Das nächste Türchen öffnet sich heute für euch
Schon lange hatte sich nichts mehr getan, immer wieder kamen die lauten Stimmen und verschwanden wieder, doch die Dunkelheit blieb. Langsam befürchtete sie, dass „Sonntag“ etwas war, das nie kam. Etwas, das einfach nur eine vage Hoffnung war, an der man sich festhielt. Viel hatten sie aus den Gesprächen der lauten Stimmen nicht erfahren. Seit die erste Kerze einmal gebrannt hatte, war zumindest die Fähigkeit geblieben, die Riesen zu verstehen. Allerdings klang alles wesentlich gedämpfter, als während sie gebrannt hatte.
Irgendetwas kam auf sie alle zu; die Riesen waren aufgeregt, teilweise auch ungehalten miteinander. Wisperten, redeten, wurden noch lauter. Die Kerzen wußten sich darauf keinen Reim. Schließlich kamen sie sogar zu dem Schluß, dass das, was auch immer da kam, etwas wirklich Schreckliches sein musste und sie es gar nicht wirklich wissen wollten. Die Hoffnung wuchs, dass Sonntag noch weit, weit weg war.
Doch er kam. Plötzlich war er da und sie konnten nichts tun als bangen, was passieren würde.
Woher sie es wussten? Die erste Kerze hörte es zuerst, das Ratschen und Zischen; sie spürte als Erste, dass die Hitze wieder auf sie zukam.
„Es passiert! Sonntag muss da sein. Ich glaub er schenkt mir wieder das Leben!“
„Oh je! Das geht nicht gut aus!“ jammerten die anderen Kerzen und hofften, dass sie nicht die Nächsten waren.
Sie sah wieder. Plötzlich war alles wieder klar und deutlich; die Umgebung, die Riesen, ihre Stimmen. Und sie sah, wie der grosse Riese die Flamme an die Kerze neben ihr hielt. Diese wehrte sich, wollte vor lauter Angst nicht angehen, aber das Feuer gewann. Sekundenlang herrschte Stille, dann sprach sie verblüfft „Ich…. Ich kann sehen, ich lebe!“
„Es ist trotz allem schön, nicht?“
Ein helles Aufstrahlen der Flamme war die Antwort.
Die Riesen unterhielten sich derweil, sprachen von Plätzchen backen, Geschenke basteln oder kaufen und dass der Urlaub genehmigt worden war. Die beiden Kerzen wisperten dies weiter an die noch blinden Kerzen, versuchten zu erklären, was sie sahen und mitbekamen und waren doch genauso ratlos wie vorher.
„Mama?“ fragte da der kleinste Riese, „wieso feiern wir eigentlich Weihnachten?“
„Dummkopf!“ sprach der mittlere Riese. „Wegen der Geschenke natürlich!“
„Ist das wirklich alles, worum es Dir dabei geht?“ entgegnete der große Riese mit den langen Haaren, den der kleine Riese Mama genannt hatte.
Der mittlere Riese schwieg verstockt und der kleine Riese meinte „Aber am Geburtstag gibt es doch auch Geschenke. Haben wir an Weihnachten alle zusammen Geburtstag?“
Der mittlere Riese wollte schon wieder lospoltern, als er die bösen Blicke der beiden großen Riesen bemerkte und doch lieber schwieg.
Die Kerzen duckten sich und befürchteten, dass ein Sturm losbrechen würde. Doch dieser kam nicht….
… denn der große Riese Mama sah den mittleren Riesen an. „Erzähl es uns! Du weisst es aus der Kirche und der Schule.“
Der mittlere Riese schwieg erst bockig und fing dann doch an zu erzählen:
„Es ist schon irgendwie ein Geburtstag, aber nicht unserer. Da wurde Jesus geboren. Der war der Sohn von Gott und da der ganz groß und mächtig ist, wird das auch entsprechend gefeiert“
Der grosse Riese mit den kurzen Haaren stutzte, sah den Mama-Riesen an und prustete los.
„DAS ist so ziemlich die kompakteste Erklärung, die ich zu Weihnachten je gehört habe!“
„Aber dann sind das doch gar nicht unserer Geschenke, die wir bekommen!“ rief da der kleine Riese „Dann dürfen wir die doch gar nicht behalten! Zu Gott muss man doch lieb sein, hat die Frau im Kindergarten gesagt ,und er freut sich bestimmt nicht, wenn wir die Geschenke für seinen Sohn einfach selber behalten.“
Verblüfft schwiegen alle, denn irgendwie war es richtig und auch die Kerzen wunderten sich ob dieses komischen Brauches, Geschenke Anderer einfach selbst zu behalten.
Da stand der große Riese auf, strich dem kleinen Riesen stolz über den Kopf, meinte „Darüber sollten wir alle mal bis nächsten Sonntag intensiv nachdenken“ und hauchte den Kerzen wieder das Leben aus.
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