Kranke und abwegige "Ideen" - Wie geht ihr damit um

Wie geht ihr generell mir Ideen um, die so abwegig sind, dass man es selber nie machen würde, aber eine blühende Phantasie hat um es beschreiben zu können.

Bisher fühle ich mich unwohl um sowas in meine Geschichten einzubauen.

Seit ich American Psycho gelesen habe, ist mir klar, dass meine schrägsten Ideen eher konservativ sind… :joy:
Also… lass die Tasten glühen…

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Ok, danke, also keine Gefahr der Einweisung, dann werde ich mal losschreiben.

Wenn du deine Geschichten für dich selbst schreibst, leg dir keine Grenzen auf. Wenn du Freude daran hast, deine Idee niederzuschreiben, oder wenn du „kranke“ Ideen auf diesem Wege loswerden und loslassen willst, nur zu.

Wenn du schreibst, um zu veröffentlichen, dann denke ich, wären ein paar Gedanken zur Zielgruppe und deren Erwartungen und zu dem Einfluss, den ein Autor auf seine Leser nimmt, vor der Veröffentlichung angemessen.

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Die Gedanken hatte ich auch, erstmal für mich selbst, ob es dann als Handlung in einer Veröffentlichung landet, werde ich später entscheiden. Soweit waren meine Gedanken noch garnicht gegangen.

Noch mal etwas ausführlicher meine persönliche Meinung dazu. Nichts davon muss richtig sein. Achtung Triggerwahnung: brutale Zitate…

Für Dein Gewissen, Deinen inneren Konflikt: es gilt natürlich die Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität.

Wenn Du Dich wohler fühlst und es für die Story nicht wichtig ist, arbeite mit Implikation. Deute nur an, den Rest, also den „perversen Teil“, übernimmt der Leser alleine…

Beispiel:

’Der Hautsammler saß in der Ecke und begutachtete mit neugierigem Blick die Rasierklinge in seiner Hand. „Hallo, mein Kind“, sagte es. Es ging einen Schritt auf Pete zu, wobei seine Knie seltsam knirschten. Pete konnte nicht anders und schloss die Augen. Er würde sie nie wieder öffnen.
Es wurde unausprechlich.‘

Eine Lehrerin von früher hat sich einmal gegen den elektrischen Stuhl für Triebtäter und Kindesmissbrauch ausgesprochen. „Wir brauchen nur einen Stuhl mit Haltegurten. Und 15 Minuten mit der Mutter. Und einen Lötkolben.“

Hast Du Bilder im Kopf? Ich schon…

Grausamkeit braucht nicht unbedingt Ausformulierung.

Manchmal jedoch ist es ein einfaches Stilmittel, um den Antagonisten „hassenswert“ zu machen.

Der Held ist auf einem Tisch festgeschnallt, ein Laserstrahl nähert sich seinem Schritt und würde erst dort und dann den Rest von ihm durchschneiden…

„Erwarten Sie von mir, dass ich rede?“

„Nein, ich erwarte von Ihnen, dass Sie sterben.“

Streng genommen an Grausamkeit nicht zu überbieten. Aus heutiger Sicht eher ein harmloses Abendprogramm (Goldfinger, James Bond).

Andere Liga: Beschreibung eines Schlachtfeldes, wo ein römischer Streitwagen durchfährt:

„in der die Leiber durchquerenden Furche sammelt sich Blut; Zügel und Deichsel bedecken sich mit einer schlüpfigen Schicht und die Hufe der Pferde werden durch die Eingeweide zurückgehalten.“
Aus den Schriften des Römers Statius.

Und meine persönliche Schmerzgrenze:

„Da war eine Grube, die war schon zu, und da quoll -wie ein Geysir- da quoll ein Blutstrahl hervor. Ich habe so etwas noch nie gesehen.“ Aus den Verhörprotokollen des Judenmord Managers Adolf Eichmann.

Ich will nur sagen: Fiktion ist fiktiv. Die Realität nicht. Du kannst nicht so stark in die Tabukiste greifen, wie Du fürchtest. Ich persönlich bin aber der Meinung, dass Brutalität die Geschichte voranbringen muss.

