Ich greife mal ein Thema aus dem Kritikthread auf.
@Pamina22 würde eine Rohfassung ihres Textes niemals einem Laien vorlegen.
Ich frage mich, was in diesem Zusammenhang denn ein Laie ist. In der Schule lernen wir doch alle Lesen und Schreiben und müssen Interpretationen, Inhaltsangaben, etc. zu literarischen Werken verfassen. Wir haben also alle mehr oder weniger eine Grundausbildung.
Gibt es den Lehrberuf des Schriftstellers? Ab wann ist ein Schriftsteller ein Profi? Sind Journalisten Schriftsteller? Gehören Germanisten dazu? Oder ist man professioneller Schriftsteller sobald man einen Bestseller veröffentlicht hat? Oder, oder, oder …
Ich denke, das ist das wichtigste Wort: Grundausbildung. Es stimmt, viele Leute (leider nicht alle) haben schreiben und lesen gelernt, aber das sagt noch nichts darüber aus, wie gut sie mit Sprache umgehen können.
Jeder hat auch sprechen und hören gelernt. Siehe oben.
Jeder mit einem Führerschein …
Wir wissen, dass zwischen den Grundlagen eines Themas und dem virtuosen Umgang damit ein weites Feld liegt.
In Beantwortung deiner Frage: Ich würde den Erfahrungsbereich differenzieren. Wer noch nie einen längeren Text geschrieben hat, den würde ich als schreibtechnischen Laien einstufen. Beim Leser wäre ein Einstufungskriterium vielleicht, ob dieser sich nur über den Inhalt eines Buches oder auch über den Schreibstil äußert. Vielleicht kann/sollte ein Autor auf diese Weise eine Vorauswahl treffen.
Eine ähnliche Frage wurde mal in einem Fotoforum gestellt. Damals antwortete jemand, der mit seinen Fotos Geld verdiente: Ein Profi ist jemand, der mit Fotos Geld verdienen will.
will oder tatsächlich verdient? Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit meinen Büchern Geld verdienen würde. Allein der Wille macht mich (das beziehe ich jetzt konkret auf mich selbst) noch lange nicht zum Profi.
Ich habe das für mich so definiert:
1. Geschichtenerzähler
Das sind alle, die etwas zu erzählen haben
2. Autor
sind alle, die ihre Geschichten niederschreiben
3. Schriftsteller
sind alle, die beim Niederschreiben die handwerklichen Grundlagen der Schreibkunst anwenden.
Im Handwerk gilt: „Nur der Meister bricht die Regeln.“ Wer die Regeln so gut kennt, dass er oder sie in der Lage ist, diese gezielt zu brechen, hat das Zeug zum/zur meisterhaften Schriftsteller(in). Das heißt aber noch lange nicht, dass andere das auch so sehen
Das war tatsächlich damals auch in Frage gestellt worden.
Ich denke auch, die Definition sollte von dem eigentlichen Problem ablenken, dass man nämlich die Qualität von Fotos auf sehr unterschiedliche Weise beurteilen kann: Handwerklich, künstlerisch oder geschmacklich. Mit Texten ist es wahrscheinlich genauso.
Da dies nicht definiert ist, kann ich das für mich selbst definieren. Und meine Definition eines Autors oder Schriftstellers unterscheidet sich, wenn ich jemanden meine Texte beurteilen lassen will, von der Definition, die ich anlege, wenn ich jemanden ganz allgemein Autor oder Schriftsteller nenne. Ich stelle bei der ersteren Definition nicht einmal Laien Profis gegenüber, weil es einfach keine offiziellen definierten Begriffe gibt.
Jemand, der zwar lesen und schreiben kann, muss noch nicht unbedingt auf schriftstellerische Art schreiben können. Schon zwischen einem Romanautor und einem Journalisten gibt es große Unterschiede, weil es in beiden Arten von Texten, die diese Leute schreiben, auch große Unterschiede gibt.
Auch wenn die meisten Menschen in der Schule gelernt haben, wie man Romane und Kurzgeschichten interpretiert, heißt das noch nicht, dass sie Romane und Kurzgeschichten so schreiben können, dass sie sich verkaufen lassen.
Ich habe das vor allem gemerkt, als ich mal ein Projekt in der Schule zum kreativen Schreiben angeboten habe. Leider hat der Deutschlehrer gemeint, er könne die Leitung dieser AG an sich reißen und mich zur Assistentin degradieren, weil er wohl gedacht hat, wenn man Romane analysieren kann, kann man auch lehren, wie man sie schreibt. Das hat aber nicht funktioniert.
In Amerika und allgemein im anglo-amerikanischen Raum denkt man auch nicht, dass das funktioniert. Da unterscheidet sich ein „Creative-Writing“-Kurs deutlich von einem „Literature“-Kurs. Vor allem dann, wenn man so schreiben möchte, dass es sich eines Tages auch verkauft. Das ist auch ein Grund, warum die Schrifstellerausbildung in Deutschland im Gegensatz zu Amerika noch in den Kinderschuhen steckt. Falls es hier überhaupt Kurse zum Kreativen Schreiben an Unis gibt, werden sie von Germanisten geleitet. In Amerika werden sie von Schriftstellern geleitet. Und dort gibt es solche Kurse an so ziemlich jedem College und jeder Uni.
