Hallo ihr Lieben, wer Zeit und Lust hat, kann mir gerne einmal Feedback zum ersten Kapitel geben.
Ich zog den Schlüssel ab und schaute auf das geparkte Auto neben mir. Warum war er noch im Büro? Einen verdammten Ordner hatte ich vergessen, benötigte ihn dringend auf der morgigen Baustelle, nur deshalb kam ich nochmal her. Doch mit ihm rechnete ich nicht mehr und hatte keine Lust, ihm heute noch zu begegnen. Ich schmiss den Kopf in den Nacken, starrte in die Luft und überlegte fieberhaft, wie ich ein Aufeinandertreffen noch verhindern konnte. Mir blieb nichts anderes übrig, ich brauchte die Unterlagen und ärgerte mich, dass ich zum Feierabend nicht daran gedacht hatte. Es brannte kein Licht in den Büros, womöglich hatte er einen Außentermin und war mit dem Kunden mitgefahren. So spät war das zwar ungewöhnlich, aber noch wollte ich die Hoffnung nicht aufgeben.
Seufzend öffnete ich die Autotür und stieg aus. Auch der Parkplatz war unbeleuchtet, erst als ich direkt vor der Tür stand, sprang der Bewegungsmelder an und erhellte einen spärlichen Teil des Eingangsbereichs. Er sparte wirklich an allem, ängstlich blickte ich mich um. Als ob ich in der Dunkelheit jemanden sehen konnte? Fahrig tastete ich meine Handtasche ab, warum hatte ich ihn nicht schon im Wagen herausgesucht? Da, endlich, erleichtert griff ich den Firmenschlüssel.
Ich öffnete, schlängelte mich blitzartig durch die Tür und drückte sie wieder zu. Mein Herz pochte und meine Finger zitterten, als ich die Alarmanlage mit einer PIN ausschalten wollte. Es war nicht nötig, sie war nicht aktiviert, also war er noch im Haus. Ich schaltete das Flurlicht an, nun konnte mich jede zwielichtige Gestalt von draußen ausmachen, ich sollte froh sein, dass ich mich nicht alleine in diesem Bürokomplex aufhielt. War ich aber nicht und seine Anwesenheit machte mir fast genauso viel Angst. Ich horchte in das Gebäude hinein, vernahm jedoch keine Geräusche. Sein Büro lag im zweiten Stock, direkt neben meinem und ich fragte mich, was er so spät noch zu erledigen hatte?
Leise schlich ich die Treppe hoch, ich war noch nicht ganz oben, da hörte ich plötzlich Stimmen. Er hatte Besuch, zum Glück, vor Kunden riss er sich zusammen, ich würde die Unterlagen holen und schnell verschwinden.
Geräuschlos schloss ich die Zwischentür und stand im Vorraum unserer Büros. Wieder hörte ich ihn, eine Frau war bei ihm, eine angenehm klingende, weibliche Stimme schallte mir entgegen. Dann stellten sich schon meine Nackenhaare hoch und mein Gesicht glühte innerhalb von Sekunden. Unfreiwillig wurde ich Zeuge von ihrem Liebesgeflüster, ein lustvolles Stöhnen drang durch die Tür. Das konnte nicht wahr sein.
Wie ferngesteuert drückte ich die Klinke herunter und stieß die Tür auf. Völlig entsetzt lösten die beiden sich voneinander und starrten mich an. Die Frau unseres wichtigsten Geschäftspartners suchte hektisch ihre Kleidung zusammen und stürmte mit hochrotem Kopf an mir vorbei. Auch er drehte sich verlegen ab, zog sich die Hose über die Hüfte und schloss den Reißverschluss.
»Beim nächsten Mal platzt du hier nicht so unangekündigt rein, ist das klar?«, wütete er mich direkt an.
»Du machst tatsächlich mit Frau Wagner rum?«, raunte ich ihm geschockt entgegen.
»Wehe du verlierst nur ein Wort über diese Sache, dann kannst du was erleben!«, drohte er.
In meinem Kopf herrschte Chaos, das war die Gelegenheit, um dieser Hölle endlich zu entkommen.
»Mich würde schon interessieren, was Herr Wagner dazu sagt?«, warf ich ihm mutig zu.
»Du hältst dich da raus, sonst…«
»Sonst was?«, fauchte ich.