Du willst zeigen, dass die ganze Welt den Bach runtergeht, weil sie kapitalistisch degeneriert ist: Zombies in einem Kaufhaus wären das Mittel…

Du willst die Heldin strahlen lassen und ihren Feldzug rechtfertigen? Gut, dass der Kaiser ihre Tochter gekreuzigt hat - so kann der Leser ihn richtig hassen…

So lässt sich auch „American Psycho“ rechtfertigen - mit Bildern, die komplett krank sind. Weil sie eine kranke Gesellschaft symbolisieren. Und zwar ausschließlich deshalb.

Brutalität zum Selbstzweck lehne ich persönlich ab. Ich hatte irgendwann einmal ein Fantasy Buch am Wickel, wo die furchtbare Ork-Königin im Beischlaf dem ejakulierenden Mit-Ork den Kopf abriss - einfach offenbar, weil der Autor das Bild cool fand. Nun ja, die Papiertonne hat gesiegt…

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Dem stimme ich zu. Für die Öffentlichkeit muss der Kontext stimmen.
Oder, man hat eine Fanbase wie Richard Laymon.

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Vielen Dank für die vielen Bespiele, die haben gezeigt, das ich garnicht so tief gehen werde.
Ja die Verhörprotokole kenne ich. In dieser Abartigkeit werde ich nicht versinken und mein Stilmittel wird eher das „weglassen“ von Beschreibungen, so das der Leser das Kopfkino hat.

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In meinem letzten Buch habe ich in der Kurzgeschichte „Karma“ einen wirklich ekligen Charakter als Hauptakteur entworfen und tatsächlich hatte ich zeitweise das Gefühl, es sei ein wenig zu viel des Bösen. Dann hat sich die Geschichte aber irgendwann selbständig gemacht und das Gute in mir hat ihn seinem verdienten Ende zugeführt.

Insofern finde ich den Satz von @fuxx sehr passend (zumindest so, wie ich ihn verstehe) „Für die Öffentlichkeit muss der Kontext stimmen.“ Wenn man Krude Ideen in den richtigen Kontext setzt und möglicherweise sogar noch ein versöhnliches Ende findet, darf man sich meiner Meinung nach während des Schreibens ruhig austoben.

Außerdem liegt „krank“ immer im Auge des Betrachters und des gesellschaftlichen Kontextes. Inwieweit man sich an diese Regeln hält, bleibt jedem selbst überlassen. Es sei denn, man hat eine bestimmte Zielgruppe im Auge.

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… nicht zu vergessen den Kontext der Erwartungshaltung der Leser!

Sulzart arbeitet, wenn ich das richtig verstanden habe, an einer Familiensaga, die in Südkorea spielt.
Ich denke, die Zielgruppe, die gern Familiensagas liest und sich für die historischen Entwicklungen in Südkorea interessiert, diese Zielgruppe wird eine Nebenhandlung mit (beispielsweise) detaillierten Folterbeschreibungen nicht erwarten. Und wenn man als Leser unerwartet auf solche Schockinhalte stößt, ist das gar nicht nett.

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Stimmt, und Folter ist nicht geplant, die Geschichte von Korea hat leider auch eine sehr lange Geschichte des Grauens während der Besatzung der Japaner. Ich wollte nur, für mich, sicher gehen, das ich etwas beschreiben könnte, aber durch Eure Tipps, erfahren habe, dass es durchaus andere Techniken gibt. Des Lesers Kopfkino ist mir garnicht eingefallen.

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Oh, da fällt mir ein berühmtes Zitat von Umberto Eco ein:
„Ich wachte eines Tages auf und hatte das dringende Bedürfnis einen Mönch umzubringen. Oder wenigstens ein Buch darüber zu schreiben.“

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Vielleicht sind die Ideen ja gar nicht abwegig und es denken Millionen, sie trauen sich nur nicht, es zu sagen und du kannst es zum Ausdruck bringen. Ich denke, es kommt auch auf die konkrete Ausformulierung an und wie hier schon gesagt wurde auf den Kontext.

… und man muss festhalten, das ist ihm vorzüglich gelungen, mit nicht nur einem Mönch! Der ehemalige Klosterschüler in mir hatte jedenfalls außergewöhnliches Vergnügen bei der Lektüre :slight_smile:

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