Wenn Texte analysieren und verkaufsreife Texte schreiben dasselbe wären, hätte ich das Schreibhandwerk nicht mehr zu lernen brauchen. Ich habe Abitur gemacht und zwei Sprachen studiert. Ich habe jede Menge Texte analysiert - aus allen möglichen Epochen. Aber das hat mich nicht fit gemacht fürs Schreiben meines Romans. Das habe ich erst durch die Lektüre vieler Schreibratgeber gelernt - und durchs Schreiben selbst.
Wenn ich „Laie“ sage, meine ich etwas anderes, wenn ich eine Rückmeldung möchte, als wenn ich allgemein über den Beruf des Schrifstellers spreche. Für eine Rückmeldung sollte sich der Testleser am besten auch mit dem Schreiben beschäftigen, zumindest, wenn er eine Rohfassung von mir lesen soll. Weil er dann einfach bessere Rückmeldung in Form von Fachbegriffen etc. geben kann. Und das nützt mir mehr.
Im Studium habe ich ja nebenbei ein Fernstudium bei der Schule des Schreibens gemacht. Hat mir damals nicht so gefallen. Aber mein Betreuer hatte einen Roman geschrieben und darin einige italienische Ausdrücke verwendet. Da er wusste, dass ich Italienisch studierte, hat er mich gebeten, die Rechtschreibung seiner italienischen Sätze zu überprüfen. Natürlich hat er mich auch gefragt, wie ich den Roman finde. Ich fand ihn langweilig. Aber damals konnte ich das nicht so begründen, wie ich es heute könnte, obwohl ich damals durch das Studium gezwungenermaßen viel Textanalyse betrieben habe.
Textanalyse und belletristisches Schreiben sind eben nicht dasselbe. Und das eine hilft auch nicht viel beim anderen.
Ich habe mir die Regel, möglichst keine Rohfassungen an „Laien“ zu geben vor allem aus dem Grund selbst gestellt, weil ich die „nicht schreibenden“ Testleser nicht über Gebühr beanspruchen und ärgern möchte. Sie opfern ihre Zeit für mich. Sie lesen einen möglicherweise recht langen Text. Sie machen Notizen und Anmerkungen (im Idealfall). Da will ich sie nicht noch zusätzlich mit Tipp- oder Rechtschreibfehlern oder schlechtem Stil nerven. Aus meiner Sicht ist das eine Höflichkeit den Testlesern gegenüber, die so viel für mich tun. Und die u.U. auch damit überfordert sind, bestimmte Fehler zu ignorieren und sich auf ganz andere Dinge zu fokussieren. (Wenn ich reiten würde, könnte ich von einem Nicht-Reiter auch keine hilfreiche Beurteilung einer Vorhandwendung erwarten. Er könnte höchstens sagen, ob es ihm gefällt, wie das aussieht, aber technische Fehler würde er wohl kaum entdecken, geschweige denn, mir raten können, mit welchen Hilfen ich mich beim Pferd besser verständlich mache.)
Testleser, die auch schreiben, können sich besser auf bestimmte Aspekte konzentrieren und andere ausblenden, einfach, weil sie selbst die Erfahrung gemacht haben, wie es ist, wenn man seine Texte überarbeitet, wenn man eine bestimmte Wirkung erzielen will und diese so beim Leser nicht ankommt. Und natürlich gibt es Unterschiede. Manche können es besser, andere nicht so gut. Aber das ist in allen Bereichen so. Ich kann auch an einen unfähigen Zahnarzt geraten. Oder an einen Klempner, der herumpfuscht.
Wenn ich den Text ein- oder zweimal überarbeitet habe, habe ich ein besseres Gefühl, wenn ich ihn einem Laien zum Testlesen gebe. Dann ist er schon mal von den gröbsten Schnitzern befreit und der Testleser braucht sich nicht mehr so sehr von dem irritieren zu lassen, was einem als Laie als erstes ins Auge fällt, wie Stil, Rechtschreibung etc.
Danke, liebe @Pamina22 für diese detaillierte Erläuterung.
Bin auf weitere Sichtweisen und Erfahrungswerte gespannt.
Ich möchte mal mehr auf den Leseraspekt der Diskussion eingehen, denn das wir alle grandiose Profi-Schreiber sind, steht ja außer Debatte.
Es stimmt, Lesen haben wir alle in der Schule gelernt, aber wie wird es ein paar Jahre später angewendet?
Da gibt es die Leser Stufe 1, deren einzige Lektüre alle 14 Tage im „Goldenen Blatt“ im Wartezimmer von Onkel Doktor besteht
Leser Stufe 2 liest regelmäßig Zeitungen, vorzugsweise mit leicht eingängigen Texten,
Stufe 3 dito, wirft aber gelegentlich auch mal ein Buch ein,
Stufe 4 liest häufig und regelmäßig, sortiert Bücher nach „hat mir gefallen/nicht gefallen“
Stufe 5 liest, denkt über den Inhalt nach und kann auf Rückfrage auch mehr als ein Bauchgefühl benennen, warum das Buch gut oder eben nicht gut war.