»Übertreib es nicht, Stella!«, erwiderte er und sah mich mit zornigen Augen an.
»Was willst du denn noch tun? Mir Lia wegnehmen, mich einsperren und alle Entscheidungen für mich treffen? Nur kurz zur Info, das tust du schon längst«, schrie ich.
In diesem Augenblick knallte seine Hand schon mit voller Wucht in meinem Gesicht. Ich spürte, wie die Lippe aufriss und mein Mundraum sich mit Blut füllte. Meine Wange feuerte von dem Schlag, die Haut spannte und ließ mich erahnen, dass sie direkt anschwoll.
»Sieh zu, dass du nach Hause kommst!«, brüllte er mich hasserfüllt an.
Meine Beine zitterten vor Angst, doch dieses Mal schüchterte er mich nicht ein. Frech spuckte ich das Resultat seines Wutausbruches vor seine Füße, ein aus Blut und Spucke gemischter Rotzfleck landete platschend auf dem Laminatboden.
»Wie viele Aufträge kommen von dem Wagner? Füllt er nicht die Bücher für das nächste Jahr? Das lässt du dir doch nicht entgehen?«, bohrte ich dreist nach.
Er holte erneut aus und traf mich am Auge. Ich taumelte ein paar Schritte zurück und kniff es sofort zu. Das war heftig, ich konnte kaum das Lid öffnen, so sehr brannte es und ließ die ersten Tränen über meine Wangen laufen.
»Du verschwindest jetzt von hier und hältst den Mund, haben wir uns verstanden?«, tobte er.
»Richtig, ich verschwinde von hier. Ich werde nach Hause fahren, mir Lia schnappen und dann sind wir weg. Und du wirst das Jugendamt anrufen, deine Anschuldigungen zurücknehmen und nicht nach uns suchen! Du lässt uns ein für alle Mal in Ruhe! Hast du das verstanden?«, antwortete ich tapfer, obwohl sich mein Magen bereits zusammenkrampfte.
Ich wartete seine Antwort nicht ab, hinderte ihn an dem Vorhaben, mich erneut zu schlagen und schubste ihn mit meinem ganzen Körpereinsatz zur Seite.
Dann lief ich aus den Geschäftsräumen, die Treppe hinunter und auf den Parkplatz zu. Ich sprang ins Auto und startete panisch den Motor. Was, wenn er mir folgte? Er durfte keine weitere Möglichkeit bekommen, sich an mir auszulassen, das würde im Krankenhaus enden, da war ich mir sicher.
Schon während der Autofahrt ging ich die nächsten Schritte durch. Welche Dokumente brauchte ich und wie kam ich am besten von hier weg? Den Wagen konnte ich nicht nehmen, er war über die Firma angemeldet, er würde ihn sofort als gestohlen melden.
Ich parkte vor der großen Villa, hetzte hinein, es musste jetzt blitzschnell gehen. Binnen weniger Minuten packte ich meinen Rucksack, wickelte mir einen Schal um den Kopf und verdeckte damit meine lädierte Gesichtshälfte.
Ich atmete noch einmal beruhigend durch und öffnete die Schlafzimmertür meiner Tochter. Behutsam hob ich sie aus dem Bett, schmiss ihr eine Jacke und eine wärmende Wolldecke über und schlich aus dem Haus.
Mein Puls raste, Lia wurde wach und sah mich mit aufgerissenen Augen an. Sie war seit gestern zurück, durfte das Pfingstwochenende zu Hause verbringen, dann sollte sie wieder ins Mädcheninternat. Gegen meinen Willen, ich hatte dem nie zugestimmt.
»Mama, was machst du?«, murmelte sie müde.
»Mama hat dir doch versprochen, dass irgendwann ein großes Abenteuer auf uns wartet«, hauchte ich ihr sanft zu.
»Jetzt noch, so spät?«, gab sie leise zurück.
»Ja, jetzt noch. Wir haben eine lange Fahrt vor uns und du versuchst, noch ein wenig zu schlafen. Ich wecke dich, wenn es so weit ist. Vertraust du mir?«
Sie nickte und schloss schon wieder ihre Augen. Ich legte sie auf den Rücksitz ab, hüllte sie vollständig in die Decke ein und setzte mich hinters Steuer. Bis zum Bahnhof musste mich das Auto noch bringen, dann brauchte ich es nicht mehr.