grad vom Acker ins fürstliche Paradies umgezogen.
Also ich kann Ihnen sagen, das war vielleicht eine Aufregung! Das Feld war grad abgeerntet, ich beim Körnereinsammeln und Futtern … naja, eigentlich mehr beim Futtern, Einsammeln gehört ja eher in die Kategorie Arbeit und mit Arbeit hab ich es nicht so. Hat sich mein Bruder immer drüber aufgeregt. „Denkst du etwa, du bist was Besseres?“, hat er mich oft angefiept. „Sorge gefälligst für deinen Wintervorrat. Oder willst du verhungern?“ Pah! Verhungern! Wenn der wüsste. Jedenfalls, wie ich so futternd übers Feld schlurfte, stand plötzlich was Großes hinter mir. Mein Bruder schrie auf und stürmte davon. Das große schwarze Etwas schaute auf mich herab. Ich schaute zurück. „Eh du, was’s los? Du störst.“ Angriff erscheint mir immer noch als die beste Verteidigung. Dem schwarzen Etwas stand aber wohl nicht der Sinn nach einer Unterhaltung. Es holte mit seiner Pranke aus und … verfehlte mich. Zwar nur um Haaresbreite, aber knapp daneben ist eben auch vorbei.
„Ätsch“, rief ich im Davonlaufen und blickte noch mal kurz nach hinten, wo mir das schwarze Etwas auf den Fersen folgte. Das hätte ich jedoch besser nicht getan, denn dann wäre mir nicht entgangen, dass sich von vorn ebenfalls so ein großes schwarzes Etwas auf mich stürzte. Diesmal traf die Pranke nicht daneben. Ich war so geschockt, dass ich auf der Stelle bewusstlos wurde. Aber nur kurz. Als ich wieder zu mir kam, flog ich erst übers Feld, dann über eine Wiese, über eine Terrasse, durch ein geöffnetes Fenster und landete schließlich auf einem Fußboden, rechts und links flankiert von je einem schwarzen Etwas.
„Mama, Mama“, hörte ich da einen kleinen Menschen rufen. „Meine Katzen haben schon wieder eine Maus gebracht.“ Katzen? DAS waren Katzen? Jetzt wusste ich endlich, wie die Viecher aussehen, von denen mein Bruder immer solche Horrorgeschichten erzählt hatte. Ich war also grad zwischen den Zähnen einer Katze gereist. Wow! Wenn das mein Bruder wüsste! Und was für ein Tamtam diese Menschen machten, weil sie nun eine Maus in ihrem Haus hatten! „Das habt ihr aber fein gemacht. So ein schönes Geschenk!“ Die schienen sich echt zu freuen. Aber Geschenk? Was meinen die damit?
Als ich sah, dass Menschen und Katzen grad abgelenkt waren, gab ich meine Schockstarre auf, prüfte vorsichtig, ob noch alle Knochen heil waren – jawoll – und rannte dann wie der Blitz davon. Immer geradeaus. Besser erst einmal in Sicherheit bringen. Wer weiß, ob diese Katzen nicht doch noch Appetit auf Murina Mus bekommen. Oder die Menschen. Essen Menschen eigentlich Mäuse? Auf dem Feld hab ich mal gehört, wie ein Junge zu einem anderen gesagt hatte: „Dafür hab ich nicht genug Mäuse.“ Wer weiß, zu welchem Rezept wir gehören.
„Nanu, wo ist die Maus denn hin?“ Jetzt liefen die Menschen ganz aufgeregt umher. „Hast du die Maus gesehen? Die war doch grad noch da.“ Ja, Leute, grad ist aber nicht jetzt. Jetzt bin ich eben nicht mehr da. Hätte ich Zeit gehabt, hätte ich euch noch ein Kärtchen hinterlegt: „Gruß und Kuss. Bin weg. Murina Mus.“ Ich kicherte bei dem Gedanken. Offensichtlich etwas zu laut, denn durch die Ritze meines Versteckes sah ich eine neugierige Katzennase. Moment mal! Diese Nase war ja gar nicht schwarz. Gibt es hier NOCH eine Katze? Ach du meine Güte! Die treten hier im Rudel auf.
Inzwischen wohne ich schon fünf Tage hier. Was soll ich euch sagen? Es ist himmlisch! Mein Fluchtweg hatte mich geradewegs in die Küche des Hauses geführt. Tagsüber lebe ich etwas zurückgezogen hinter den Schränken, denn die Küche ist nicht nur der Futterplatz der Menschen, sondern auch der von FÜNF Katzen. Allerdings kriegen die so viel Futter, dass sie sich um mich nicht mehr scheren. Im Gegenteil. Sie überlassen mir sogar ihren Trockenfutternapf. Aus dem hole ich mir jeden Tag eine ansehnliche Portion und trage die in mein Versteck. Ich hab mir zwei Vorratskammern angelegt, eine gleich links hinterm Kühlschrank und eine rechts hinter der Spüle. So macht Vorräte anlegen Spaß; ganz ohne Arbeit. Nur zum Trinken muss ich mitten in die Küche. Da steht immer ein großer Wassernapf.
Wenn mein Bruder wüsste, dass ich meine eigenen Bediensteten habe, die mir täglich frisches Futter und frisches Wasser hinstellen! Grün würde der werden vor Neid! Das hat er nun davon, dass er im Augenblick der größten Gefahr davongerannt ist, statt ihr ins Auge zu blicken. Feigling!