Stufe 6 sind Profi-Analysten, die einen Text auf alle Arten formal und inhaltlich auseinandernehmen können. Eine Untermenge davon sind Autoren. Deren Feedback muss man cum grano salis betrachten, denn sie haben einen anderen Blick als reine Leser. Hand aufs Herz, wer von euch, die regelmäßig schreiben und sich mit den Grundlagen dieses Handwerks befasst haben, kann denn noch unbefangen ein Buch lesen, sich von hineinziehen lassen und es verschlingen? Es bleibt immer ein distanziertes kleines Stimmchen im Hinterkopf, dass zwischendurch mal „Aha, erster Wendepunkt“ oder „Das ist dann wohl der Hüter der Schwelle“ von sich gibt. Sie sind keine „normalen Leser“ mehr. Das macht ihr Feedback nicht weniger wertvoll, man muss es nur wissen und entsprechend damit umgehen.
Und damit zurück zum Thema Kritik/Testleser. M. E. sind Testleser aus allen o. g. Stufen wertvoll. Der Witz ist ja, dass ich wissen will, wie mein Text auf Andere, möglichst aus allen Geschlechtern, Bildungsstufen, Berufen, Alter, etc. wirkt. Der Aufwand, detailliertes Feedback zu bekommen, ist unterschiedlich. Als Faustformel: Je weniger allgemeinen gelesen wird, desto pauschaler ist die Kritik. Da muss man sich halt mal zu einer Tasse Kaffee zusammensetzten und Details per Nachfrage herauskitzeln. Variante 2: Man verlangt nicht pauschal Kritik, sondern liefert einen Fragebogen mit genau den Fragen, die mich interessieren. Birgt halt die Gefahr, dass sich der Testleser wirklich sklavisch an den Fragebogen hält. Typisch sind dann nämlich Unterhaltungen wie:
„Ich muss das nochmal überarbeiten. Mir ist aufgefallen, dass X zeitgleich in Paris und in New York ist.“
„Ja, ist mir auch aufgefallen. Aber danach hattest du ja nicht gefragt.“
Mein Reden. Am Besten ist eine Testleser-Mischung aus deinen kreierten Leserstufen. Womit ich darauf zurückkomme, dass die Unterscheidung Laien/Profis in diesem Zusammenhang irrelevant ist. Ich muss kein Profi sein, um einen Text auf mich wirken lassen zu können.
Ein total spannendes Thema! Der erste Band meines Drachenprojekts ist gerade bei meinen Testlesern, so dass ich mich direkt mal gefragt habe, zu welchen Gruppen diese gehören und wonach ich sie ausgesucht habe.
Wie @anon37238882 schon meinte, finde ich ebenfalls Testleser aus allen Bereichen sinnvoll. Ich habe daher eine Mischung aus Autor, Buchblogger sowie Viel- und Wenig-Leser. Doch sie splitten sich genauso in die Kategorien „Perfekte Zielgruppe“, „Randzielgruppe“ und „Oh, mit dir hätte ich nicht als Leser gerechnet“ Zusätzlich zum Manuskript gab es einen Fragebogen, damit alle wissen, worauf die achten sollen. Denn einige meiner Testleser machen sowas öfter, andere zum ersten Mal. Und ich habe die Hoffnung, dass genau diese bunte Mischung mich am Ende weiterbringt.
Ich finde es schon interessant zu wissen, wie mein Buch auch bei Lesern ankommt, die nach RalfGs Einteilung auf Stufe 3 und 4 angesiedelt sind, denn auch von denen werden einige mein Buch (möglicherweise) lesen.
Deswegen mache ich eigentlich keine Unterscheidung, ob jetzt jemand literarischer Laie oder autorenmäßiger Vollprofi ist, ich freue mich über jeden der sagt: Das Thema klingt spannend und passt in mein Leseschema, das würde ich gerne testlesen. Und ich bin sehr dankbar, wenn ich dann Rückmeldungen bekomme, die über ein ‚ja, ganz nett‘ oder auch ‚hat mir nicht gefallen‘ hinausgehen.
Landläufig ist ein Professionist jemand, der mit seiner Profession seinen Lebensunterhalt zu bestreiten versucht.
Würde man jetzt das auf einen Schriftsteller ummünzen, dann wäre ein Profi ein Schriftsteller, …
Allerdings gibt es auch eine andere Definition eines Profis, nämlich jemand, der in seinem Bereich alle Tricks und Kniffe beherrscht und damit jemand ist der das was er oder sie tut meisterlich beherrscht.
Damit würde ein Schriftsteller, der den Schreibstil, den er oder sie verwendet, beherrscht als Profi gelten
Ich würde mal vom Ergebnis ausgehen, wenn es Leser gibt, die das auch lesen möchten (selbst wenn sie sich das Buch zuerst kaufen müssen), der Autor ein Profi ist.
Liebe Grüsse
LonesomeWriter